Die Zolldrohungen von US-Präsident Trump setzen Schwellen- und Entwicklungsländer weltweit unter Druck: Sie müssen schnell neue Märkte und Handelspartner finden. Für die EU ist das eine Chance, die sie schnell nutzen sollte.
Vor einer Woche, am 13. Juli, verkündeten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der indonesische Präsident Prabowo Subianto den erfolgreichen Abschluss der seit zehn Jahren andauernden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Die Ankündigung im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz anlässlich von Prabowos Antrittsbesuch in Brüssel war bemerkenswert, hatte dieser in der Vergangenheit doch immer wieder öffentlichkeitswirksam gegen die EU gepoltert. Tief frustriert von den weitreichenden Umweltschutzanforderungen der EU im Rahmen der damals seit Jahren stockenden Handelsverhandlungen, schleuderte Prabowo in einer außenpolitischen Grundsatzrede im Wahlkampf 2024 den versammelten europäischen Botschaftern in Jakarta entgegen: "Wir brauchen Europa nicht mehr."
Angesichts von Zollandrohungen von US-Präsident Donald Trump - auch für Indonesien soll ab 1. August ein Zollsatz von 32 Prozent gelten - hat sich inzwischen allerdings auf beiden Seiten die Stimmung deutlich gewandelt. Prabowo gab sich bei der Pressekonferenz ausdrücklich jovial, freundlich und zufrieden. Doch vor allem bei der EU-Kommission zeigt sich im Umgang mit Indonesien ein neuer Pragmatismus hinsichtlich internationaler Wirtschafts- und Handelspartnerschaften mit den aufstrebenden Schwellenländern dieser Welt.
Denn neben dem Abschluss der Handelsverhandlungen verkündete von der Leyen auch europäische Visa-Erleichterungen für indonesische Staatsbürger - ein weiterer Punkt, der die bilateralen Beziehungen seit vielen Jahren belastete und in Zukunft sicherlich auch die Anwerbung von Fachkräften aus Indonesien erleichtern wird. Zudem kommt die Einigung nur wenige Wochen, nachdem die EU-Kommission Indonesien mit Blick auf die in Jakarta bis dato hochumstritten EU-Entwaldungsrichtlinie von "high risk" auf "standard risk" herabgestuft hat.
Schwellen- und Entwicklungsländer stehen unter Druck
Der Fall Indonesien zeigt anschaulich, wie die EU-Kommission unter dem Eindruck von Trumps Zollpolitik ihren handelspolitischen Ansatz gerade pragmatisch neu aufstellt. Vorbei scheinen die Zeiten von handelsfernen Maximalforderungen etwa im Klima- und Umweltbereich, die den erfolgreichen Abschluss von Handelsabkommen mit zahlreichen Schwellenländern torpedierten. Nach der erfolgreichen Einigung der EU mit den Mercosur-Staaten Ende 2024 ist der jetzt erzielte Verhandlungserfolg mit Indonesien der zweite große Handelsdurchbruch der EU-Kommission innerhalb weniger Monate. Immerhin ist Indonesien mit 285 Millionen Einwohnern das viertbevölkerungsreichste Land und eine der größten Volkswirtschaften der Welt.
Die Kommission sollte ihren neu gefundenen Pragmatismus nutzen, um auch weitere noch laufende Handelsverhandlungen mit Schwellenländern weltweit schnell zum Abschluss zu bringen. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Malaysia Anfang des Jahres, die davor seit 2012 auf Eis lagen, ist ein weiterer wichtiger Schritt. Der handelspolitische Hauptgewinn wäre allerdings ein Abschluss der sich seit fast 20 Jahren ziehenden Handelsverhandlungen mit Indien noch in diesem Jahr - ein Ziel, das der indische Ministerpräsident Narendra Modi und Kommissionspräsidentin von der Leyen im Februar 2025 gemeinsam ausgerufen haben.
Weltweit stehen die Schwellen- und Entwicklungsländer mit Blick auf Trumps Zollandrohungen besonders unter Druck. Sie müssen angesichts teils erheblicher Exportabhängigkeiten schnell neue Märkte und Handelspartner finden. Die EU mit ihrem riesigen Binnenmarkt und mehr als 450 Millionen kaufkräftigen Konsumenten ist dabei Wunschkandidat. Mit seiner Zollpolitik hat Trump der EU die Tür aufgestoßen, um sich weltweit als attraktiver und verlässlicher Wirtschafts- und Handelspartner zu positionieren. Die EU-Kommission sollte diese Chance schnell nutzen.
Der Autor: Dr. Denis Suarsana ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Indonesien.
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