Die Union kassiert eine gerichtliche Schlappe nach der nächsten. Dabei gehörte diese bei der Verschärfung der Migrationspolitik zu den Kernpunkten der Wahlversprechen auf Bundes- wie Landesebene.

Der innenpolitische Sprecher der CDU Berlin, Burkard Dregger, erklärt im Gespräch mit WELT TV, warum die Politik die Spielräume der Gerichte ausnutzen muss.

WELT: Herr Dregger, wir haben gerade in Berlin dieses Beispiel mutmaßlichen Sozialbetrugs gesehen. An einem Wohnkomplex sind in den vergangenen Monaten 82 Anmeldungen eingegangen. Die gemeldeten Personen halten sich dort aber gar nicht auf. Die Frage ist: Wie kann so etwas geschehen? Vielfacher Betrug, vielfache Urkundenfälschung – warum lässt sich der Staat so auf der Nase herumtanzen?

Burkard Dregger: Immerhin hat der Staat den Fall aufgedeckt und erkannt – vor allem dank des Engagements des Sozialstadtrats in Mitte, dessen Behörde den Vorgang an die Polizei weitergeleitet hat. Dabei stellte sich heraus, dass offenbar eine nicht existierende Hausverwaltung Melde- oder Vermieterbescheinigungen ausgestellt hatte. Das führte dazu, dass Personen Meldebescheinigungen erhielten und sich bei den Sozialbehörden registrieren lassen konnten. In einer Großstadt gibt es nun einmal, leider Gottes, viele Betrüger. Umso wichtiger ist es, dass die Behörden handeln – und in diesem Fall haben sie das getan: Der Betrug wurde aufgedeckt, er wird verfolgt, und der Missbrauch ist gestoppt.

WELT: Wie kann man den Missbrauch verhindern? Sie sprachen von vielen Betrügern. Das lässt darauf schließen, dass es noch mehr solcher Fälle gibt.

Dregger: Mit Sicherheit gibt es viele solcher Fälle – und verhindert werden kann das nur durch engagierte Zusammenarbeit der Behörden, insbesondere zwischen Polizei und Sozialbehörden. Wenn der Informationsfluss stimmt und die Zusammenarbeit funktioniert, dann lassen sich solche Fälle auch aufklären. Aber es wird immer wieder Menschen geben, die versuchen, unser großzügiges System auszunutzen.

WELT: Verhindern kann man es nicht?

Dregger: Nein, man kann nicht verhindern, dass Menschen kriminell sind.

WELT: Blicken wir auf ein anderes Thema: Schwarz-Rot will eigentlich keine Personen mehr über das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghanen aufnehmen. Nun hat jedoch das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Bundesregierung einer Afghanin, die geklagt hatte, sowie ihren 13 Familienangehörigen, die bereits eine Zusage erhalten hatten, Visa für die Einreise nach Deutschland erteilen muss. Was sagen Sie zu diesem Urteil?

Dregger: Offenbar hat die Vorgängerregierung, also die Ampelkoalition, völkerrechtlich bindende Zusagen an einzelne Personen gemacht, dass sie aufgenommen werden dürfen. Darauf berufen sich diese nun – und wie sich zeigt, sind diese Zusagen tatsächlich einklagbar. Das war mir bislang nicht bekannt.

Insofern ist die neue Regierung nun gezwungen, der gerichtlichen Entscheidung nachzukommen und diese Menschen aufzunehmen. Nach meinem Kenntnisstand betrifft das aber nur rund 40 Personen, die eine solche Zusage erhalten haben – also ein noch überschaubarer Kreis. Gleichzeitig gibt es deutlich mehr Menschen, die hoffen, nach Deutschland zu kommen. Ich weiß von etwa 2.100 Personen, die sich das erhoffen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass alle im Besitz einer entsprechenden Zusage der Vorgängerregierung sind.

WELT: Dasselbe Berliner Verwaltungsgericht hatte bereits Anfang Juni für Aufsehen gesorgt. Damals urteilte es, dass drei Somalier in Berlin ein Asylzuständigkeitsverfahren durchlaufen dürfen – obwohl sie zuvor an der Grenze zurückgewiesen worden waren. Und wie jetzt im Fall der Afghanen wurden auch diese Kläger von NGOs unterstützt: einmal von Pro Asyl, einmal von „Kabul Luftbrücke“. Da stellt sich schon die Frage: Entscheiden am Ende Gerichte und NGOs über die Migrationspolitik – oder die Regierung? Eine Kehrtwende in der Migrationspolitik war doch das zentrale Versprechen der Union.

Dregger: Die Bundesregierung unternimmt alles, um irreguläre Migration zu stoppen, und nimmt dieses Versprechen auch ernst. Aber sie entscheidet nicht allein. Ebenso wenig tun das die NGOs. Letztlich sind es die Gerichte, die uns als Politik durchaus enge Grenzen setzen – das sehen wir auch im Versammlungsrecht. Viele Versammlungen werden zugelassen, die wir aus politischer Sicht vielleicht nicht zulassen wollen. Viele Versammlungen werden zugelassen, weil die Verfassungsgerichte das entsprechende Recht sprechen. Wir müssen uns im Rahmen dessen bewegen, was uns die Verfassungsgerichte vorgeben – und diesen Spielraum komplett und maximal ausnutzen.

WELT: Sie sprechen das Versammlungsgesetz an. Immer wieder gibt es schockierende Aufmärsche von Islamisten bei Demos in Berlin. Jetzt beabsichtigt der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) härter dagegen vorzugehen. Der Begriff der öffentlichen Ordnung müsse wieder ins Versammlungsfreiheitsgesetz geschrieben werden, so der CDU-Politiker. Die Innenverwaltung sollte jetzt prüfen, welche Änderungen notwendig sind, um Aufmärsche dieser Art künftig wirksam zu verhindern. Wie kann man denn so ein Verbot rechtssicher machen?

Dregger: Ich bin maßlos enttäuscht von dieser gerichtlichen Entscheidung. Ich neige nun wirklich nicht zur Richterschelte, aber mir ist das völlig unbegreiflich, was hier entschieden worden ist. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit argumentiert und das Versammlungsverbot als unverhältnismäßig eingestuft. Zuvor hatte die Polizei ein Verbot ausgesprochen, das auch vom Verwaltungsgericht zunächst bestätigt worden war. Doch das Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidung wieder aufgehoben. Und jetzt sehen wir, was passiert ist: Es kam zu islamistischen Aufmärschen, zu Vernichtungsaufrufen gegen Israel und zur offenen Befürwortung eines Kalifats. Ich finde diese Zustände unerträglich.

Und ich muss auch in Richtung der Gerichte sagen: Bei allem Respekt vor ihrer Unabhängigkeit – ich erwarte, dass sehr genau hingeschaut wird. Was wir hier an Versammlungsgeschehen ertragen müssen, ist aus meiner Sicht wirklich grenzwertig. Ich habe der Versammlungsbehörde ganz klar gesagt: Ich stehe hinter jedem Verbot, das ihr aussprecht. Und ich bin bereit, in die öffentliche Auseinandersetzung zu gehen, um euch zu verteidigen, wenn ihr ausgebremst werdet.

WELT: Ist das vielleicht ein Berliner Problem? In München oder Frankfurt gibt es diese Aufmärsche nicht. Da scheinen Verbote zu funktionieren.

Dregger: Ja, ich glaube, Berlin ist natürlich als deutsche Hauptstadt dann auch der bevorzugte Ort für Versammlungen. Wir haben im Jahr inzwischen 7.500 Versammlungen, die die Polizei begleiten muss. Sie müssen sich das mal vorstellen, da sind mehr Versammlungen als im restlichen Bundesgebiet zusammen.

Und in jedem Einzelfall prüft die Polizei, welche möglichen Gefahren davon ausgehen, und erlässt dann entweder Auflagen oder sogar Verbote. Die können natürlich gerichtlich überprüft werden. Und dass Verwaltungsgerichte hier in Berlin dann glauben, dass solche Verbote unverhältnismäßig seien – das darf man auch mal kritisch hinterfragen. Wir werden jedenfalls als Gesetzgeber hier in Berlin versuchen, soweit es uns möglich ist, das Versammlungsrecht zu verschärfen, die Eingriffsmöglichkeiten der Behörden auszudehnen. Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Aber ich sage auch: Wenn dann ein Gericht sagt, ein Verbot ist unverhältnismäßig, dann sind wir machtlos. Denn das letzte Wort haben immer die Gerichte. Das gehört leider zur Wahrheit.

Dieses Transkript des Interviews bei WELT TV entstand mithilfe Künstlicher Intelligenz. Für bessere Lesbarkeit wurde das gesprochene Wort leicht abgeändert und gekürzt.

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