Die AfD ist machtpolitisch isoliert. Will sie regieren, braucht sie Partner. Jetzt will sie gemäßigter auftreten. Kann die Strategie die Union überzeugen?

Vielleicht war es nur der Hitze geschuldet - aber am Samstag beschloss die AfD, künftig einen kühleren Kopf zu bewahren. Auf ihrer Klausur in Berlin verabschiedete sie ein Positionspapier. Bei fast 30 Grad verkrochen sich die Abgeordneten in ihrem improvisierten Fraktionssaal mit Blick auf die Spree und sprachen über Benimmregeln im Parlament und wo sie inhaltlich stehen. Ergebnis: Die AfD will in Zukunft gemäßigter auftreten. Doch diese Strategie wird sie kaum durchhalten.

Künftig sollen für die Bundestagsabgeordneten strengere Regeln gelten: keine zu großen Taschen in den ersten Reihen, ordentliche Kleidung, Geschlossenheit und keine Korruption. Inhaltlich geht es um Grenzschutz, Wirtschaft und Außenpolitik. Die Schmuddelkinder des Parlaments wollen erwachsen werden. "Professionalisieren" nennt das der Vorsitzende Tino Chrupalla. Doch um eine Partei zu werden, die mit anderen Parteien konstruktiv zusammenarbeitet und den Staat stützt und nicht stürzen will, braucht es einiges mehr.

Besseres Benehmen wäre ein erster Schritt, auch wenn Chrupalla das nicht für nötig hält, wie er sagte. Die AfD führt die Liste der Zwischenrufe im Parlament an. Mehrere Frauen, die in den Reihen der Union in direkter Hörweite zum rechten Rand sitzen, berichten von geschmacklosen und platt-frauenfeindlichen Sprüchen aus der AfD. Schon das Auftreten und der Stil stehe einer Zusammenarbeit mit anderen Parteien im Weg. Losgelöst davon, wofür die AfD inhaltlich steht.

Begriff Remigration gestrichen

Nun soll alles besser werden. Steht ja so im Verhaltenskodex. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter sagte im Deutschlandfunk, seine Partei wolle regierungsfähig werden und seriös auftreten. Eine gestriegelte und höfliche AfD mit nicht zu großen Taschen und einem klaren Plan, was sie wolle. Bringt das jetzt also die Brandmauer zum Einstürzen? Friedrich Merz in Verlegenheit? Wohl kaum.

Denn die AfD zeigte mit ihrem Positionspapier, wie weit sie noch von der Anschlussfähigkeit entfernt ist. In einer ersten Fassung hieß es noch "Remigration fördern, um Wohnraum für Einheimische zu schaffen". Ausländer raus, Deutsche rein. In der finalen Version des Papiers ist harmloser von einer Entspannung des Wohnungsmarktes durch die Bekämpfung von "illegaler Migration" die Rede.

Die Fraktionsklausur sollte der Aufbruch in eine neue Zeit werden - und war das genaue Gegenteil. Der rechtsextreme Kampfbegriff "Remigration" ist ein rotes Tuch für alle anderen Parteien. Für Rechtsextreme meint es auch die Ausweisung von Deutschen mit Migrationshintergrund. Die AfD hat ihn ins Wahlprogramm aufgenommen und versucht, ihn umzudeuten. Doch es bleibt ein Zugehen auf die radikalen Kräfte in der Partei.

Hinzu kommen offene Grabenkämpfe innerhalb der AfD. Russland, Nahost, Abtreibung - die Partei ist sich in entscheidenden Fragen nicht einig. Und so nicht anschlussfähig für die Union. Wer nicht klar zur NATO und zu Israel steht und sich bei rechten Vordenkern wie Götz Kubitschek anbiedert, braucht gar nicht erst bei CDU und CSU anzurufen. Nicht einmal vorsichtig per Mail anzufragen.

Weidel will nichts von Mäßigung wissen

Dass die Fraktionsspitze mit aller Macht an einer- tun wir Chrupalla den Gefallen und nennen es "Professionalisierung"- arbeitet, ist nachvollziehbar. Sie ist machtpolitisch isoliert. Ohne Partner im Parlament bringt ihnen auch die auf das Doppelte angewachsene Fraktion nichts. Doch nicht alle wollen da mitziehen. Die Frage, ob man eine Machtoption durch Anschlussfähigkeit und Mäßigung erreicht oder ob es doch die anderen Parteien sind, die auf die AfD zugehen müssen, ist in der Partei ungeklärt.

Hinzu kommt, dass selbst die Verfechter einer Annäherungsstrategie diese in manchen Momenten selbst torpedieren. Am Montagnachmittag spricht ntv die Fraktionschefin Alice Weidel genau darauf an. Doch sie will von Mäßigung nichts wissen. Weidel räumt mal eben in wenigen Sekunden das ab, wofür sie sich mit ihren Leuten am Samstag bei schönstem Wetter im Fraktionssaal eingeschlossen hat.

Die letzte Glaubwürdigkeit einer Mäßigung verspielte die Parteichefin aber spätestens, als sie am Rande der Klausurtagung den Beschluss der SPD für ein AfD-Verbotsverfahren mit Vergleichen der NS-Diktatur attackierte: "Wir haben das gesehen - Adolf Hitler!" Der habe zuerst Parteien verboten und die Pressefreiheit eingeschränkt. Das ist keine Mäßigung. Sondern die gleiche radikale Position wie zuvor.

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