Der pazifistische Flügel der Sozialdemokraten legt ein "Manifest" vor, das erschreckend zeigt: Teile der SPD leben in der Vergangenheit. Sie begreifen nicht, dass skrupellose Kriegsfürsten wie Putin sich mit ihren Armeen nehmen, was sie möchten – und nur mit Gegengewalt gestoppt werden können.
Als Politiker hat Rolf Mützenich in jüngerer Zeit drei bittere Niederlagen einstecken müssen, die man auch als Demütigungen werten kann. Die SPD kassierte mit 16,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Anschließend wurde Friedrich Merz mit den Stimmen der allermeisten Sozialdemokraten zum Kanzler gekürt - jener Mann, dem Mützenich vorgeworfen hatte, das "Tor zur Hölle" geöffnet zu haben, weil der die Union gemeinsam mit der AfD stimmen ließ. Dann erlebte der Sozialdemokrat einen Absturz zum parlamentarischen Niemand, während SPD-Chef Lars Klingbeil Finanzminister wurde. Eben noch Fraktionsvorsitzender seiner Partei, musste Mützenich mit ansehen, wie der von ihm angestrebte Chefsessel des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag an den CDU-Kollegen Armin Laschet ging.
"Eine demokratische und kluge Außenpolitik darf sich nicht allein auf militärische Themen und Ziele konzentrieren", gab Mützenich dem auch schon einmal heftig abgestürzten Christdemokraten Laschet im "Stern" mit auf den Weg. Was er übersah: Nach dem Fall der Mauer war die Außenpolitik der Bundesrepublik auch dank SPD alles andere als "allein" auf Rüstung und Militär ausgerichtet - und ist sie auch heute nicht. Wer dafür sorgt, dass "militärische Themen und Ziele" erstmals seit Jahrzehnten wieder stark in den Fokus deutscher Innen- und Außenpolitik geraten sind, ist: Russland. Wer das immer noch nicht vollumfänglich und in all seinen Konsequenzen wahrhaben will, ist: Rolf Mützenich, der zwar gealterte, aber im Kopf ewige Juso.
Merz ist weiter, als es Scholz je war
Nun haben Mützenich und einige andere ehemals führende SPD-Politiker des linken pazifistischen Flügels ein Grundsatzpapier zur Sicherheits- und Außenpolitik vorgelegt, mit dem dieser Teil der Partei endgültig ins Lager der Putin-Versteher und -Helfer wechselt, auch wenn sie es geschmeidiger verbergen als Sahra Wagenknecht und Co. "Militärische Alarmrhetorik" - exakt das Ding von Mützenich und seinen Kumpanen wie Ralf Stegner, die ständig Atomkriegsgefahr herbeireden und damit die Bevölkerung verunsichern - "und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen Nato und Russland", heißt es in dem Text.
Natürlich plädieren die Verfasser des Debattenbeitrags für eine "schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer Zusammenarbeit mit Russland". Man muss zu dem Schluss kommen, dass Mützenich und seine Mitstreiter keine Nachrichten lesen. Es muss sie wurmen, gar schmerzen, dass Merz als Kanzler in nur wenigen Wochen mehr unternommen hat, mit diplomatischen Methoden den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine temporär durch Waffenstillstand oder gänzlich zu beenden als dessen Vorgänger Olaf Scholz in drei Jahren. Der SPD-Kanzler hatte es nicht mal versucht, sieht man einmal von den Telefonaten mit Putin ab, die absolut gar nichts bewirkten nach allem, was darüber bekannt ist.
Scholz, der sich vom Agieren des früheren US-Präsidenten Joe Biden abhängig gemacht hatte, hat lediglich dafür gesorgt, dass Deutschland weitgehend isoliert war in Europa und kaum noch ernst genommen wurde. Auch das hat Merz in kurzer Zeit aufgebrochen. Doch all das wird durch das "Manifest" uneinsichtiger und ignoranter SPD-Pazifisten torpediert ohne Rücksicht auf Klingbeil und die Tatsache, dass die Sozialdemokraten an der Regierung beteiligt sind. Überhaupt ist erstaunlich, dass die Mützenichs und Stegners den Absturz der SPD in ungeahnte Tiefen der Wählergunst mit einem politischen Weiter-so kontern wollen. Sie sind unbelehrbar.
Die Schüsse in der Ukraine nicht gehört
Mützenich, Stegner und die anderen Putin-Versteher in der SPD verharren in geradezu bizarrer Weise in ihren alten Denkmustern und träumen weiter von einer atomwaffenfreien Wir-haben-uns-alle-lieb-Welt, als hätte Russland die Ukraine nie überfallen. Putin ist der Kriegstreiber. Er investiert Unsummen in Rüstung, heuert Soldaten aus Nordkorea an, strebt ein Reich mindestens in Dimensionen der Sowjetunion an, provoziert die Nato und lässt ständig mit Atomwaffen drohen. Russland attackiert Tag für Tag und Nacht für Nacht zivile Ziele in der Ukraine, zeigt keinerlei Interesse an Verhandlungen, die einen nachhaltigen Frieden bringen könnten, geschweige denn Reparationszahlungen des Kremls an das überfallene Land. Und Stegner sagt: "Im Moment wird ungehemmt über den nächsten Landkrieg und über die Wehrpflicht gesprochen. Gegen diese Form der Militarisierung müssen wir uns als Sozialdemokraten wehren."
Der Mann hat - im wahrsten Sinne des Wortes - die Schüsse in der Ukraine nicht gehört. Statt aufzuarbeiten, wie die SPD dazu beigetragen hat, Deutschland in russische Energieabhängigkeit zu treiben, oder an die Front zu reisen, um sich das Verrecken aus der Nähe anzusehen, trifft er sich in Baku mit Kreml-Apologeten. Da hilft auch nicht, wenn der Bundestagsabgeordnete das Deckmäntelchen der "Privatreise" über die Gespräche hängt. Entweder der Mann ist dumm, kindisch, verantwortungslos oder überschätzt sich kolossal. In jedem Fall gehört Stegner zu jenen Kräften in der SPD, die offizielle Außenpolitik permanent zum Vorteil Russlands untergraben. Denn der Diktator im Kreml und seine Spießgesellen müssten isoliert und nicht hofiert werden. Anbiedern ist der falsche Weg.
Mützenich will Alternativlosigkeit nicht wahrhaben
Die SPD ist auch unter Klingbeil weit entfernt, sich von "Wandel durch Handel" zu trennen. Niemand soll Russland drohen - und niemand tut es derzeit. Aber es müsste sich doch endlich auch unter Pazifisten rumgesprochen haben: Zum Frieden gehören immer zwei Staaten, für Krieg reicht einer. Mützenich hatte schon vor einem Jahr Schockwellen in die Ukraine gesandt, als er im Bundestag seinen klammheimlichen Wunsch äußerte, Russland zu geben, was Putins Herz begehrt, damit endlich wieder Ruhe herrscht: "Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?" Da half auch nicht, das Ansinnen in eine Frage zu hüllen.
Keine Frage: Mützenich verabscheut den Krieg. Er, der 1991 seine Doktorarbeit über "Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik - historische Erfahrungen, Rahmenbedingungen, Perspektiven" vorlegte, ist bestimmt nicht für eine bedingungslose Kapitulation der Ukraine. Dass er die Waffenlieferungen an die Ukraine akzeptierte, muss man ihm anrechnen. Dass Mützenich aber bis heute nicht begreift, dass skrupellose Kriegsfürsten wie Putin sich mit einer Armee nehmen, was sie möchten, und nur mit Gegengewalt gestoppt werden können, ist ein tödlicher Irrtum - potenziell inzwischen auch für Deutschland.
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