Die Ankündigung großer gesetzlicher Krankenkassen, trotz des milliardenschweren Sparpakets der Regierung die Zusatzbeiträge zu erhöhen, hat der schwarz-roten Koalition schwere Vorwürfe eingehandelt. Der Grünen-Experte Janosch Dahmen sprach von „grundsätzlichem politischen Versagen“. Rund 75 Millionen gesetzlich Versicherte könnten dieser Tage in ihren Briefkästen nachlesen, dass die Zusatzbeiträge steigen. „Diese Teuerungsspirale ist ein spürbarer Nettoklau im Portemonnaie von Beitragszahlern und Betrieben.“ Jetzt zeigten selbst große Krankenkassen, dass sie wegen des verunglückten Sparpakets von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gezwungen seien, ihre Zusatzbeiträge zu erhöhen.

Zwei große bundesweit tätige Kassen hatten am Freitag Anhebungen ihrer Zusatzbeiträge bekannt gegeben: bei der Techniker Krankenkasse steigt er auf 2,69 Prozent und bei der DAK-Gesundheit auf 3,2 Prozent. Zum gesamten Beitrag, den sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen, gehört neben dem Zusatzbeitrag der allgemeine Satz von 14,6 Prozent. Erst Anfang 2025 hatte es eine Welle kräftiger Erhöhungen gegeben.

„Das ist kein Ausnahmefall, sondern Ausdruck eines grundlegenden politischen Versagens“, sagte Dahmen WELT. Die Finanzmisere der gesetzlichen Krankenversicherung lasse sich nur mit mutigen Strukturreformen beheben: einer Begrenzung der Arzneimittelpreise, einem Abbau von Über- und Fehlversorgung, einer klaren Steuerung der Krankenhausversorgung nach Qualität und Bedarf sowie einer konsequenten Stärkung der Primär- und Notfallversorgung. „Wenn diese Fragen weiter vertagt werden, drohen nicht nur weitere Beitragserhöhungen, sondern eine dauerhafte Belastung der sozialen Sicherungssysteme und unseres Wirtschaftsstandorts.“

„Die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung ist desolat“, sagte der AfD-Gesundheitspolitiker Martin Sichert WELT. „Die Bundesregierung sollte ihr Versprechen einhalten, die Kosten für Bürgergeldempfänger zu übernehmen.“ Zudem seien den Kassen Gelder aus der Corona-Zeit zurückzuerstatten. Langfristig brauche es eine echte Reform, bei der die Verwaltungskosten durch den Abbau von Bürokratie deutlich reduziert würden. „Dadurch würde nicht nur Geld gespart, sondern auch mehr Zeit für die Behandlung von Patienten zur Verfügung stehen.“

Linke-Fraktionschef Sören Pellmann hielt der Regierung Planlosigkeit vor. „Sie spart Kliniken kaputt und liefert Versicherte höheren Zusatzbeiträgen aus, statt endlich die notwendigen strukturellen Reformen anzugehen. Die wirkungslosen Kürzungspakete verbessern weder die Situation der Beschäftigten noch der Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind.“ Die Lösung liege darin, dass sich Reiche nicht weiter aus der Verantwortung ziehen dürften. „Es braucht eine grundlegende Reform der Finanzierung mit einer solidarischen Gesundheitsversicherung, ohne Beitragsbemessungsgrenze und mit der Einbeziehung aller Einkommensarten.“

Weitere Reformen angekündigt

Unions-Fraktionsvize Albert Stegemann (CDU) kündigte grundlegende Reformen an. Angesichts der aktuellen Finanzlage und der bevorstehenden Herausforderungen sei jedem klar gewesen, dass das jetzige Sparpaket erst der Anfang sei. „Es braucht tief greifende Reformen, an denen alle Beteiligten ihren Anteil leisten müssen – Ärzte, Krankenhäuser, Kassen, Pharmahersteller. Aber auch Patientinnen und Patienten werden sich auf spürbare Veränderungen einstellen müssen.“ Andernfalls würden die Belastungen für die arbeitenden Menschen und die Wirtschaft weiter steigen.

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Christos Pantazis betonte den Reformbedarf: „Die gesetzliche Krankenversicherung leidet nicht an zu hohen Leistungen, sondern an einer seit Jahren ungebremsten Ausgabendynamik ohne ausreichende Strukturreformen.“ Die Beitragszahler trügen bereits heute eine historische Last – weitere Beitragserhöhungen dürften nicht zur Dauerlösung werden.

„Die Krankenhausreform muss entschlossen fortgeführt und im kommenden Jahr als tief greifende Strukturreform weiterentwickelt werden“, so Pantazis. Gleiches gelte für die überfällige Notfallreform und eine effektive Patientensteuerung: „Der Handlungsdruck ist enorm, Zeit zum Aufschieben gibt es nicht.“ Nur so könnten das für 2027 prognostizierte Defizit von rund zwölf Milliarden Euro begrenzt und die Beitragssätze stabil gehalten werden.

Bundestag und Bundesrat hatten sich zuletzt auf einen Kompromiss verständigt, der Ausgaben von bis zu 1,8 Milliarden Euro vermeiden soll. Dafür wird der Anstieg der Klinik-Vergütungen 2026 einmalig gekappt.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke