Im zweiten Anlauf hat der Bundestag drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt. Die Abgeordneten stimmten am Donnerstagnachmittag mit den nötigen Zweidrittelmehrheiten für die beiden SPD-Kandidatinnen Ann-Katrin Kaufhold und Sigrid Emmenegger sowie den Unions-Kandidaten Günter Spinner. Damit sind nun wieder alle Richterposten beim höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe besetzt.
Die schwarz-rote Koalition verfügt allerdings nicht über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Selbst mit den Stimmen der oppositionellen Grünen wären rechnerisch noch sieben Stimmen nötig gewesen, die nur von der Linksfraktion oder der AfD hätten kommen können.
Die Linkspartei hatte bereits vor der Abstimmung beklagt, dass die Union nicht mit ihr über den Kandidaten Spinner reden wollte. Grund dafür ist ein Parteitagsbeschluss der CDU, der eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der Linken untersagt hat.
Nach der Wahl veröffentlichte die Linke im Bundestag ein ausführliches Statement ihrer Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Sie wertete positiv, dass die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts nun wieder gewährleistet sei. Zur Rolle der Union fand sie dagegen scharfe Worte.
Diese habe „sich vehement geweigert, für demokratische Mehrheiten zu sorgen – mit dem billigen Verweis auf ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken. Das zeigt ein erhebliches Maß an Heuchelei“, schrieb Reichinnek. „Wenn CDU-geführte Landesregierungen mit Unterstützung der Linken ihre Haushalte verabschieden, finden in diesem Zuge selbstverständlich Verhandlungen mit unseren Landtagsfraktionen statt.“
Dem Unions-Fraktionschef Jens Spahn warf sie besondere Verantwortung für die „Beschädigung des Gerichts“ vor: Er habe „eine Politisierung des Verfassungsgerichts vorangetrieben, wie wir sie noch nie erlebt haben“. Teile der Union hätten eine „rechtsextreme Hetzkampagne gegen die ursprüngliche Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf aktiv befeuert, was eindeutig zeigt, dass zumindest diese Teile sich nicht mehr zur politischen Mitte zählen lassen“.
Was die anderen Parteien sagen
Jens Spahn sagte nach der Abstimmung, dass mit der Wahl eine „Phase der Unsicherheit“ ende. „Das Bundesverfassungsgericht ist wieder voll arbeitsfähig, alle Richterstellen sind mit gewählten Richterinnen und Richtern besetzt.“ Spahn sehe mit dem Abstimmungsergebnis auch die Koalition gestärkt.
SPD-Fraktionschef Miersch sagte, mit Blick auf das Scheitern der Wahl im Juli sei die nun geglückte Abstimmung „ein wichtiges Signal, dass die überwiegende Mehrheit in diesem Parlament die Demokratie schützt und achtet.“ Miersch dankte explizit Grünen und Linken für die Unterstützung der Kandidaten. „Ich glaube, das ist ein Signal, das über den Tag hinaus wirkt. Denn wir werden hier jetzt auch die Dinge weiter in Angriff nehmen, die im Zweifel auch Zweidrittelmehrheiten bedürfen.“
Der Tag zeige, dass „diese Koalition handlungsfähig, entscheidungsfähig ist“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann. Die Koalition könne „die Aufgaben, die ihr gestellt werden, angehen“. Die Abgeordneten hätten „staatspolitische Verantwortung bewiesen und das ist das, was unser Land und unsere Demokratie jetzt braucht“.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) kommentierte, es sei „gut, dass die Fraktionen jetzt zu einer klaren und breit getragenen Entscheidung gekommen sind“. Mit der Wahl komme der Bundestag „seiner Verantwortung nach und stellt sicher, dass das Bundesverfassungsgericht arbeitsfähig bleibt. Das ist ein wichtiger Schritt für die Stabilität und Funktionsfähigkeit unserer Verfassungsorgane.“
Auch der Deutsche Richterbund (DRB) reagierte „erleichtert“ auf das Ergebnis. „Es ist gut, dass der Bundestag nun seine Handlungs- und Kompromissfähigkeit in dieser Frage bewiesen hat“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn den Funke-Zeitungen.
Von den 613 abgegebenen Stimmen bekam der bisherige Arbeitsrichter Spinner 424 Ja-Voten bei 178 Nein-Stimmen und elf Enthaltungen. Für die Rechtswissenschaftlerin Kaufhold stimmten 440 Abgeordnete, 166 votierten dagegen, sieben enthielten sich. Die Verwaltungsrichterin Emmenegger kam auf 446 Ja-Stimmen, 161 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen. Nötig waren jeweils zwei Drittel der abgegebenen Stimmen – was 409 Stimmen entsprach.
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