Eine große Delegation europäischer Staats- und Regierungschefs ist am Montag am Weißen Haus in Washington, D.C. erschienen. Bei dem Gipfeltreffen kam es zu einer Reihe von Verabredungen.
Sie reichen von einem möglichen Zweiertreffen zwischen Kremlchef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bis hin zur Ausarbeitung konkreter US-Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
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Aber welche konkreten Folgen haben die Gespräche – insbesondere für die Ukraine? Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, gibt im Gespräch mit WELT TV seine Einschätzung ab.
WELT: Der Kanzler hat sich sehr positiv geäußert nach den Gesprächen in Washington. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Carlo Masala: Zunächst einmal ist es wohl auch die Strategie von Friedrich Merz, wie die aller anderen Europäer, alles überschwänglich zu loben, um Trump nicht zu verärgern. Das Treffen gestern war nicht die von vielen erwartete große Katastrophe. Aber: Wir haben auch relativ wenige konkrete Ergebnisse herausbekommen.
Die großen Fragen sind weiterhin strittig. Also: Wie sehen konkret amerikanische Sicherheitsgarantien aus? Das weiß keiner. Trump hat sich das wirklich offen gelassen. Die Europäer, insbesondere Emmanuel Macron und Friedrich Merz, aber auch Giorgia Meloni, machen klar: Bevor man verhandelt, muss es zuerst einen Waffenstillstand geben. Trump lehnt das ab.
Auch zu einem möglichen Treffen zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj gibt es zwei unterschiedliche Interpretationen. Trump, und dann auch im Anschluss sein Außenminister Marco Rubio, sagen, Putin hätte einem direkten Treffen zugestimmt. Der russische Präsidentenberater Juri Uschakow hingegen sagt, es sei lediglich vereinbart worden, die Ebene der Delegationen zu erhöhen, die möglicherweise ein solches Treffen ausloten können. Auch hier besteht also keine Klarheit. Ich glaube, Trump ist wohlwollend gestimmt worden durch Selenskyjs Angebot, nach dem Krieg für die zukünftige ukrainische Armee Waffen im Wert von 100 Milliarden Dollar zu kaufen, finanziert durch die EU. Also der typische Deal, den Trump liebt. Aber ansonsten sind sehr viele Fragen noch unklar. Positiv ist: Es kommt Bewegung rein.
WELT: Diese Sicherheitsgarantien sollen ja sich an Artikel 5 des Nato-Vertrages orientieren. Das heißt also, wenn ein Nato-Land angegriffen wird, steht das ganze Bündnis diesem Land zur Seite. Das würde in diesem Kontext aber auch heißen, dass man eventuell Nato-Soldaten in die Ukraine entsenden würde – und das wiederum hieße ja dann auch deutsche Soldaten, oder?
Masala: Ja, es würde letzten Endes sicherlich bedeuten: Auch deutsche Soldaten müssten in die Ukraine. Das muss aber jedes Land für sich selbst entscheiden. Es ergäbe aus meiner Perspektive allerdings wenig Sinn, wenn das Land, das sich immer damit brüstet und rühmt, der wichtigste europäische Unterstützer und weltweit der zweitwichtigste Unterstützer der Ukraine zu sein, sich in dieser Frage dann zurückzöge.
Zur Artikel-5-Frage muss man ganz klar sagen: Die Artikel-5-Zusagen und die Nato-Truppen vor Ort – das ist nicht notwendigerweise zusammengebunden. Und das sieht Russland genauso. Wir hatten gestern eine ganz klare Kommunikation des russischen Außenministeriums, das gesagt hat: Wir werden keine Nato-Truppen oder Truppen von Nato-Staaten in der Ukraine akzeptieren. Russland schwebt eher vor, dass vage Versprechungen gemacht werden, im Falle eines erneuten russischen Angriffs die Ukraine zu verteidigen, ohne Truppen vor Ort. Das wird aber so nicht funktionieren. Denn eine Abschreckung, die nur auf dem Papier existiert, ohne materiell unterfüttert zu sein, die ist nicht besonders glaubwürdig. Auch hier haben wir einen weiteren Streitpunkt.
WELT: Es gibt da also noch ein ziemliches Vakuum. Welche Kompromisslösungen wären denn denkbar – etwa eine Art Blauhelm-Mission?
Masala: Ja, das ist denkbar. Eine Blauhelm-Mission wäre allerdings die schwächste aller Lösungen, das muss man ganz klar so sagen. Sie würde von einem Mandat abhängen, dem Russland zustimmen müsste. Moskau könnte dann im UN-Sicherheitsrat mitentscheiden, dass diese Blauhelm-Mission kein großes Mandat bekommt, keine schwere Bewaffnung. Deshalb wäre das die schlechteste aller Lösungen.
„In dieser Rolle war Merz schon sehr gut gestern“
WELT: Friedrich Merz hat nach dem Washingtoner Gipfel davon gesprochen – regelrecht euphorisch –, dass mehr herausgekommen sei als erwartet wurde. Wie würden Sie das interpretieren?
Masala: Zunächst einmal muss man sagen – und ich weiß nicht, inwieweit das alles choreografiert war zwischen den Europäern: Aber man muss sagen, dass Friedrich Merz bei dem gestrigen Treffen derjenige war, der als Erster nicht auf diese Schleimspur gegangen ist, die seine Vorredner gefahren haben. Der sehr deutlich gesagt hat, dass er erwartet, dass es zunächst einen Waffenstillstand gibt. Er hat Donald Trump in diesem Punkt ja auch widersprochen. In dieser Rolle war Merz schon sehr gut gestern.
Sie erinnern sich: Kurz vor dem Treffen hat Trump auf seinen Social-Media-Kanälen gewütet, wie sehr man ihn verkennen würde bei der Presse. Er könne das schon alles und brauche all diese Ratschläge von außen nicht. Und dafür verlief das Treffen sehr konsensual. Man hat die US-amerikanische Zusage – in Anführungszeichen –, sich in irgendeiner Form an diesen Sicherheitsgarantien zu beteiligen. Trump sagt, die Amerikaner werden es koordinieren. Das ist sicherlich mehr, als man erwarten konnte. Damit kann man jetzt weiterarbeiten. Aber, wie ich bereits erwähnt hatte: Der Teufel steckt im Detail. Viele Fragen sind noch unklar.
WELT: Die 90 Milliarden US-Dollar an Waffenkäufen, die die Ukraine bei den USA leisten will, finanziert von den Europäern: Ist das in Ihren Augen auch Teil möglicher Sicherheitsgarantien? Ist das ein Aufrüsten der Ukraine oder letztlich nur eine Art Goodie für Donald Trump?
Masala: Nein, es ist natürlich ein Teil der zukünftigen Sicherheit der Ukraine. Die wird auch davon abhängen, wie gut die ukrainische Armee ausgebildet ist. Und dafür braucht sie die modernsten Waffen. Gleichzeitig ist es natürlich ebenso ein Goodie für Donald Trump, denn so funktioniert Trump. Das haben wir ja immer wieder gesehen: Bieten Sie ihm einen Deal an, von dem er profitieren kann, dann wird er netter zu Ihnen. Es ist also beides.
Dieses Transkript des Interviews bei WELT TV entstand mithilfe Künstlicher Intelligenz. Für bessere Lesbarkeit wurde das gesprochene Wort leicht redaktionell bearbeitet.
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