Seit 18 Jahren ist Ramsan Kadyrow die rechte Hand Wladimir Putins in Tschetschenien. Doch in der russischen Teilrepublik bahnt sich eine Machtübergabe an. Diktator Kadyrow soll schwer krank sein - und baut deshalb seinen Nachfolger auf. Einer der Top-Favoriten ist sein 17-jähriger Sohn.
17 Jahre jung und bald Präsident? Adam Kadyrow könnte der neue starke Mann in Tschetschenien werden, sollte sein Vater Ramsan Kadyrow bald abdanken. Dafür gibt es inzwischen immer mehr Anzeichen: Der brutale Diktator der russischen Teilrepublik ist abgetaucht - mal wieder.
Seit 2007 regiert Ramsan Kadyrow die Region im Nordkaukasus mit harter Hand. Seine Präsidentschaft ist gekennzeichnet von Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und politischen Morden. Die gut 1,5 Millionen Einwohner leben in Armut, der Kadyrow-Clan in Saus und Braus.
Doch Präsident Ramsan Kadyrow ist schwer krank, berichten mehrere kremlkritische Medien - deswegen hat sich der 48-Jährige aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Schon 2019 hat die russische Zeitung "Nowaja Gaseta" berichtet, der autoritäre Herrscher sei unheilbar an der Bauchspeicheldrüse erkrankt. Das US-finanzierte Radio Free Europe hat vor Kurzem berichtet, Kadyrows Zustand habe sich in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert. Er sei mittlerweile sogar auf Krücken angewiesen. Zur Behandlung werde er nach Dubai geflogen. Und er bestehe darauf, in dem Emirat von europäischen Ärzten behandelt zu werden.
Putin hält Kadyrow im Amt
Im Mai hat Kadyrow gesagt, dass er zurücktreten will - nicht zum ersten Mal. Mindestens sechsmal habe der Diktator in den vergangenen zehn Jahren über einen Rücktritt nachgedacht, hat Radio Free Europe nachgezählt. Doch Kremlchef Wladimir Putin hat bislang jeden Rücktrittsversuch abgeblockt. "Diese Art der absoluten persönlichen Loyalität ist einer der Gründe, warum Kadyrow trotz seines sich zusehends verschlechternden Gesundheitszustands an der Macht bleibt", zitiert Radio Free Europe einen tschetschenischen Politikwissenschaftler.
Und auch diesmal hat der Kremlchef den Rücktrittswunsch von Kadyrow abgelehnt. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Ich befolge die Befehle des Oberbefehlshabers", sagte Kadyrow nach dem Gespräch mit dem russischen Präsidenten. Die Berichte über seinen schlechten Gesundheitszustand seien falsch. Putins tschetschenischer "Bluthund" bleibt im Amt.
Aber wie lange noch? Kadyrow hat bei seinen öffentlichen Auftritten in den vergangenen Jahren selten einen gesunden Eindruck gemacht. Legendär sein Besuch bei Putin 2023 in Moskau, als der Tschetschenen-Führer mit zittrigen Händen eine Erklärung von einem Blatt Papier abgelesen hat. Tschetscheniens Herrscher tritt inzwischen so gut wie gar nicht mehr öffentlich auf, meldet sich in der Regel nur noch via Telegram bei seinem Volk.
17-jähriger Kadyrow-Sohn durch Prügelvideo bekannt
Putin hat derzeit aber noch kein Interesse an einem Rücktritt. Ein Machtwechsel ist immer ein Risiko. Erst recht, wenn er übereilt sein sollte. Deshalb dürfte der russische Präsident Kadyrows Wunsch erst dann entsprechen, sobald die Nachfolge geregelt ist. "Das wahrscheinlichste Szenario ist eine gesteuerte Machtübergabe, die vom Kreml überwacht wird, um Kontinuität und Stabilität zu gewährleisten. Das könnte bedeuten, dass einer der Söhne von Ramsan Kadyrow Präsident wird", analysiert die Politikwissenschaftlerin Katarzyna Skiert-Andrzejuk von der Warschauer Ciwitas-Universität im polnischen Fernsehsender TVP.
Die "New York Times" hat Kadyrows Sohn Adam ins Spiel gebracht. Der ist zwar erst 17 Jahre alt, aber steht seinem autoritär regierenden Vater in nichts nach. 2023 wurde Adam Kadyrow durch ein Video berühmt, das in einem tschetschenischen Gefängnis aufgenommen und von Vater Ramsan veröffentlicht wurde. Darauf ist der damals 15-jährige Kadyrow-Sohn zu sehen, wie er brutal auf einen wehrlosen Insassen einschlägt. Dieser hatte vor einer Moschee einen Koran verbrannt. "Es wäre gut gewesen, wenn er ihn auf der Stelle getötet hätte", kommentierte Vater und Präsident Ramsan Kadyrow anschließend.
Für die Prügelattacke wurde der Diktator-Sohn wegen seines Alters nicht bestraft, sondern geehrt: Er bekam sechs Tapferkeitsmedaillen und ihm wurde der Titel "Held Tschetscheniens" verliehen. Sein Vater hat ihn außerdem zum "Sekretär des Sicherheitsrates" und zum "Kurator des Innenministeriums" ernannt.
Hochzeit mit Mercedes, Handfeuerwaffe, Luxusuhr
Vor zwei Wochen hat Adam Kadyrow erneut Schlagzeilen gemacht. Der 17-Jährige heiratete in seiner Heimatstadt Achmat-Jurt - und die Feierlichkeiten wurden zu einem Protz- und Prunk-Spektakel.
Einige hochrangige russische Politiker waren eingeladen, dazu mehrere Botschafter befreundeter Staaten. Auf Telegram verbreitete der Kadyrow-Clan etliche Videos. Unter anderem ist auf einer Aufnahme zu sehen, wie Adam Kadyrow in einem streng limitierten Mercedes-Geländewagen sitzt, der aktuell offiziell gar nicht nach Russland eingeführt werden darf. Kadyrow lehnt sich aus dem geöffneten Fenster und schießt mit einer vergoldeten Handfeuerwaffe mehrfach in die Luft. An seinem Arm trägt der Diktatoren-Sohn eine mit Diamanten besetzte Luxusuhr im Wert von mehreren Millionen Euro.
Beobachter werten die pompöse Hochzeitsfeier als ein Zeichen, wer künftig die Macht in Tschetschenien hat. Für seine älteren Brüder Selimchan und Achmat wurden weniger große Hochzeiten ausgerichtet. "Adam ist höher und schneller aufgestiegen als seine Geschwister, von denen keiner in Kriegszeiten in den Genuss einer so aufwendigen Zeremonie kam", schreibt das russische Exilmedium Meduza.
Adam Kadyrow? "Riskante Option"
Expertin Skiert-Andrzejuk kann nachvollziehen, dass Adam Kadyrow gute Chancen für die Nachfolge seines Vaters ausgerechnet werden. "Aber es ist unwahrscheinlich, dass es sofort passiert. Adam Kadyrow ist wegen seines jungen Alters und der mangelnden Erfahrung eine riskante Option", sagt die Politikwissenschaftlerin. "Je früher Ramsan Kadyrow zurücktritt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Adam sein Nachfolger wird. Der Kreml schätzt Stabilität mehr als familiäre Bindungen."
Ramsan Kadyrow hat insgesamt 14 Kinder von mehreren Frauen. Sechs sind erwachsen. "Doch nur zwei spielen in seinen Zukunftsplänen eine bedeutende Rolle", schränkt die "Nowaja Gaseta" ein.
Das sind Adam, der im November 18 Jahre alt wird, und Tochter Aischat. Die 26-Jährige blickt inzwischen auf eine mehrjährige Karriere als Unternehmerin und Politikerin zurück - ihr wird großer Einfluss auf ihren Vater nachgesagt. "Kadyrow hätte sich die Mühe der Nachfolgerwahl erspart, wenn Aischat als Mann geboren wäre", zitiert die "Nowaja Gaseta" eine ihrer Quellen aus Tschetschenien.
Andere Beobachter halten aber weiter auch Kadyrows ältesten Sohn Achmat für den Favoriten in der Nachfolger-Frage. Voriges Jahr wurde er mit 18 Jahren zum Sportminister der russischen Teilrepublik ernannt. Und er ist Präsident von Achmat Grosny, dem größten Fußballklub in Tschetschenien. Der Fußballverein aus der ersten russischen Liga trägt den Namen seines Großvaters, der 2004 bei einem Bombenanschlag im Stadion von Grosny getötet wurde.
Problem in der Verfassung
Achmat? Adam? Oder doch jemand anderes? "Ich gehe davon aus, dass es keinen schnellen Rücktritt geben wird. Es ist derzeit in Putins Interesse, dass Ramsan Kadyrow an der Macht bleibt", ist Expertin Skiert-Andrzejuk überzeugt. Heißt, der Machtwechsel in Tschetschenien könnte sich länger ziehen als gedacht - es sei denn, der Gesundheitszustand von Ramsan Kadyrow verschlechtert sich weiter.
Sowohl Adam als auch Achmat haben noch ein weiteres Problem: In der Verfassung von Tschetschenien steht, dass der Präsident mindestens 30 Jahre alt sein muss. Putin lege viel Wert auf die Einhaltung dieser Regel, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). Schon nach dem Tod von Achmat 2004 hat Ramsan Kadyrow bis 2007 warten müssen, bevor er Präsident werden konnte.
Daher erscheint es auch möglich, dass zunächst ein Platzhalter eingesetzt wird. Dafür gibt es mehrere Kandidaten: Magomed Daudow, aktuell Premierminister in Tschetschenien. Der 45-Jährige hat eine eigene Machtbasis und ist ein enger Vertrauter von Ramsan Kadyrow. Er springt für den Präsidenten schon jetzt bei den meisten öffentlichen Auftritten ein.
Eine weitere Option ist Apti Alaudinow. Der Generalmajor ist Kommandeur der Spezialeinheit Achmat, die Teil der russischen Nationalgarde ist. Alaudinow meldete sich freiwillig für den Fronteinsatz im Ukraine-Krieg. Daraufhin wurde er zum "Helden Russlands" ernannt. Das hat ihn in eine mächtige Position gebracht. Und laut entsprechenden Medienberichten zum Favoriten von Wladimir Putin.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke