Nach der abgesetzten Wahl von drei Verfassungsrichtern durch den Bundestag hat sich Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) offen für Gespräche mit der Partei Die Linke gezeigt. Er hätte „nicht das Problem, zum Telefon zu greifen und jemanden bei der Linkspartei anzurufen“, sagte Dobrindt am Samstag dem Deutschlandfunk. Er würde solche Gespräche mit der Linken führen, „wenn es notwendig wäre“.

Bei der Schwesterpartei CDU gilt allerdings ein Beschluss, der eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen mit der Linken ausschließt. Dieser Unvereinbarkeitsbeschluss war bei einem CDU-Bundesparteitag 2018 gefasst worden.

Dobrindt erinnerte im Deutschlandfunk an die Wahl des Bundeskanzlers, die erst im zweiten Wahlgang unter Verfahrens-Mithilfe der Linken möglich geworden war – nachdem der CDU-Kandidat Friedrich Merz im ersten Wahlgang überraschend durchgefallen war, hatte die Linke im Bundestag einen zweiten Wahlgang noch am selben Tag ermöglicht.

„Ich habe sogar noch eine zweite Telefonnummer“

Damals sei er der Einzige gewesen, der eine Handynummer von der Linken parat gehabt habe, sagte Dobrindt. Inzwischen könne er sagen: „Ich habe sogar noch eine zweite Telefonnummer da, die ich da anwählen könnte.“

Für die Wahl von Verfassungsrichtern im Bundestag ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Dafür könnten im Bundestag die Stimmen von Linken oder AfD benötigt werden.

Der Bundestag hatte am Freitag eigentlich über die Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht befinden sollen. Die Unionsfraktion forderte aber kurzfristig die Absetzung der Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf und verwies auf Plagiatsvorwürfe. Nach anderthalbstündigen Krisengesprächen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD wurden schließlich alle drei geplanten Richterwahlen von der Tagesordnung genommen.

Den Unionsfraktionsvorsitzenden Jens Spahn (CDU) sieht Dobrindt durch den Vorgang nicht beschädigt. Auf die Frage im Deutschlandfunk nach einer Verantwortung Spahns bei Vorabsprachen für die schließlich abgesetzte Richterwahl ging der CSU-Politiker aber nicht ausdrücklich ein.

Der Vorgang sei nicht normal gewesen, aber dass es in so einem Auswahlverfahren immer wieder auch zu Unwägbarkeiten kommen könne und dann auch mal Entscheidungen anders liefen als geplant, finde er auch nicht „total ungewöhnlich“ - auch wenn es in diesem konkreten Fall natürlich nichts sei, was man so schon mal gewohnt gewesen sei, sagte Dobrindt.

Karlsruhe durch geplatzte Richterwahl nicht beschädigt

Dobrindt widersprach auch den Wertungen von SPD und Opposition, dass die geplatzte Richterwahl das Bundesverfassungsgericht beschädigt habe. „Alles, was nicht zu einem ganz bestimmten Ergebnis führt, ist automatisch eine Beschädigung des Bundesverfassungsgerichts: Dieser Sichtweise kann ich mich nicht anschließen“, sagte der CSU-Politiker im „Interview der Woche“ vom Deutschlandfunk. „Ich sehe auch überhaupt ein Bundesverfassungsgericht nicht beschädigt.“

Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner sprach in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern davon, dass das Vertrauen in das höchste Gericht „fahrlässig beschädigt“ worden sei. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch ging sogar noch weiter und warf dem Koalitionspartner „die bewusste Demontage unseres höchsten deutschen Gerichts und unserer demokratischen Institutionen“ vor.

Reichinnek reserviert zu Dobrindts genereller Gesprächsoffenheit

Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek hat die prinzipielle Offenheit von Dobrindt für Gespräche mit ihrer Partei reserviert aufgenommen. Das sei zwar „interessant“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Mit Blick auf die geplatzte Wahl dreier neuer Bundesverfassungsrichter fügte sie aber hinzu: „Alexander Dobrindt versucht doch mit dieser Aussage offensichtlich davon abzulenken, was gestern im Bundestag passiert ist.“

Reichinnek warf der Union vor, sich „an einer rechten Hetzkampagne gegen eine angesehene Juristin beteiligt“ zu haben. „Sie hat auch für ihren eigenen Kandidaten keine demokratischen Mehrheiten gesucht, sondern war bereit, ihn mit den Stimmen der gesichert rechtsextremen AfD wählen zu lassen.“ Damit bezog sie sich auf den vom Verfassungsgericht empfohlenen Unionskandidaten Gerhard Spinner. In seinem Fall hatte die Linke Unterstützung in Aussicht gestellt, falls sie ein eigenes Nominierungsrecht für Kandidaten bekäme. Die Union war auf dieses Ansinnen nicht eingegangen und hoffte, dass bei einer relevanten Zahl abwesender Abgeordneter eine Zweidrittelmehrheit der Koalition zusammen mit den Grünen hätte erreicht werden können. Allerdings hatte auch die AfD Zustimmung signalisiert, ihr Anteil wäre bei der geheimen Wahl schwer identifizierbar gewesen.

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