Maximilian Krah beschert der AfD die nächste Debatte über den Propagandabegriff "Remigration". Doch das Konfliktpotenzial bei anderen Themen ist noch höher. Ein Überblick.

Zuletzt wurde Maximilian Krah vom rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek zum Rapport einbestellt. Der AfD-Bundestagsabgeordnete sollte sich in einem Podcast dafür rechtfertigen, dass er von der gemeinsamen völkischen Linie abgewichen ist.

Es wurde laut gestritten. Denn Krah will die millionenfache "Remigration", die er als einer der ersten AfD-Politiker offensiv propagierte, deutlich zurückhaltender als bisher definieren. Seine Forderung: Die Partei sollte nicht mehr suggerieren, dass die Masseneinwanderung und ihre Folgen irgendwie rückgängig gemacht werden könnten.

Die neueste Volte Krahs wirkt erstaunlich. Gleichzeitig passt sie aber zu dem wendigen und schillernden Politiker, gegen den zurzeit wegen Bestechlichkeit ermittelt wird. Sein politisches Geschäftsmodell ist es, mit gezielter Disruption maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Entsprechend bemühte sich die AfD-Führungsebene, die Äußerungen Krahs klein zu reden, sofern sie überhaupt reagierte. Parteichefin Alice Weidel dementierte einen Richtungsstreit und sagte sonst nicht viel.

Doch das Thema lässt sich kaum ignorieren. Denn Krahs Vorstoß berührt einen der zentralen AfD-internen Konflikte, zu denen auch die außenpolitische Positionierung, die gesellschaftspolitische Verortung und die strategische Ausrichtung der Partei gehören. Eine Übersicht der fünf wichtigsten Triggerpunkte:

Die AfD und die "Remigration"

Weidel versuchte im Bundestagswahlkampf einen propagandistischen Kunstgriff. Sie adaptierte den im extremen Milieu in- und außerhalb der Partei populären Begriff der "Remigration" und grenzte ihn gleichzeitig ein: Gemeint seien damit "alle Maßnahmen und Anreize einer rechtsstaatlichen und gesetzeskonformen Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer in ihre Heimat".

Auch er stehe hinter dieser Formulierung, sagte Krah dem "Stern". Doch das Problem sei, dass "das Vorfeld der Partei" den Begriff "Remigration" anhand eines "ethnischen Volksbegriffs" definiere und damit verfassungsrechtliche Probleme bis hin zu einem Verbotsverfahren provoziere.

Mit dem "Vorfeld" sind offenkundig Leute wie Kubitschek und der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner gemeint. Deren Einfluss reicht weit hinein in die Partei. Wenn etwa der thüringische Landeschef Björn Höcke vom "autochthonen Volk" redet oder der Bundesvorstand Hannes Gnauck alle Deutschen durch "ein unsichtbares Band" verbunden sieht, dann erscheinen Migranten ausdrücklich nicht mitgemeint.

Russland und Israel

Die AfD positioniert sich seit Jahren gegen Russland-Sanktionen und kritisiert die Militärhilfen an die Ukraine. Darüber hinaus jedoch wirkt die Partei gespalten, wobei ausgerechnet die beiden Parteivorsitzenden das Schisma repräsentieren. Während Weidel nicht zu Moskau-freundlich erscheinen will, vertritt ihr Co-Chef Tino Chrupalla offensiv Kreml-Positionen.

Immer wieder kam es zu Eklats. So mokierte sich Weidel öffentlich darüber, dass Chrupalla 2023 am Empfang der russischen Botschaft in Berlin teilnahm.

Die Konfliktlinie verläuft hier zwar nicht immer, aber oft genug zwischen den West- und Ostverbänden. Das gilt ebenso für das Verhältnis zu Israel. Als Chrupalla zuletzt den Angriff auf den Iran einseitig verurteilte, riskierte er damit die Konfrontation mit Weidel, aber auch mit seinem Mentor, dem Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland.

Zuletzt immerhin versuchten die beiden Parteichefs, den Dissens mit einer gemeinsamen Pressemitteilung zu kaschieren. Sie geben sich einig in der Verurteilung von CDU-Kanzler Friedrich Merz, der erklärt hatte, dass Israel im Iran die "Drecksarbeit" für "uns alle" verrichte.

Wehrpflicht und Nato

Der Streit um die Außenpolitik korrespondiert mit dem verteidigungspolitischen Triggerpunkt. Offiziell steht die Partei zur Wehrpflicht, sowohl im Grundsatz- als auch im Bundestagswahlprogramm. Doch Chrupalla ist ihr entschiedener Gegner. Insbesondere im Osten funktioniert das Drohszenario, als Soldat womöglich in den Russland-Ukraine-Konflikt zu geraten.

Im Bundestagswahlkampf irritierte wiederum Weidel weite Teile ihrer Partei mit der Forderung, Deutschland solle fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgeben. Parallel dazu ging wiederum Chrupalla auf Distanz zur Nato. Inzwischen versuchen der neue außenpolitische Sprecher Markus Frohnmaier, ein Intimus Weidels, gemeinsam mit anderen Abgeordneten, die Partei näher an die USA und das westliche Bündnis heranzurücken. Aber entschieden ist auch in dieser Frage: nichts.

Ehe und Abtreibung

Die Parteivorsitzende verkörpert privat geradezu den gesellschaftspolitischen Kernwiderspruch der AfD: Eine Frau, die in der Schweiz in einer lesbischen Ehe mit einer in Sri Lanka geborenen Frau und deren Kindern lebt, führt eine überwiegend reaktionäre und xenophobe sowie dezidiert männliche Partei. Beim jüngsten Parteitag in Riesa musste die frisch gekürte Kanzlerkandidatin dabei zusehen, wie ihr Familienmodell auf offener Bühne verhöhnt wurde. Danach wurde im Wahlprogramm dekretiert, dass die Familie als Keimzelle der Gesellschaft aus "Vater, Mutter und Kindern" bestehe.

Weidel verhinderte immerhin, dass eine Mehrheit auf dem Parteitag die Forderung beschloss, das Abtreibungsrecht stark einzuschränken. Doch der erbittert geführte Kampf dürfte beim kommenden Programmparteitag erneut ausbrechen.

Machtstrategie

Das Ziel ist die Regierungsmacht, daran sind sich alle in der Partei einig. Doch der Streit darüber, wie dies gelingen kann, begleitet die AfD seit ihrer Gründung. Große Teil des "Vorfeldes", aber auch der einstige "Flügel" und Teile der ostdeutschen Landesverbände setzen auf eine "konservative Revolution". Höcke formuliert dies so: "Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen."

Weidel und ihre Unterstützer setzten auf den Marsch durch die Institutionen. Ihre Schlussfolgerung aus den Erfolgen der Fratelli d'Italia unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und des französischen Rassemblement National unter Marine Le Pen: professioneller auftreten, weniger extrem reden, Anschlusspunkte suchen.

Doch das extreme Lager, das vor einer "Melonisierung" warnt, bleibt stark in Partei und Fraktion. Weidel muss sich arrangieren. Die Triggerpunkte sind zahlreich und in ihrer Wirkung oft unberechenbar. Fast so unberechenbar wie Maximilian Krah.

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