Donald Trump geht mit voller Härte gegen zum Teil gewalttätige Demonstranten in Los Angeles vor. Der US-Präsident schickt 4000 Nationalgardisten und 700 Marines in die Metropole an der Westküste - gegen den Willen des Gouverneurs. Das ist in der amerikanischen Geschichte fast einmalig.

Los Angeles kommt nicht zur Ruhe. In der kalifornischen Metropole stehen inzwischen tausende Nationalgardisten wütenden Demonstranten und Randalierern gegenüber. Die aufgebrachten Menschen richten ihren Ärger gegen das Vorgehen der US-Einwanderungsbehörde ICE. Manche schlagen dabei über die Stränge, setzen Autos in Brand oder plündern Geschäfte. Trump hat daraufhin am Wochenende zunächst 2000 Mitglieder der kalifornischen Nationalgarde mobilisiert und am Montag schließlich 2000 weitere nach L.A. geschickt - gegen den Willen von Gouverneur Gavin Newsom.

Aber was ist die Nationalgarde überhaupt? Vereinfacht gesagt, handelt es sich um eine militärische Reservisteneinheit, deren Wurzeln in die Kolonialzeit zurückreichen. Sie ist eng mit dem US-Militär verzahnt, gehört den regulären Streitkräften aber nicht offiziell an.

Die Nationalgarde hilft im Normalfall bei Katastrophenfällen wie Unwettern oder Waldbränden. Sie kann auch eingesetzt werden, um gewaltsame Proteste niederzuschlagen, hat im Regelfall aber nicht die Befugnisse von Polizei und regulärem Militär. Im deutschen Kontext könnte man die Nationalgarde irgendwo zwischen Bundeswehr und Technischem Hilfswerk verorten.

US-Präsident kann Befehlsgewalt an sich reißen

In den USA hat jeder Bundesstaat seine eigene Nationalgarde. Texas und Delaware verfügen ebenso über die Reservisteneinheit wie der District of Columbia oder amerikanische Außengebiete wie Puerto Rico und Guam. Es gibt keine übergeordnete Bundeseinheit.

Über sämtliche Bundesstaaten hinweg hat die Nationalgarde laut der aktuellsten Zählung (2023) derzeit etwa 430.000 Mitglieder. Die reguläre US-Armee ist inklusive ihrer Reservisten mehr als fünfmal so groß.

Der Befehlshaber der Nationalgarde ist der Gouverneur oder die Gouverneurin des jeweiligen Bundesstaats. Ausnahme ist Washington, D.C.: Im Bundesdistrikt hat der amerikanische Präsident das Sagen.

Es gibt jedoch Besonderheiten: Befinden sich die USA im Krieg, kann der Präsident die Befehlsgewalt über die Nationalgarde an sich reißen und hat landesweit das letzte Wort. Er kann in jedem Bundesstaat frei über die Einheiten verfügen und sie auch ins Ausland schicken, damit die Gardisten das reguläre Militär unterstützen.

Grundlage für diese Regelung ist der "Militian Act" von 1903. Seitdem ist die Nationalgarde im US-Bundesgesetz rechtlich verankert. Das ist auch der Unterschied zur Staatsgarde, die es in einigen Bundesstaaten zusätzlich zur Nationalgarde gibt: Diese kann unter allen Umständen nur vom Gouverneur eingesetzt werden.

"Instrument autoritärer Herrschaft"

Kommt es zu einem nationalen Notfall, kann der Präsident die Nationalgarde zudem im eigenen Land einsetzen, auch gegen den Willen des zuständigen Gouverneurs. Das hat Trump im Fall von Los Angeles gemacht, weil aus seiner Sicht ein "gewalttätiger, aufrührerischer Mob" in die Stadt "eingefallen" ist und die Stadt besetzt.

Aus Sicht der Demokraten ist das eine unangemessene Überreaktion. Gouverneur Gavin Newsom und seine Unterstützer meinen, dass die teilweise gewalttätigen Demonstrationen in Los Angeles ein Fall für die Polizei, aber kein nationaler Notfall sind. Kalifornien möchte deshalb Klage einreichen. Der Bundesstaat argumentiert: Trump überschreitet seine Befugnisse und verletzt die amerikanische Verfassung.

"Das ist alles viel zu groß aufgeblasen. In Los Angeles ist die Sicherheit der Vereinigten Staaten nicht gefährdet. Es findet kein Aufstand statt", sagt auch Politikwissenschaftler Thomas Jäger bei ntv. "Der Präsident sieht darin ein weiteres Instrument im Instrumentenkasten seiner autoritären Herrschaft. Wenn Gouverneure künftig damit rechnen müssen, dass Militär eingesetzt wird, wenn sie Bundesgesetze nicht befolgen, werden sie das alles dreimal überlegen."

Jäger ist überzeugt, dass Trump nur nach einem Grund gesucht hat, um mit dem Einsatz von Nationalgardisten im eigenen Land ein Exempel zu statuieren. Er habe schon immer das Militär in den Vereinigten Staaten einsetzen wollen, sagt der Politologe. Während seiner ersten Amtszeit habe der Verteidigungsminister dies blockiert. "Daraus hat Trump gelernt. Er hat sich jetzt mit Leuten umgeben, die diese Entscheidung mittragen."

Dass die Gardisten ausgerechnet in Kalifornien ausrücken, ist für den Politikwissenschaftler ebenfalls kein Zufall. Der "Golden State" ist eine Hochburg der Demokraten. Gouverneur Newsom wird nachgesagt, dass er 2028 als Präsidentschaftskandidat antreten will. Der kalifornische Gouverneur ist ein Gegner von Trump - und die Proteste in Los Angeles gegen Trumps Abschiebepraxis sind eine willkommene Gelegenheit für den Präsidenten, ihn bloßzustellen: "Trump kann nur gewinnen", sagt ntv-Korrespondent Gordian Fritz. "Wenn die Proteste in L.A. ruhiger werden, wird Trump sagen: Seht her, die sind nur ruhiger, weil ich die Truppen geschickt habe. Wenn es weiter eskaliert, hat Trump einen Vorwand, um noch härter durchzugreifen und seine Macht zu zeigen."

Präzedenzfall liegt 60 Jahre zurück

Donald Trump hat mit dem Manöver schon jetzt Geschichte geschrieben: Es ist außergewöhnlich, dass ein US-Präsident die Nationalgarde eines Bundesstaats ohne Zustimmung des Gouverneurs in den Einsatz schickt.

Die einzige vergleichbare Situation gab es 1965: Damals hat US-Präsident Lyndon B. Johnson Gardisten in den Bundesstaat Alabama geschickt, um Demonstrationen von Bürgerrechtlern gegen die Rassentrennung zu schützen. Alabamas damaliger Gouverneur hatte dies abgelehnt, er war für die Rassentrennung. Johnson entsendete die Nationalgarde, um die Bürgerrechtler zu schützen.

Einen etwas anderen Fall gab es 1957 in Arkansas. Hier übernahm der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower das Kommando über die Nationalgarde, um sie von einem Einsatz abzuziehen. Drei Jahre nach dem Ende der Rassentrennung in amerikanischen Schulen wollten die ersten schwarzen Schülerinnen und Schüler eine High School in Little Rock betreten, der Hauptstadt des Bundesstaats.

Der Gouverneur von Arkansas schickte die Nationalgarde, um die neun Schüler daran zu hindern. Daraufhin riss Eisenhower die Befehlsgewalt an sich, zog die Gardisten ab und schickte stattdessen 1200 Soldaten nach Little Rock, um Demonstrationen weißer Bürgerinnen und Bürger in der Stadt aufzulösen. Die Schüler gingen als "Little Rock Nine" in die Geschichte ein.

Etwas Gerangel um Gardisten gab es 2005 auch im Zuge von Hurrikan "Katrina". Damals entbrannte ein Streit zwischen der Gouverneurin von Louisiana und dem damaligen Präsidenten George W. Bush. Als der Großteil von New Orleans unter Wasser stand, schickte Bush die Nationalgarde aus anderen Bundesstaaten in die Großstadt. Es war ihr bisher größter Einsatz in Friedenszeiten. Kathleen Blanco warf dem Präsidenten vor, eine militärische Reaktion der humanitären Hilfe vorzuziehen. Die Gouverneurin musste sich später beugen und trat 2007 nicht zur Wiederwahl an.

Zieht Trump als Nächstes das Aufstandsgesetz?

Der Streit in Louisiana ist aber kein Vergleich zu dem, was 20 Jahre später in Kalifornien passiert. Trump ging Anfang dieser Woche sogar noch einen Schritt weiter, indem er Marines in die kalifornische Metropole verlegte. 700 Infanteristen der Eliteeinheit sollen Bundesbeamte und Bundesgebäude in der Stadt schützen, heißt es von der Trump-Regierung. Aktive Militärs in amerikanischen Innenstädten? Auch das ist ungewöhnlich.

Das United States Marine Corps ist eine von sechs Teilstreitkräften der US-Armee. Die Truppe hat etwa 180.000 aktive Mitglieder: Elitesoldaten, die ausgebildet werden für Auslandseinsätze, amphibische Kriegsführung zu Land und zu Wasser und für die Verteidigung von amerikanischen Marinestützpunkten, Botschaften und anderen US-Liegenschaften im Ausland. Die Marines stehen immer unter dem Befehl des amerikanischen Präsidenten. Genau wie Nationalgardisten dürfen sie im Regelfall aber keine Personen festnehmen oder klassische Polizei-Aufgaben wahrnehmen, sondern nur unterstützend wirken. Doch es gibt eine Ausnahme, das Aufstandsgesetz.

Trump schließt mittlerweile nicht mehr aus, dass er diesen "Insurrection Act" anwenden wird. Es wäre der nächste Eskalationsschritt im Streit zwischen dem Präsidenten und dem kalifornischen Bundesstaat. Trumps Grenzschutzbeauftragter Tom Homan geht sogar noch weiter: Er könnte sich vorstellen, Gouverneur Newsom zu verhaften, wenn dieser die Maßnahmen der Regierung weiter "behindert". Trump sagt dazu nur: "Wenn ich Tom wäre, würde ich es tun. Ich denke, das wäre großartig."

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