Nicht nur in der Schule, sondern auch am Arbeitsplatz soll es künftig Hitzefrei geben. Das fordert zumindest die Linke. Ab einer Temperatur von 26 Grad Celsius soll demnach ein Viertel der Arbeitszeit entfallen – ab 30 Grad sogar die Hälfte der täglichen Arbeitsstunden.

Arbeitnehmer sollen in der Arbeitsstättenverordnung zudem ein Recht auf Wasserversorgung und Sonnenschutz erhalten, Arbeitgeber etwa zur Installation von Ventilatoren verpflichtet werden. In Städten und an Stränden sollen zudem kostenfreie Wasser- und Sonnencreme-Spender bereitgestellt werden. Das fordert Linke-Parteichef Jan van Aken in einem Papier mit dem Titel „Hitzeschutz ist Arbeitsschutz – jetzt handeln“, über das das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) berichtete.

„Die Klimakrise ist längst auch eine soziale Krise – wer unter sengender Sonne schuftet oder im überhitzten Büro sitzt, bezahlt oft mit der eigenen Gesundheit“, so van Aken zum RND. „Ich denke, es gibt niemanden, der bei dreißig Grad und mehr im Büro konzentriert und effektiv arbeiten kann.“ Dies führe vielmehr zu gesundheitlichen Problemen. „Die Hitze und Sonne belasten die Leistungsfähigkeit und den Körper!“, sagte van Aken. „Das gilt für das Arbeiten im Büro oder für die schwer körperliche Arbeit auf der Straße.“

Laut Statistischem Bundesamt kam es in den vergangenen Jahren im Durchschnitt zu 1500 Behandlungen in Krankenhäusern pro Jahr durch von Hitze oder Sonnenlicht verursachten Gesundheitsschäden. Gemessen wurde zwischen 2002 und 2022.

Erst kürzlich veröffentlichten das Bundesgesundheitsministerium unter Nina Warken (CDU) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) einen Maßnahmenkatalog für Sportvereine. Auch darin wird das Bereitstellen von Sonnencreme, kühlem Wasser in Gießkannen oder Eimern sowie Schattenplätzen empfohlen. Zudem wird empfohlen, auf den Ausschank von Alkohol sowie das Grillen zu verzichten. „Egal ob Sport im Freien oder in der Halle: Jede Sportart, jeder Verband und jeder Verein wird künftig mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sein“, heißt es im 13-seitigen Hitzeschutzplan. Die Pläne wurden bereits von Warkens Vorgänger als Gesundheitsminister, Karl Lauterbach (SPD), und der Ampel-Koalition vorangetrieben.

Die Arbeitsplatz-Vorschläge der Linken stoßen bei der Union allerdings nicht auf Zustimmung. „Deutschland verfügt bereits heute über ein starkes und praxiserprobtes Arbeitsschutzsystem – auch bei hohen Temperaturen“, sagt Marc Biadacz (CDU), arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Arbeitgeber seien schon jetzt zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten verpflichtet, etwa durch Sonnenschutz oder Lüftung. Den Linke-Vorstoß hält Biadacz für „weltfremd und wirtschaftlich kaum tragbar – insbesondere für das Handwerk, für Pflegekräfte oder den öffentlichen Dienst“. Biadacz weiter: „Wer Hitze einfach mit Freizeit bekämpfen will, verkennt, wie unser Land funktioniert.“

Das Aufstellen von Wasserspendern sei jedoch zu begrüßen, sagt Simone Borchardt (CDU), gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion. „Schon jetzt trinkt fast jeder Dritte Bundesbürger zu wenig in seinem Alltag. Das ist ein fatales Zeichen und wird vielen Bürgerinnen und Bürger gerade in Hitzewellen zum Verhängnis.“ Es gelte, die „Gesundheitskompetenz“ der Bevölkerung sowie den zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt „bei herausfordernden Temperaturen“ zu fördern.

„Niemand möchte Bratwurst und Bier verbieten“, sagt die CDU

„Es darf nicht der Anspruch sein, dass der Staat anfängt, das Leben der Bürger bis in das kleinste Detail zu managen“, so Borchardt zu WELT. „Niemand möchte die Bratwurst im Brötchen und das Bier im Sommer verbieten. Viel wichtiger ist die Frage, warum solche Hinweise nötig werden.“ Bei 1500 Krankenhausaufenthalten wegen Hitze und Sonnenlicht im Jahr sei es nötig über Hitzeschutz zu sprechen. „Denn wer die Risiken kennt – etwa, dass Alkohol den Kreislauf zusätzlich belastet oder dass Grillhitze die Umgebungstemperatur weiter steigert – kann sein Verhalten daran anpassen.“

Die SPD-Bundestagsfraktion wollte sich auf WELT-Anfrage nicht äußern.

Die AfD lehnt den Linke-Vorstoß ebenfalls ab. „Der Staat darf nicht zur Nanny für die Bürger verkommen“, sagt Martin Sichert, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. „Nicht der Staat sollte Unternehmen vorschreiben, wie sie sich hier zu verhalten haben, sondern den Unternehmen das Vertrauen zugestehen, dass diese selbst zum Wohle ihrer Mitarbeiter benötigte Maßnahmen ergreifen.“ Die Linke stimme „in den Chor der Klimawandel-Lobby ein“ und verbreite „populistische Positionen“, so der AfD-Politiker. „Wenn die Linke wirklich etwas für Arbeiter und Angestellte tun möchte, sollte sie sich lieber dafür einsetzen, dass die Menschen mehr Netto vom Brutto erhalten und nicht bis weit über 67 Jahre arbeiten müssen.“

Die Bundesregierung solle den „Irrweg, mit bürokratischem Aktionismus die Bürger zu bevormunden, um von den eigentlichen Problemen im Lande abzulenken“ wieder verlassen. „Die AfD lehnt eine derart übergriffige Politik des Staats ab. Die Menschen sollen frei entscheiden können, ob sie im Sommer grillen oder ein Bier im Freien trinken möchten“, sagt Sichert.

Die Grünen wiederum halten „angepasste Arbeitszeitregelungen“ für den richtigen Weg. „Die Belastung auf dem Bau ist anders als im klimatisierten Labor. Besonders für Menschen, die auch bei Hitze im Freien arbeiten, sei es auf der Baustelle oder dem Müllfahrzeug, steigen Gesundheitsbelastung und Hautkrebsrisiko“, sagt Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionschef der Grünen. „Hitze am Arbeitsplatz ist ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko.“ Es brauche „angepasste Hitzeschutzpläne je nach Betrieb“.

Extreme Hitzetage nähmen durch den Klimawandel zu, so der Grünen-Politiker. „Die Anpassung an die Klimakrise ist eine Kernaufgabe der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Bund und Länder sollten hieran gemeinsam arbeiten, auch finanziell. „Es braucht konkrete und verbindliche Hitzeschutzpläne vor Ort – schattige Aufenthaltsorte, weniger Beton, mehr Bäume und Zugang zu Trinkwasser in den Straßen.“ Um ihre Bevölkerung zu schützen, müssten die Kommunen finanziell gut ausgestattet und handlungsfähig sein, betont Audretsch.

Unterstützung bekommt van Aken aus seiner Linksfraktion. „Schon heute leiden viele Menschen in der Produktion, in der Pflege, auf Baustellen oder im Einzelhandel unter gesundheitsgefährdender Hitze. Angesichts steigender Temperaturen durch den Klimawandel muss hier nachgebessert werden“, sagt Fabian Fahl, Klimapolitiker der Linke-Fraktion im Bundestag. Arbeitszeitverkürzung bei hohen Temperaturen sei „kein Luxus, sondern eine Frage der Fürsorgepflicht und des Arbeitsschutzes“. Die Leistungsfähigkeit sinke bei Hitze, während gesundheitliche Risiken zunähmen. „Wer bei 30 Grad im Büro oder auf dem Bau steht, weiß, dass es so nicht weitergehen kann.“

Gerade Ältere, Kinder oder Wohnungslose seien besonders hitzegefährdet, so Fahl. „Der öffentliche Raum muss auf die Realität der Klimakrise vorbereitet werden. Dazu gehören Trinkwasserbrunnen, Schattenplätze, mehr Grünflächen – und eben auch kostenlose Angebote wie Sonnencreme-Spender an stark frequentierten Orten oder an Badeseen, nicht zuletzt zur Hautkrebsprävention.“ Dies sei in anderen Ländern längst Realität.

Appelle wie der Alkoholverzicht bei Sportveranstaltungen seien zwar richtig, so Fahl. Doch Hitzeschutz dürfe nicht nur als Privatangelegenheit behandelt werden. „Wer bei 35 Grad arbeiten muss, wird sich kaum für Hitzeschutz-Appelle am Wochenende begeistern. Die Klimakrise verlangt klare Regeln – und nicht nur Verhaltenstipps“, so der Linke-Politiker. Es wirke „wenig überzeugend, wenn Hitzeschutz nur in der Freizeit ernst genommen wird, während viele Menschen tagsüber in aufgeheizten Büros, Werkshallen oder auf Baustellen schuften müssen“.

Die außerparlamentarische Opposition winkt wiederum ab. „Der Vorstoß der Linken scheint insgesamt eher von dem Gedanken getragen zu sein, das Thema Arbeit mit zusätzlichen Auflagen und Regulierungen zu belasten, und weniger von dem Bewusstsein, Arbeit oder gar Mehrarbeit attraktiver zu machen“, sagte ein FDP-Parteisprecher auf WELT-Anfrage. „Wenn wir eine echte Wirtschaftswende erreichen wollen und eine umfassende Wachstumspolitik anstreben, dann geht das nicht mit weniger, sondern nur mit mehr Leistungsbereitschaft. Mehrarbeit muss sich also auszahlen.“

Es brauche beitrags- und steuerfreie Zuschläge für Mehrarbeit sowie Arbeitsanreize für Teilzeitbeschäftigte. „Wir wollen durch steuerliche Anreize die Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten ausweiten“, so der FDP-Sprecher. Arbeit dürfe nicht „immer unattraktiver und bürokratischer“ gestaltet werden.

Politikredakteur Kevin Culina berichtet für WELT über die Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht.

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