Die neue Bundesregierung hat viel vor beim Wohnungsbau. Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz will neue, günstige Sozialwohnungen schaffen und den Wohnungsbau entbürokratisieren. Über ihre Ziele und Herausforderungen spricht sie bei Markus Lanz im ZDF.
Die letzte Bundesregierung hatte in Sachen Wohnungsbau kein glückliches Händchen. Hohe Ziele hatte sie sich gesetzt, die sie aber nicht mal annähernd erreichte. Nun soll alles besser werden. Die SPD führt erneut das Bauministerium. Sie hat es mit einer jungen Ministerin besetzt. Verena Hubertz heißt sie. Mit "Kitchen Stories" hat sie ein erfolgreiches Startup-Unternehmen aufgebaut. Da ging es ums Kochen. Die Plattform hat sie für einen nicht näher bekannten Betrag verkauft. Von knapp 26 Millionen Euro ist die Rede. Nun hätte sie sich zur Ruhe setzen können. Doch die 37-Jährige denkt nicht daran. Sie will das schaffen, woran ihre Vorgängerinnen und Vorgänger scheiterten: Neuen sozialen Wohnraum schaffen. Und das ist dringend nötig. In Deutschland gibt es rund eine Million Sozialwohnungen. Zum Vergleich: Ende der 1980er Jahre waren es viermal so viele. Wie sie die schier unlösbar scheinende Aufgabe meistern will, verrät Hubertz bei Markus Lanz.
"Ich bin Optimistin, und ich möchte, dass wir den Karren wieder rausholen", formuliert die Ministerin kurz ihre Ziele. 2021 ist sie in den Bundestag gewählt worden. Sie hat in den Bereichen Bauen und Wohnen sowie Wirtschaft gearbeitet. "Da habe ich gesehen: Wir bauen zu langsam, wir bauen zu teuer, wir bauen zu wenig."
Doch wie viele neue Wohnungen will sie schaffen? Wieder 400.000, wie ihre Vorgängerin wollte, aber nicht schaffte? "Als Unternehmerin weiß man: Man meißelt nicht eine Zahl in Stein, und dann läuft man vier Jahre hinterher. Sondern die Welt dreht sich. Das haben wir ja auch in den letzten Jahren erlebt. Ich sage nicht, dass ich keine 400.000 Wohnungen schaffe. Aber ich sage, dass wir auch ein bisschen regionalspezifisch schauen müssen: Wie entwickeln sich die Einwanderungen, wie entwickelt sich der demografische Wandel?" Hubertz macht ein Versprechen, das sehr schwammig ist, aber immerhin: "Wir bauen so viel, wie geht. Und man kann mich am Tempo messen, an Technologie und Toleranz."
Bürokratieabbau und billiger Wohnraum
Zumindest was das Tempo angeht, möchte man ihr glauben. Die neue Ministerin macht einen optimistischen Eindruck. Sie wirkt gut gelaunt, lacht viel, lässt sich von Lanz und seinen manchmal etwas tückischen Fragen nie ins Bockshorn jagen. Ein Grund dafür könnte sein, dass Hubertz ein Ministerium vorfindet. Als die Ampelregierung anfing, gab es dieses Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen nicht. Ministerin Clara Geywitz musste es erst aufbauen. Noch nicht einmal Computer gab es, als sie 2021 Bauministerin wurde. Auch Geywitz hatte mit viel Elan begonnen, wollte mit dem Kopf durch die Wand. Doch sie scheiterte an der Realität.
Das soll der neuen Ministerin nicht passieren. Sie weiß, sie muss liefern. Obwohl im Koalitionsvertrag keine Zahl der zu schaffenden Wohnungen steht. "Es bringt ja nichts, wenn wir uns ein Ziel setzen. Stattdessen müssen wir uns doch fragen, was wir alles in die Waagschale werfen können, damit wir wirklich vorankommen."
Auch wenn Hubertz lieber nicht sagt, wie viele neue Wohnungen in den nächsten Jahren entstehen sollen: Ziele hat sie sich schon gesetzt. 25 Prozent Bürokratie will sie abbauen. Sie will bezahlbaren Wohnraum in Neubauten schaffen, spricht von Monatsmieten unter 15 Euro je Quadratmeter. Dazu hat sie in ihrem eigenen Ministerium erst einmal 500 Mitarbeiter, nachgeordnete Behörden mitgerechnet etwa 2500.
Billiger bauen
"Mieten unter 15 Euro im Neubau wird sehr schwer zu erreichen sein. Das Ziel ist sehr sportlich", sagt der Ökonom Matthias Günther. Er kennt sich aus auf dem Immobilienmarkt in Deutschland, leitet das Pestel Institut in Hannover. Das hat im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, die zu dem Schluss kommt: Die Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau sind seit Jahrzehnten zu niedrig. Günther erklärt: Niedrige Mieten seien in Städten wie Hamburg, Köln oder München Wunschdenken. "Das wird im frei finanzierten Wohnungsbau nicht möglich sein", sagt er bei Lanz. "Dort sind die Grundstücke viel zu teuer, um dahinzukommen. In kleineren Städten oder im ländlichen Bereich wird das sicher gehen, wenn man sich an ein paar Dingen orientiert."
So seien beim Wohnungsbau die vorgegebenen Standards in den vergangenen Jahren häufig überschritten worden. Günther: "In der Zeit, als wir ein Prozent Zinsen hatten, ließ sich praktisch alles finanzieren, alles verkaufen. Das war alles kein Problem. Wenn man eine Deckenstärke von 18 Zentimetern brauchte, dann hat man eben 24 gebaut, denn der Schallschutz ist dann ein bisschen besser. Aber es kostet eben auch mehr Geld. Und wenn wir diese Dinge einfach weglassen, dann kommen wir schon mal 25 bis 30 Prozent mit den Kosten runter. Das ist die Größenordnung."
Laut Günther sind die Baukosten inzwischen auf bis zu 5000 Euro je Quadratmeter gestiegen. In Schleswig-Holstein seien jetzt Projekte umgesetzt worden, bei denen der Quadratmeter 2500 Euro gekostet habe. "Einfach nur, indem man die Standards einhält", so Matthias Günther. "Das sind keine schlechten Bauten, die dabei rauskommen. Wir haben mit die besten Standards dieser Welt", lobt er. Die Ministerin hat diese Bauten offenbar besichtigt. "Einen Unterschied merkt man nicht", sagt sie. Den Menschen, die dort lebten, gehe es gut, ist auch der Eindruck des Ökonomen.
Doch das allein wird nicht reichen. Denn wohl nirgends gibt es in Deutschland so viel Bürokratie wie beim Bauen. Jedes Bundesland hat seine eigenen Landesbauordnungen. Wer ein Haus bauen will, muss sich auf ganz Deutschland gesehen mit 4000 Normen rumschlagen. Diese Vorschriften widersprechen sich zum Teil. "Da wird teilweise die Farbe der Steine zur Einfahrt vorgeschrieben", sagt Günther. "Ob das wirklich sein muss, ist eine große Frage."
Gibt es ein Konjunkturprogramm?
Bauen ist Ländersache. Und einige fangen schon an, Normen abzubauen. "Es gibt zum Beispiel den Hamburg-Standard, und den übernimmt Bremen jetzt auch", lobt die Ministerin. "Wir dürfen nicht in jedem Bundesland neu denken. Wir müssen skalieren, harmonisieren und übernehmen." Und über den Abbau von Vorschriften redet die Ministerin mit den Bundesländern. Dazu gibt es die Bauministerkonferenz. "Wir sitzen alle im selben Boot. Wir spüren doch, wir müssen jetzt an einem Strang ziehen. Die Leute werden kirre im Land. Das darf so nicht mehr sein." Auch sie ärgert sich über Bauvorschriften, die sie für überflüssig hält: Die Wellung der Dachrinne zum Beispiel. "Das merkt doch keiner, ob die so oder anders gewellt ist."
Man könne auch auf Tiefgaragen verzichten und stattdessen das Auto auch mal draußen parken. Nicht gerade in Hamburg, da gibt es keine Parkplätze. Aber in Trier oder auf dem Land schon. "Die Frage ist: Wie kriegen wir es hin, dass wir günstig bauen und entbürokratisieren. Gebäudetyp E ist das Schlagwort. Und das wollen wir angehen. Wenn Sie sagen, ich will gut wohnen, aber günstig, dann muss es doch möglich sein, von diesen technischen Standards abzuweichen. Und das bringen wir jetzt auf den Weg."
Die Landesbauordnungen seien nicht das Problem, sondern die Finanzierungskosten, sagt Günther. "Die eigentliche Frage ist: Wie viel Geld stellt das Finanzministerium zur Verfügung, um im Baubereich mehr zu fördern? Alle strukturellen Dinge, die Sie jetzt angehen wollen, sind in Ordnung. Sie werden aber erst längerfristig wirken. Um kurzfristig den Bau wieder nach vorne zu bringen, brauchen wir ein Konjunkturprogramm Wohnungsbau."
Ob es das gibt, weiß selbst die Ministerin offenbar noch nicht. Sie weiß aber: Sie muss liefern. "Und wir müssen das gemeinsam hinkriegen. Wir haben nur noch einen Schuss für die Demokratie, und der muss sitzen. Ich fühle die Verantwortung."
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