In der Urlaubszeit boomt der Verkauf von Reiseführern. Wer bei Amazon fündig wird, sollte auf KI-generierte Inhalte gefasst sein - mit Fehlern, Schlampereien und teils völlig sinnlosen Texten.

Billig sind die Paperback-Reiseführer nicht: um die 20 Euro. Doch die Reihe "Reiseführer 2025" signalisiert besondere Aktualität. Und Amazon preist die Qualität seiner Autoren, beispielsweise des Ägypten-Buchs: "Gustave Z. Luther ist ein leidenschaftlicher Entdecker, Geschichtenerzähler und selbsternannter Reisesüchtiger. Mit einem Abschluss in Kulturanthropologie und jahrelanger Weltreise bringt Gustave eine einzigartige Perspektive ein."

In den zahlreichen Büchern des Stammautors Rapheal Y. Jones (unter anderem Kairo und Rotterdam) heißt es: "Durch lebendiges Geschichtenerzählen und detaillierte Einblicke helfen wir Ihnen, sich die atemberaubenden Landschaften vorzustellen."

Klischees und Banalitäten

Tatsächlich bieten die beworbenen Reiseführer weder Geschichten noch besondere Einblicke, sondern Klischees und Banalitäten. "Als ich dort war, beobachtete ich, wie die Sonne langsam über der Wüste aufging", schreibt Luther. Jones schiebt "Persönliche Reflexionen", "Insider Perspektiven" und "Persönliche Erinnerungen" ein: "Bei meinem ersten Besuch in Kairo erinnere ich mich an die anfängliche Überwältigung, als ich die geschäftige Ankunftshalle von Terminal 3 betrat."

Gustave Z. Luther, der bei Amazon Dutzende Reiseführer aus den verschiedensten Weltgegenden (unter anderem Bergen und Phuket) herausbringt, bietet Stilblüten und konfuse Sätze: "Wenn Sie die Sphinx jemals auf Foto oder Filmen gesehen haben, werden Sie sie nie live sehen."

Weitschweifig und fehlerhaft

Die "Reiseführer 2025" referieren weitschweifig, mitunter widersprüchlich, mit zahlreichen Wiederholungen und ohne nachvollziehbare Systematik konventionelle Touristenziele. Hinzu kommen umfangreiche Ratschläge, sich anständig zu benehmen, genug zu trinken und geeignetes Schuhwerk mitzunehmen.

Jones' "Kairo Reiseführer 2025" berichtet breit über seine Eindrücke aus einer Museumsausstellung, die noch gar nicht eröffnet ist. In seinem "Rotterdam Reiseführer 2025" stellt Jones das Marinemuseum gleich zweifach vor. Er würdigt es als "eines der umfassendsten Schifffahrtsmuseen in den Niederlanden", obwohl es gerade das nicht ist: Das Museum erzählt vielmehr ausgewählte Geschichten mit sorgfältig ausgesuchten Exponaten.

Künstliche Intelligenz hinter Pseudonymen

Wer sich auf die Suche nach den Autoren macht, findet sie nicht. Pseudonyme sind durchaus üblich, aber hier ist zweifelhaft, ob die Bücher überhaupt von Menschen verfasst wurden. Die Vermutung liegt nahe, dass die Werke automatisch aus Werbeseiten im Netz mit Künstlicher Intelligenz (KI) zusammengebaut wurden. Auf Anfrage sagt eine Amazon-Sprecherin, Einsatz von KI sei statthaft. Seinen Autoren schreibt Amazon: "Wir bitten Sie, uns über KI-generierte Inhalte zu informieren."

Bei den betrachteten drei "Reiseführern 2025" springen Fehler und schlampige Arbeit ins Auge, die schwerlich einem Menschen unterlaufen wären. In einem Absatz springt die Anrede zwischen "Du" und "Sie", es gibt reihenweise sinnlose standardisierte Sätze, der Aufbau ist oft wirr und die Gestaltung grob mangelhaft. Amazons angeblich aktuelle Reiseführer bieten weder Fotos noch Pläne. Die müssten von echten Menschen hergestellt werden, unterlägen dem Urheberrecht und können daher nicht einfach im Netz gefischt werden. "Indem wir auf Bilder verzichten, ermutigen wir Sie, die Spannung zu genießen, das Unbekannte zu entdecken", heißt es in Büchern, die unter dem Namen "Rapheal Y. Jones" erscheinen.

Schlechte Bücher sind legal

"Für die Kunden ist es natürlich ärgerlich", urteilt Christian Sprang, Jurist beim Börsenverein des deutschen Buchhandels, "aber schlechte Bücher sind nicht verboten". "Künstliche Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten, wirft aber zugleich komplexe Fragen auf - etwa hinsichtlich Qualität, Urheberrecht und Transparenz", sagt Vera Pollak von buecher.de. "Eine transparente Kennzeichnung KI-generierter Inhalte ist aus unserer Sicht essenziell." Buecher.de wurde einst als deutsche Antwort auf Amazon gegründet.

In einer schriftlichen Stellungnahme von Amazon ist erst davon die Rede, das Unternehmen passe sich dauernd "Veränderungen im Verlagswesen an". Eine Stunde später kommt eine Korrektur. Es gehe um "Veränderungen beim KI-gestützten Publizieren". Fragen zu den verlegerischen Standards sowie zur Werbung mit Aktualität und besonderer Kompetenz der Autoren beantwortet Amazon nicht.

Ein Millionengeschäft

Das Geschäft läuft über die konzerneigene "Kindle Direct Publishing"-Plattform. Dort können angebliche Autoren ihre Skripte hochladen, die dann über Amazon beworben werden. Bei Bestellung wird ein Exemplar automatisch gedruckt. Ein gutes Geschäft für beide Seiten: Amazon zahlt an die angeblichen Autoren gut die Hälfte des Verkaufspreises abzüglich der Druckkosten aus. Über Details gibt das Unternehmen keine Auskunft.

In seinen offiziellen Quartalsberichten gab Amazon zuletzt vor vier Jahren Einblick: Im Jahr 2020 hätten mehrere tausend unabhängige Publizisten mehr als 50.000 Dollar und sogar über tausend Publizisten mehr als 100.000 Dollar eingenommen. Im Jahr 2020 habe Amazon insgesamt 370 Millionen Dollar an selbsternannte Autoren ausgezahlt.

Die Kontrollen von Amazon

Das Unternehmen verweist auf knappe "Inhaltsrichtlinien", die Illegales, Anstößiges und Aufrührerisches verbieten. Die Amazon-Sprecherin versichert, es gebe einen automatischen Prüfprozess und ein Team zur Prüfung für Manuskripte. Über Größe, Nationalität, Qualifikation und Sitz des Teams wird nichts verraten. Aufgrund der Fragen von tagesschau.de werde das Team die bereits geprüften und veröffentlichten Autoren nochmals überprüfen, sagte sie. Obwohl die Bücher von Jones und Luther weder illegal, noch anstößig oder gar aufrührerisch sind, verschwanden sie binnen Stunden von der Plattform. Dass die Pseudonyme nur beispielhaft für zahlreiche phantasievolle Autorennamen mit angeblich enormer Schaffenskraft genannt worden sind, lässt Amazon unkommentiert.

Angesichts der Qualität auch der seriösen Reiseschriftstellerei scheint das Genre besonders geeignet zum Einsatz von einfacher KI. Auch konventionelle Reiseführer, die von echten Menschen geschrieben werden, sind oft dürftig. Schon vor zwanzig Jahren schrieben drei australische Autoren die Persiflage "Molwanien, Land des schadhaften Lächelns", in dem sämtliche Reiseführer-Klischees über einem fiktiven Land ausgebreitet wurden. Es ist noch im Buchhandel und bei Amazon im Vertrieb.

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