Die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten haben bei einem Treffen in der westukrainischen Stadt Lwiw die Schaffung eines Sondertribunals zum russischen Angriffskrieg beschlossen. Die Vorarbeiten zur Einrichtung des beim Europarat angesiedelten Tribunals seien abgeschlossen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die am Freitag vom ukrainischen Außenministerium veröffentlicht wurde.
Das Richtergremium soll im niederländischen Den Haag angesiedelt werden und Top-Vertreter der russischen Führung zur Verantwortung ziehen.
Die Entscheidung dürfte auch als Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin gedacht sein, der am Freitag in Moskau mit einer Militärparade an den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Jahr 1945 gedachte und dort erneut den Krieg gegen die Ukraine rechtfertigte. Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha sagte bei dem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Lwiw, er hoffe darauf, dass Putin und andere russische Regierungsmitglieder zur Rechenschaft gezogen werden.
Das Sondertribunal soll das „Verbrechen der Aggression“ gegen die Ukraine ahnden und die politischen und militärischen Verantwortlichen aus Russland zur Rechenschaft ziehen. „Es wird keine Straflosigkeit geben“, hatte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Donnerstag betont. Für die Ahndung von Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg soll aber weiterhin der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zuständig sein.
Der IStGH hatte im März 2023 wegen des Vorwurfs der Zwangsdeportation ukrainischer Kinder im Zuge der russischen Offensive einen Haftbefehl gegen Putin ausgestellt. Der IStGH kann jedoch nicht gegen Moskau wegen des „Verbrechens der Aggression“, also die Entscheidung zum Angriff auf die Ukraine, vorgehen. Das Sondertribunal soll diese Rechtslücke nun schließen und Verantwortliche aus dem Kreml sowie dem russischen Militär vor Gericht bringen.
Selenskyj kündigt Treffen an
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte ein Gipfelteffen mit führenden europäischen Politikern in der Ukraine am Samstag: „Wir bereiten uns darauf vor, in der Ukraine die Anführer der Koalition der Willigen zu treffen", hieß es in einem am Freitag von seinem Pressedienst veröffentlichten Redeauszug. „Wir werden morgen Zusammenkünfte haben", sagte Selenskyj demnach, ohne die Teilnehmer des hochkarätigen Treffens zu benennen.
Der sogenannten Koalition der Willigen gehören unter anderem Deutschland, Großbritannien und Frankreich an. Sie war im März nach dem Eklat zwischen Selensky und US-Präsident Donald Trump bei deren Treffen im Weißen Haus ins Leben gerufen worden. In der rund 30 Länder zählenden Gruppe werden zusammen mit Vertretern der Nato und der EU vor allem die möglichen Beiträge Europas zu einer Waffenruhe und zur Friedenssicherung in der Ukraine diskutiert.
Während sich die EU-Außenminister am Europatag in Lwiw trafen, fand in Moskau die große Militärparade zum Sieg über Nazi-Deutschland statt. „Es wichtig und symbolisch, dass die europäischen Partner am Europatag an der Seite der Ukraine stehen“, erklärte der ukrainische Regierungschef Denis Schmyhal in Onlinenetzwerken. Auch Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hatte das Treffen in Lwiw am Donnerstagabend als wichtige Geste bezeichnet, die zeige, „dass wir an der Seite der Ukraine stehen“.
USA waren mit Trump aus Unterstützerkreis ausgestiegen
Wadephul sagte, bei einem ersten Gespräch mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio am Abend werde er dafür werben, dass die USA in den Kreis der Unterstützer des Tribunals zurückkehren sollten. Nach der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump hatten sich die USA aus dem Unterstützerkreis zurückgezogen. Zu den Staaten, die sich für das Gremium einsetzen, gehören neben EU-Staaten auch Australien, Norwegen, Liechtenstein, Großbritannien Costa Rica und Guatemala.
Die Staatengruppe will den Europarat nun rasch formal um einen Vertrag zur Einrichtung des Tribunals bitten. Urteile sollen auch in Abwesenheit der Angeklagten möglich sein – nachdem in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, dass etwa Putin persönlich vor Gericht gestellt werden kann. Das Tribunal soll 15 für je neun Jahre gewählte Richterinnen und Richter haben. EU-Schätzungen gehen von Gesamtkosten in Höhe von einer Milliarde Euro aus.
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