Die neue Bundesregierung ist holprig gestartet. Und wie sie gestartet ist, scheint sie auch munter weiterzumachen. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte schon verbockt hat.

In den ersten zwei Tagen, die die neue Bundesregierung jetzt im Amt ist, macht sie keine gute Figur. Das liegt vor allem an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Der steht unter Zeitdruck, hatte doch Bundeskanzler Friedrich Merz vor den Wahlen schon für den ersten Tag seiner Regierung in Sachen Migrationspolitik zu handeln versprochen. Doch am ersten Tag ging es erstmal nach Paris und dann Warschau. In Polen schlug Merz umgehend Kritik von Regierungschef Donald Tusk an den geplanten Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen entgegen.

Im Inland agiert unterdessen Innenminister Alexander Dobrindt von der CSU, den sein Chef Markus Söder als "Law-and-Order-Minister" bezeichnet hat. Law, also Gesetz, das könnte stimmen. Doch "Order" – Ordnung – sieht anders aus: Das Englische Wort "Order" kann man aber auch mit "Anweisung" übersetzen. Die hagelte es massig aus dem Bundesinnenministerium.

Zunächst sollen Bundespolizisten mehr arbeiten, wenn sie die Grenzen überwachen: 60 Wochenstunden. Drei Wochen. Und dann? Man wird sehen.

Mehr Bundespolizisten sollen an die Grenze. Und wer bewacht dann Flughäfen, Bahnhöfe und andere Objekte im Inland? Man wird sehen.

Ja, was denn nun?

Die nächste Anweisung betrifft die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen: Müssen diese, sollen sie, können sie oder dürfen sie zurückgewiesen werden? Die Antwort gibt Dobrindt bei Maybrit Illner im ZDF am Donnerstagabend: Bisher durften sie nicht zurückgewiesen werden, jetzt können sie. Müssen aber nicht. Richtlinien scheint es nicht zu geben. Klar ist nur: "Vulnerable Gruppen", Kinder und schwangere Frauen, werden auf keinen Fall zurückgewiesen. Und die Eltern der Kinder? Und die Männer der schwangeren Frauen? Sie wissen schon: Man wird sehen.

Um das Chaos noch zu vergrößern, kann sich offenbar Kanzler Merz in Polen zu dem Thema erst nach einem Telefongespräch mit seinem Minister äußern. Es entsteht der Eindruck: Der eine weiß nicht, was der andere schon verbockt hat. Irgendwann mischt sich dann auch noch der Regierungssprecher ein. Plötzlich heißt es, Dobrindt wolle zur Bekämpfung der illegalen Migration den nationalen Notstand verhängen. Will er nicht, sagt er am Donnerstagabend im ZDF. Beziehungsweise widerspricht er nicht, als eine Journalistin seine Aussagen als "Nein" deutet.

Der Hundert-Tage-Quatsch

"Lasst uns erstmal ins Machen kommen", verlangt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, wann immer Kritik an der Koalition aufkommt. Kritik findet er ohnehin erstmal doof, lässt er Mittwochabend in der ARD wissen. In hundert Tagen könne man sich ja zusammensetzen. Dann: wird man sehen.

Doch das ist schlicht und einfach Quatsch. Wer regieren will, muss regieren können - oder muss es lassen. Sofort, nicht in hundert Tagen. Jeder Arbeitnehmer muss in einem neuen Job nach einer kurzen Einarbeitungszeit volle Leistung bringen, sonst endet seine Probezeit schneller, als er oder sie schauen kann. Die Unionsparteien haben dreieinhalb Jahre verbreitet, die Verantwortlichen der Ampelparteien seien in der Migrationspolitik Amateure. Da kann man ja wohl erwarten, dass sie sich in dieser Zeit vorbereitet haben, es von Tag eins an richtig zu machen - und sei es das Vermeiden überstürzter Entscheidungen und widersprüchlicher Kommunikation.

Es spricht für Dobrindt, dass er schnell Erfolge verzeichnen will. Aber erstmal hat er sich reichlich lächerlich gemacht. Hätte er sich stattdessen etwas mehr Zeit für seine Erlasse genommen, hätte ihm das keiner übel genommen. Seit dem Ende der Ampelkoalition am 6. November sind wichtige Entscheidungen hinausgeschoben, verzögert und vertagt worden. Da wäre es auf zwei Wochen mehr auch nicht angekommen.

Dobrindt wäre gut beraten, einen Gang runterzuschalten. Und auf seinen Chef zu hoffen. Merz will am Mittwoch eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben. Da sollte der Kanzler dann ein wenig Ruhe und Ordnung in den Laden bringen. Sonst droht diese Regierung zur Lachnummer zu werden, bevor sie richtig mit der Arbeit angefangen hat. Die missglückte Kanzlerwahl lässt grüßen.

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