Der Gaza-Krieg neigte sich dem Ende entgegen, als am Samstag in Berlin unter dem Motto „United4Gaza“ demonstriert wurde. Rund 16.000 Menschen zogen laut Polizei vom Brandenburger Tor über die Friedrichstraße zum Alexanderplatz. „Stopp den Mord, stopp den Krieg – Palästina bis zum Sieg!“, skandierte die Menge unter anderem.
Nun wird deutlich: Die Demonstration im Regierungsviertel der Hauptstadt war von Hass auf Israel und offener Unterstützung des Terrorismus gegen den jüdischen Staat geprägt. Das belegen Videoaufnahmen der Nichtregierungsorganisation Democ, die am Mittwoch veröffentlicht wurden.
„Germany is a Nazi state“, rief die Menge auf Kommando eines Redners vom Lautsprecherwagen etwa, „and Israel is a terrorist state“. („Deutschland ist ein Nazi-Staat, und Israel ist ein Terror-Staat“). Redner lobten den bewaffneten Kampf gegen den jüdischen Staat, Demonstrationsteilnehmer riefen: „Glory to the resistance“ („Ruhm dem Widerstand“).
Das Handeln Israels verglich eine Rednerin mit dem Holocaust. „Wenn wir sagen, dass die IOF die Nazis von heute sind, dann ist das kein schwerer Vergleich, sondern die pure Wahrheit“, sagte etwa die Aktivistin Kübra Cinar, die kürzlich mit der „Global Sumud Flotilla“ nach Gaza segelte, in ihrer Rede. Als „Israeli Occupation Force“ bezeichnen Anti-Israel-Aktivisten die israelische Armee.
Doch mehr noch: Der bekannte Aktivist Ibrahim Ibrahim lobte auf der Bühne die islamistische Terrororganisation Hamas. „Wir richten unseren Gruß der Ehre und Hochachtung an den standhaften Führer, das Symbol des Stolzes und der Würde, den kämpfenden Märtyrerhelden Yahya Sinwar, der mit seiner Standhaftigkeit und Entschlossenheit den unbezwingbaren Willen Gazas verkörpert hat“, sagte Ibrahim auf Arabisch, wie Democ in einem am Mittwoch veröffentlichten Video übersetzt. Es folgt Jubel und Applaus.
Sinwar war politischer Anführer der Hamas im Gaza-Streifen – und gilt als Architekt des Terror-Überfalls auf Israel vom 7. Oktober 2023. Damals drangen palästinensische Terroristen unter Führung der Hamas aus Gaza nach Israel ein, ermordeten rund 1200 Menschen und verletzten und quälten Tausende auf dem Nova-Musikfestival und in den umliegenden Kibbuzim.
Rund 250 Menschen wurden nach Gaza verschleppt und dort über zwei Jahre unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten. Trotz Waffenstillstands befinden sich weiterhin die Leichen mehrerer getöteter Israelis in Gaza. Im Oktober 2024 wurde Sinwar durch israelische Soldaten in Gaza getötet.
Huldigung eines mutmaßlichen Mörders
Ibrahim gilt als führender Kopf der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) in Berlin. Neben der Hamas beteiligte sich auch die säkular-linksnationalistische Terrorgruppe am Überfall des 7. Oktober. Seit Jahren tritt Ibrahim in Europa offen als Unterstützer der Organisation auf, die seit 2022 auf der EU-Terrorliste geführt wird.
In der Vergangenheit zeigte Ibrahim sich mit der PFLP-Terroristin Leila Khaled, die 1969 an der Entführung eines Flugzeugs von Rom nach Tel Aviv beteiligt war, und lobte die libanesische Terrororganisation Hisbollah für ihre „brillante Leistung der Standhaftigkeit, des Blutes und der Opferbereitschaft“. Im Dezember 2015 drückte er seine Anerkennung für den 2015 in Syrien getöteten Terroristen Samir Kuntar aus. Dieser soll 1979 einen Israeli und dessen vierjährige Tochter im israelischen Naharija entführt und ermordet haben. Ibrahim sagte: „Wir setzen den Weg von Samir Kuntar fort.“
Ibrahim trat in Berlin zuletzt als Vertreter des „Vereinigten Palästinensischen Nationalkomitees“ (VNPK) auf. Laut Berliner Verfassungsschutzbericht 2024 ist dies eine Dachorganisation zur Zusammenarbeit zwischen PFLP und Hamas.
Aktivisten wie Ibrahim nähmen eine prägende Rolle bei antiisraelischen Protesten in Berlin ein, und das seit Jahren, sagt Linus Kebba Pook, Geschäftsführer von Democ. Sie fungierten als Veranstalter und mobilisierten dabei eine breite Öffentlichkeit. „Mit der Forderung nach Frieden haben diese Bewegungen nichts zu tun. Ihnen geht es erklärtermaßen um die Eskalation im Nahen Osten, da dies der Weg zur vermeintlichen Befreiung Palästinas sei“, so Kebba Pook zu WELT. „Immer wieder haben wir in der Vergangenheit auf diesen Umstand hingewiesen, der zu oft auf die Frage reduziert wird, ob jemand der Hamas nahestünde.“
Hamas und PFLP arbeiteten in Berlin im VPNK zusammen, am 7. Oktober hätten sie gemeinsam agiert, betont Pook. „So offen wie bei dieser Versammlung zeigt Ibrahim Ibrahim seine Nähe zum Terror sonst selten öffentlich. In Bündnissen, denen es um Frieden geht, kann so jemand keinen Platz haben“, sagt Kebba Pook.
Denn ungeachtet seiner offenen Unterstützung für den Terror gegen Israel genießt Ibrahim auch Anerkennung bei Parteien und Menschenrechtsorganisationen. So sprach er im Juni 2025 bei einer Demonstration von Amnesty International vor dem Auswärtigen Amt in Berlin gegen den Besuch des israelischen Außenministers Gideon Sa’ar. Tags darauf auf Einladung des Neuköllner Bezirksverbands der Linkspartei vor dem Rathaus Neukölln. Im August 2025 sprach Ibrahim dann als Gast auf dem Sommerfest der Neuköllner Linken.
Auf WELT-Anfrage wollten sich Amnesty Deutschland und die Linke Neukölln im Juni nicht von Ibrahim distanzieren. Der Linke-Bundestagsabgeordnete Ferat Koçak, der ebenfalls auf der Kundgebung vor dem Rathaus Neukölln sprach, sagte WELT damals, er habe Ibrahim nicht gekannt und lehne „jede Form von Terrorismus, Gewaltverherrlichung und extremistischen Positionen entschieden ab“. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte damals: Wer PFLP-Unterstützer auftreten lasse, „legitimiert und relativiert den barbarischsten Terror, den Jüdinnen und Juden seit der Schoah erleben mussten“.
Im Rahmen der „United4Gaza“-Demonstration am Samstag kam es offenbar zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Laut Polizei wurden 30 Personen vorläufig festgenommen.
Politikredakteur Kevin Culina berichtet für WELT über Gesundheitspolitik, die Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Er berichtet zudem regelmäßig über Antisemitismus, Strafprozesse und Kriminalität.
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