Mit digital erstellten „Fahndungsbildern“ machen Trans-Aktivisten Stimmung gegen kritische Ärzte und Wissenschaftler. Unter dem Slogan „Know your enemy“ kursieren seit mehreren Wochen verpixelte Fotos mit Klarnamen verschiedener Teilnehmer einer Wissenschaftskonferenz. Die Konferenz ist schon drei Wochen her, die Bilder aber sind noch immer auf Instagram bei dem Account „Transfeinde stressen“ zu sehen. Es handelt sich dabei um eine lose Gruppierung von linksextremen Verbänden, darunter die Interventionistische Linke (IL), die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Betroffen sind Tobias Banaschewski, Medizinischer Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Mannheim, und Florian Zepf, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Jena. Auch die britische Philosophie-Professorin Kathleen Stock, die bereits Morddrohungen erhielt, ist abgebildet. Zur „Fahndung“ ausgeschrieben wird auch der kanadische Psychologe Kenneth J. Zucker und der amerikanische Autor Steven Levine. Alle fünf waren Redner oder Teilnehmer des Kongresses „Youth Gender Distress“ in Berlin, ein internationales Treffen von Experten, bei dem es um den Umgang mit Minderjährigen geht, die Unzufriedenheit mit ihrem Geschlecht äußern. Die Konferenz wurde aus Angst vor Angriffen aus der Trans-Aktivisten-Szene in Berlin an einem geheimen Ort abgehalten.
Banaschewski sagt im Gespräch mit WELT, er sei aus seiner Sicht „ins Visier“ der Trans-Aktivisten geraten, weil er sich zusammen mit 15 weiteren deutschen Professoren kritisch zu den Leitlinien zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit sogenannter Geschlechtsdysphorie geäußert habe. Dass ein „Fahndungsfoto“ von ihm im Internet zirkuliert, findet er ungeheuerlich. „Ich habe keine große Angst, aber ich schaue schon mal, wer auf dem Bahnsteig so neben mir steht“, sagte Banaschewski.
Viel schlimmer sei aus seiner Sicht, dass der wissenschaftliche Diskurs in Gefahr gerate, was man gerade massiv an der Debatte um sogenannte Trans-Kinder sehen könne. Es gehe nur noch um Meinung, kaum noch um den Austausch von Argumenten, beobachtet Banaschewski: „Es macht mir Sorgen, dass es immer mehr Kollegen gibt, die das Gegenteil von dem tun, wovon sie überzeugt sind, weil sie Angst haben, verunglimpft zu werden.“ Kinder- und Jugendpsychiater hätten Angst, „Ärger“ zu bekommen, wenn sie sich nicht der vorherrschenden Ideologie anpassten, wonach man Minderjährigen eine Geschlechtsidentität zuspreche, ohne überhaupt infrage zu stellen, dass man ihnen Schaden durch medizinische Eingriffe zufügen könne. Er kritisiert: „Viele sagen auch, es seien ja nur wenige Kinder betroffen, der Schaden also nicht so groß. Was ist das aber für ein Argument?“
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, verurteilte die „öffentliche Diffamierung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer wissenschaftlichen Konferenz“. Diese sei unabhängig vom Thema „vollkommen inakzeptabel“, sagte er WELT: „Solche Methoden überschreiten jede Grenze einer sachlichen Debatte und befördern Einschüchterungen und unter Umständen sogar tatsächliche reale Bedrohungen.“ Solche Vorgänge seien „leider kein Einzelfall“, sagte Reinhardt: „Wir müssen uns ernsthaft um die wissenschaftliche Freiheit auch in unserem Land sorgen.“ Alle Personen und Institutionen müssten sich von solchen Methoden klar distanzieren, forderte Reinhardt.
Brief an Kinderarztverbände
Dass zur Gewalt gegen zwei deutsche Kinderpsychiater aufgerufen wird, alarmierte auch die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern. In einem Brief, der WELT vorliegt, fordert sie verschiedene Berufsverbände auf, sich von der Gruppe der Aktivisten zu distanzieren und die Gewaltaufrufe gegen ihre eigenen Mitglieder zu verurteilen. Angesprochen werden konkret die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP), der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKPP) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder-, Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (BAG KJPP).
Die „Fahndungsbilder“ seien mit einem Fadenkreuz unterlegt, das für Waffengewalt stehe: „Es kann nicht angehen, dass Fahndungsplakate von Kollegen so verbreitet werden und dass dies von kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaften auch nur in irgendeiner Form toleriert oder gerechtfertigt wird“, schreibt die Kammer. Ausgerechnet der „Bundesverband Trans“ und die „Deutsche Gesellschaft für Trans* und Inter*geschlechtlichkeit“ (dgti) seien schon im Vorfeld an der Stimmungsmache gegen „hoch angesehene“ Ärzte beteiligt, kritisiert die Ärztekammer in dem Schreiben. Der Bundesverband Trans habe aktiv an den Leitlinien für Kinder und Jugendliche mitgearbeitet.
Die in Fachkreisen umstrittenen Leitlinien für Kinder und Jugendliche im deutschsprachigen Raum setzen auf Pubertätsblocker und Hormone. Psychotherapie als Instrument, um etwa den Ursachen der Unzufriedenheit auf den Grund zu gehen, wird dort als unethisch abgetan. Banaschewski und Zepf wiederum wiesen vor Erscheinen der Leitlinie gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern darauf hin, dass es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege gebe, dass die Gabe von Hormonen oder der Einsatz von Operationen das empfundene Leid von Kindern und Jugendlichen verhindere.
Diese Ansicht hat sich inzwischen auch international weitgehend durchgesetzt. Die Gabe von Pubertätsblockern wurde in vielen Ländern eingeschränkt oder untersagt, da deren Wirksamkeit nicht erwiesen und Nebenwirkungen nicht ausreichend erwiesen sind. In Deutschland, Österreich und der Schweiz hingegen geht man einen anderen Weg und setzt weiterhin auf die medikamentöse Behandlung.
Dies war auch das Thema der Kinder- und Jugendpsychiater, Therapeuten und andere Berufsgruppen bei der besagten Konferenz, welche den Trans-Aktivisten ein Dorn im Auge war. Eingeladen hatte die „Society for Evidence Based Gender Medicine“ (SEGM). Die SEGM spricht sich für ein behutsames Vorgehen aus und dafür, nach anderen Ursachen für die „Geschlechtsdysphorie“ zu fragen. Die SEGM hatte sich 2019 gegründet, als die Zahl der Jugendlichen mit Unzufriedenheit mit dem eigenen Geschlecht rapide anstieg. SEGM-Präsident Roberto D’Angelo warnte beim Kongress in Berlin vor Verunglimpfung, Diskriminierung oder Gewalt gegen Trans-Menschen: „Wir stehen für das Recht jedes Mitglieds der LGBTQ-Community, in Würde, Respekt und frei von Diskriminierung zu leben“, sagte der australische, homosexuelle Psychoanalytiker zur Eröffnung. Bei der Konferenz ging es unter anderem um Zusammenhänge mit verschiedenen Krankheitsbildern wie Autismus, die Auswirkungen von Hormonen oder den Einfluss von Social Media.
Stimmungsmache vor der Konferenz
Für den Account „Transfeinde stressen“, hinter dem keine namentlichen Ansprechpartner stehen, ist die Sache klar: Veranstaltungen wie die SEGM-Konferenz seien eine „konkrete Gefahr für die Gesundheitsversorgung von trans Kindern und Jugendlichen“. Sie unterwanderten medizinische Standards und sorgen für ein „Klima der Angst“, heißt es in einer Mitteilung des Bündnisses: „All das trägt dazu bei, dass notwendige Behandlungen von Kindern und Jugendlichen verzögert oder verweigert werden.“ Auch die mit staatlichen Geldern finanzierte DGTI hatte im Vorfeld vor der Teilnahme an der Konferenz gewarnt, sprach von „transfeindlichen Desinformationen“, die verbreitet würden. Sie kritisierte den Präsidenten des Deutschen Ärztetags in einer Mitteilung dafür, dass er das Grußwort gehalten habe. Auch der „Bundesverband Trans“ hatte gegen den Kongress protestiert.
Auf Anfrage von WELT äußerte sich dann auch der Kinder- und Jugendpsychiater-Berufsverband, der bislang geschwiegen hatte: „Die DGKJP lehnt grundsätzlich Diskriminierung, Verleumdung und Bedrohung in jeder Form schärfstens ab“, erklärte eine Sprecherin des Vorstands. Öffentliche Hetze sei „indiskutabel“. Und sie betonte: „Wissenschaftlicher Diskurs sollte besonders im Sinne der Kinder und Jugendlichen geprägt sein von gegenseitigem Respekt.“ Dies schließe die „Achtung von verschiedenen Ansichten“ ein.
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