Seit dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel vor zwei Jahren sehen sich jüdische Menschen hierzulande zunehmend diskriminiert. Betroffene berichten in einer Befragung von Depressionen, Schlafstörungen, Angstzuständen. Einige meiden sogar die Öffentlichkeit.
Anfeindungen, Isolation, Diskriminierung: Der Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel vor zwei Jahren hat den Lebensalltag jüdischer Menschen in Deutschland einer Studie zufolge massiv zum Schlechteren verändert. Ob in Schulen und Hochschulen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis: Jüdinnen und Juden fühlen sich seit dem 7. Oktober 2023 in Deutschland oftmals ausgegrenzt und alleingelassen: Dies ist das Ergebnis einer Betroffenen-Befragung, das die Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorstellte.
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel registrieren die Behörden in Deutschland eine deutlich steigende Zahl antisemitischer Straftaten. Der Fokus der nun vorgestellten Studie hingegen lag auf den persönlichen Alltagserfahrungen von Menschen mit jüdischem oder israelischen Hintergrund in Deutschland.
Dies seien Erfahrungen von "alltäglicher Ausgrenzung", die in der Statistik "oft übersehen" würden, sagte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, bei der Vorstellung der Zwischenergebnisse. "Vielen geht es nicht gut", sagte sie über die Betroffenen. "Sie leiden unter der Diskriminierung im Alltag."
"Eine Schlinge, die sich langsam zuzieht"
Generell habe sich in den Einzel- und Gruppenbefragungen ein Vertrauensverlust jüdischer Menschen in ihr bisheriges Umfeld gezeigt, hieß es in einer Auswertung der Antidiskriminierungsstelle. Einige Befragte verbergen demnach inzwischen ihre jüdische Identität, oder sie meiden den öffentlichen Raum, um sich vor Angriffen und Diskriminierung zu schützen. Das Ergebnis sei ein Gefühl der Isolation und des Alleingelassenseins.
Die Studie zeichne "ein bedrückendes Bild, das Jüdinnen und Juden aber keinesfalls erstaunt", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Er sprach bei der Vorstellung der Befunde von einer "dramatischen Zuspitzung des Antisemitismus in den vergangenen zwei Jahren". Für jüdische Menschen in Deutschland bedeute dies Angst im Alltag und ein "Verlust von Freiheit".
Für die Studie wurden laut den Autorinnen mehr als 110 Jüdinnen und Juden in Deutschland wiederholt zu ihren Alltagserfahrungen befragt. Dabei seien auch Auswirkungen des Hamas-Angriffs auf die psychische Gesundheit zutage getreten. Betroffene berichteten von Depressionen, Schlafstörungen, Angstzuständen und Panikattacken.
Beispielhaft wird in der Studie die Aussage einer in Deutschland lebenden Jüdin im Alter von Ende 30 zitiert. "Wahrscheinlich werden wir irgendwie noch eine Weile überleben, aber es gibt immer weniger Räume dafür", berichtete die in der Ukraine geborene Frau. "Es fühlt sich auch für mich an wie so eine Schlinge, die sich langsam zuzieht."
Wegen Israels Politik zur Rede gestellt
Die Studien-Co-Autorin Friederike Lorenz-Sinai von der Fachhochschule Potsdam referierte, was Befragte in ihrem Alltagsleben seit dem 7. Oktober vor zwei Jahren erlebten: Freundeskreise würden kleiner, Jüdinnen und Juden schlage "soziale Kälte" sowie "Empathie- und Solidaritätsverweigerung" entgegen. Am Arbeitsplatz oder bei Arztbesuchen würden sie wegen Israels Politik im Gazastreifen zur Rede gestellt.
Zentralratspräsident Schuster mahnte, jüdische Menschen in Deutschland nicht für Israels Politik im Gazastreifen in Mithaftung zu nehmen. Dies sei "eine Projektion, die falsch ist".
Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman forderte eine Reihe konkreter Maßnahmen, um Jüdinnen und Juden in Deutschland besser zu schützen. So müsse eine Lücke im Antidiskriminierungsgesetz geschlossen werden, das zwar bereits Diskriminierung wegen Religion unter Strafe stelle, nicht aber wegen der Staatsangehörigkeit. So sei es bislang etwa nicht strafbar, wenn ein Gastronom die Bewirtung von Gästen verweigere, die israelische Staatsbürger sind.
Ataman forderte zudem die Verabschiedung von Antidiskriminierungsgesetzen der Länder, um insbesondere dem Antisemitismus an Schulen und Hochschulen zu begegnen. Zudem müsse es mehr Beratungsangebote vor Ort mit geschultem Personal und einer gesicherten Finanzierung geben.
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