Syrische Flüchtlinge, die aktuell nach Österreich einreisen, stellen das Land Österreich vor große Anstrengungen bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Zu diesem Schluss kommt der Bericht „Neue Geflüchtete aus Syrien am österreichischen Arbeitsmarkt“ des „Arbeitsmarktservice Österreich“ (AMS). Das Bildungsniveau sei insgesamt niedrig. Die Menschen, die nach 2020 ins Land gekommen sind – der Großteil nach 2022 –, hätten einen höheren Bedarf an psychosozialem Betreuungsbedarf, brächten mehr Betreuungspflichten mit, ihnen fehle obendrein das Wissen um das politische und gesellschaftliche System. Dies falle im Vergleich zu der Gruppe von Flüchtlingen aus den Jahren 2015 und 2016 auf, heißt es in der Untersuchung.
Für die Erhebung führten die Autoren Einzel- und Gruppeninterviews mit 53 Frauen und Männern, die überwiegend nach 2022 nach Österreich kamen, hinzu kamen Interviews mit den Angestellten des AMS, vergleichbar mit den Jobcentern. Zusätzlich werteten sie die Arbeitsmarktdaten von 54.351 Syrern in Österreich aus. Insgesamt leben im Land inzwischen rund 100.000 Syrer.
Unter dem Strich verfügen drei von zehn AMS-Klienten der aktuellen Syrer-Kohorte eineinhalb Jahre nach ihrer Erstmeldung über keine Deutschkenntnisse. Die Hälfte hat elementare Kenntnisse. Nur zehn Prozent erreichen demnach ein sprachliches B-Niveau, gerade mal ein Prozent C-Niveau. Auffällig sei der hohe Anteil ohne Deutschkenntnisse in Wien (35 Prozent) im Vergleich zu Oberösterreich (26 Prozent) und der Steiermark (18 Prozent).
Geringe Schulbildung
Ein Problem ist die geringe Schulbildung, welche die Menschen mitbringen. Ein deutlich höherer Anteil der Syrer, die nach 2022 kamen, hat keinen Abschluss, nämlich 38 Prozent der untersuchten Gruppe, oder nur den niedrigsten nach internationaler Klassifikation, nämlich 16 Prozent in dieser Kohorte.
Die Erwartungshaltung bei „Pünktlichkeit, Effizienz und Hierarchien“ seien „herausfordernd für beide Seiten“, beschreiben es die Verfasser des Berichts. Viele Syrer empfänden die hohen bürokratischen Hürden beim Berufseinstieg abschreckend, genauso wie Einstiegsgehälter, die kaum über der Höhe der Sozialleistungen lägen. Diese seien „demotivierend“.
Junge Berufseinsteiger wollten gerne im Handwerk oder auch in der Pflege arbeiten, Ältere suchten eher nach Tätigkeiten, in denen sie keine guten Deutschkenntnisse brauchten. Frauen sind nach anderthalb Jahren in Österreich seltener im Job als Männer. Gründe sind Betreuung von Kindern oder anderen Familienmitgliedern, traditionelle Rollenvorstellungen oder auch Kleidungsvorschriften wie Kopftuchverbot am Arbeitsmarkt, heißt es in dem Bericht. Ledige, getrennte und verwitwete Frauen hingegen seien „signifikant häufiger“ berufstätig.
Dem Bericht zufolge haben sich die Rahmenbedingungen verschlechtert, mit denen die Frauen und Männer in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Hier zählt der Bericht lange Wartezeiten, „fluktuierende Qualität“ der Deutschkurse und Koordinationsprobleme zwischen den verschiedenen Stellen auf. Die befragten Syrer kritisierten, dass die Kursleiter häufig wechselten, auch gebe es wenig Möglichkeiten, das Erlernte zu üben.
Trotz dieser größeren Probleme sei den Syrern in Summe ein rascher Einstieg in den Job gelungen – was auf die Arbeit der Jobvermittler zurückzuführen sei. Unter dem Strich führe dies jedoch zu einer hohen Belastung für die Mitarbeiter, die damit beschäftigt seien, die Menschen in Jobs zu bringen. Schwierig ist es nach Auskunft beider Seiten, die tatsächliche Qualifikation mit den Anforderungen der Jobs abzugleichen.
Einige Syrer berichten, ihre Kompetenzen seien beim AMS nur oberflächlich oder gar nicht abgefragt worden. Andere schildern Probleme mit der Anerkennung von Zeugnissen, dies betrifft vor allem medizinisches Personal sowie Lehrer. Ein Syrer sei als medizinischer Angestellter ausgebildet, arbeite aber im Supermarkt, heißt es als Beispiel. Das führe zu Frustration.
„Unter Druck gesetzt“
Nur knapp die Hälfte der Syrer, die nach 2022 nach Österreich kamen, hat einen Job über den Arbeitsmarktservice AMS gefunden. Einige Befragte berichteten, dass sie sich von den Mitarbeitern des Arbeitsmarktservices „unter Druck“ gesetzt fühlten. Hier zitieren die Verfasser einen Syrer aus Wien: „Sie schicken mir Jobangebote und ich muss mich innerhalb von 8 Tagen darauf bewerben, ansonsten wird die Geldleistung gekürzt.“ Dies halte ihn vom Deutschlernen ab. Ein Syrer aus der Steiermark sagte: „Das AMS schickt genug Angebote. Der schwierigste Faktor ist die Sprache.“ Wiederholt zeigten sich Befragte enttäuscht, dass das AMS hauptsächlich versuche, in Jobs zu vermitteln, nicht aber in Ausbildungsstellen.
„Eine syrische Befragte, die in Syrien Medizin studiert hatte und in der Türkei als Kinderärztin tätig war, äußerte sich in diesem Zusammenhang kritisch über die erlebte Praxis, Syrerinnen vorschnell auf niedrig qualifizierte Jobs wie Reinigungskräfte festzulegen, ohne ihre tatsächlichen Qualifikationen zu berücksichtigen“, steht außerdem in dem Bericht.
Infolgedessen würden „einige Personen absichtlich Deutschkurse nicht bestehen, um einer solchen Beschäftigung zu entgehen. Ein zentrales Problem sind dabei die niedrigen Löhne, die nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern.“
Dass Syrer sich den Sprachkursen verweigerten, um Jobs nicht annehmen zu müssen und Sozialleistungen zu kassieren, nennt der AMS nicht gängig: „Wahrscheinlich gibt es den einen oder anderen Einzelfall, aber wahrnehmbares Phänomen ist das keines“, heißt es vom Arbeitsmarktservice.
Kaum integriert
Allgemein ist das Thema Integration schwierig. Viele Syrer zögen sich nach der Ankunft in ihre eigene Community zurück, hätten dort „vorrangig oder ausschließliche Kontakte“. Dies sei auch der Hauptanreiz, um nach Wien zu ziehen. Kontakte zur österreichischen Wohnbevölkerung bestünden bei Neuankömmlingen „oberflächlich oder gar nicht“, heißt es in dem Bericht.
Dies erklärten die Frauen und Männer in Einzel- und Gruppengesprächen mit kultureller Distanz und unterschiedlichen Mentalitäten. Die Bevölkerung werde als „wenig kontaktfreudig“ wahrgenommen. Vereinzelt berichteten sie von Ablehnung der Österreicher, aber auch von syrischen Flüchtlingen, die schon länger im Land leben. Einer der Gründe, warum sich die neuere Generation von Syrern mit der Integration schwertut, sehen die Verfasser des Berichts in der langen Anreise durch Transitländer wie die Türkei, den Libanon, Jordanien oder Libyen. Dort hätten sie sich mit einfachen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Viele hätten negative Erfahrungen mit der Polizei oder der Bevölkerung gemacht, was häufig zu psychischen Problemen geführt habe.
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