In letzter Zeit nehmen die Angriffe auf die Ukraine wieder zu. Das "kostet die Bevölkerung viel Kraft", schildert UNHCR-Helferin Nina Winzen. Die Organisation setzt sich für bessere Lebensbedingungen ein und baut zerbombte Häuser wieder auf. Die 36-Jährige berichtet vom Kriegsalltag.

Wieder eine schlaflose Nacht in einem Schutzraum, wieder Schulunterricht im Bunker, wieder stundenlanger Beschuss. "Zerstörung, Leid, Tod, Vertreibung. Wir sind im vierten Jahr des Angriffskrieges und es hat nicht abgenommen, im Gegenteil", schildert Nina Winzen, die seit 19 Monaten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew für das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) arbeitet. Inmitten von Drohnen-Terror und in ständiger Gefahr versorgen rund 330 UNHCR-Mitarbeitende aus 45 Nationen vertriebene und evakuierte Menschen mit Hilfen zum Leben und Überleben.

"Manchmal hören wir die ganze Nacht Angriffe und am nächsten Morgen ist die komplette Straße schwarz." Als sie in die Ukraine gekommen ist, sei mal eine Drohne zu hören gewesen oder Maschinengewehre, berichtet die 36-Jährige. Jetzt seien es oft Hunderte Drohnen über die ganze Nacht hindurch. "Die Familien gehen abends ins Bett und wissen nicht, wer am nächsten Tag noch lebt. Wer darf leben und wer nicht? Es ist wie in einer Lotterie."

Während Nina Winzen bei einem kurzen Heimatbesuch in Köln über ihre Arbeit spricht, gehen per Whatsapp Alarm-Meldungen ein. "Wenn ich jetzt in Kiew wäre, müsste ich schnell in den Bunker." Über Messengerdienste kommen laufend Informationen auf ihr Handy: Wo gab es Einschläge, wo sind Raketen in welche Richtung gestartet.

Drei Tage ohne Luftalarm bereiten Sorge

"Manchmal haben wir fünfmal am Tag Alarm. Wenn es dann mal drei Tage ruhig bleibt, wird man auch ängstlich, dann ist ein bevorstehender massiver Angriff zu befürchten. Das ist in letzter Zeit in Kiew und auch an anderen Orten leider sehr häufig vorgekommen - mit Toten und Verletzten." Und das trotz aller Gespräche und Bemühungen um eine politische Lösung.

Nina Winzen stammt aus Nordrhein-Westfalen, studierte in Berlin, war dort auch in der Flüchtlingshilfe aktiv, bevor sie vor zehn Jahren zum UNHCR kam - in Berlin, in der Türkei, in New York und nun in der Ukraine tätig wurde. Die Realität dort: "Die Menschen in der Ukraine haben tagtäglich Angst um ihr Leben, um das Leben ihrer Angehörigen und Freunde. Jeden Tag wird einem vor Augen geführt, was es bedeutet, wenn man nicht in Sicherheit leben kann."

"Es kostet die Bevölkerung viel Kraft, jeden Tag aufs Neue. Und oft ist der Schmerz über den Verlust von Angehörigen zu groß, um sich davon zu erholen. Trotzdem geben die Menschen nicht auf, sind engagiert, fassen immer wieder Mut und zeigen Mitgefühl", beobachtet die UN-Mitarbeiterin. Die Organisation ist seit 75 Jahren in derzeit mehr als 130 Ländern tätig, um Menschen auf der Flucht Schutz und Hilfe zu bieten. Die Arbeit in der Ukraine gehört zu den großen Einsätzen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk leistet lebensrettende Soforthilfen für Menschen, die in Frontdörfern ausharren, die kürzlich evakuiert oder vertrieben wurden oder deren Wohngebiete durch Luftangriffe und Beschuss zerstört sind. Die Nothilfen gehen zudem an besonders schutzbedürftige Personen, die sich in langanhaltender Vertreibung befinden - vor allem Personen, die in kollektiven Unterkünften leben.

UNHCR kümmert sich auch um Reparaturen

"Ein großer Teil unseres Budgets fließt in Bargeldhilfen für von Krieg betroffene Menschen, besonders für Frauen und Kinder, die das Geld für die Reparatur ihrer Häuser nach Angriffen, für Medikamente oder zum Heizen verwenden", sagt Winzen. "Auf diese Weise können sie ihre dringendsten Bedürfnisse selbst priorisieren. Und gleichzeitig wird die lokale Wirtschaft gestärkt."

Wegen der massiven Zerstörungen auch von Wohnhäusern kümmert sich der UNHCR mit Partnern um eilige Reparaturen. Psychologische Hilfe nach Gewalt oder Verlust von Angehörigen sowie Rechtsberatung gehören zudem dazu.

Als rechte Hand der UNHCR-Ukraine-Repräsentantin Karolina Lindholm Billing plant, berät und organisiert Winzen. Sie trifft Absprachen mit Regierungsstellen und Partnerorganisationen. Die UNHCR-Mitarbeitenden sind in fünf Büros tätig, auch in Odessa, Lwiw, Charkiw und Dnipro. "Wir schaffen keine Parallelsysteme, sondern arbeiten komplementär und zusammen mit der Regierung, immer eng am Bedarf der Menschen."

Listen mit Personen in Not bekommen die Helfer von den Ministerien. "Immer mehr Menschen sind gezwungen, vor der Eskalation der Kämpfe in den Frontregionen zu fliehen", betont die Helferin. Die Aufgabe ist gewaltig. "Wir wollen in diesem Jahr mit unseren Hilfen 2,7 Millionen Menschen in der Ukraine erreichen." Drastische Kürzungen humanitärer Budgets treffen Geflüchtete und Vertriebene weltweit - auch in dem von Russland angegriffenen Land. Deutschland bleibe wichtiger humanitärer Partner und Geber.

Kinder erleben viel Leid

Wie geht es den Jüngsten im nunmehr vierten Kriegsjahr? "Das ist kein Alltag, den Kinder erleben sollten", bedauert Winzen. Gebe es ständigen Beschuss in einer Region, müsse Unterricht im Bunker stattfinden - sofern einer vorhanden sei. Manchmal finde auch der Kindergarten unterirdisch statt. Die Lage sei verheerend, berichtet auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef. Sogar Schulen und Spielplätze würden angegriffen. "Immer wieder werden Kinder verletzt oder getötet." Viele seien schwer traumatisiert.

Zahlreiche andere Hilfsorganisationen sind ebenfalls in der Ukraine im Einsatz. So fördert etwa ChildFund Deutschland neben mehreren Projekten für Kinder und Familien auch Praktika und Weiterbildungsprogramme für Jugendliche in Handwerksbetrieben. Der Krieg habe einschneidende Folgen für junge Menschen und den Bildungsbereich, heißt es bei den SOS-Kinderdörfern. Dort hilft man jungen Leuten mit Bildungsangeboten und Berufsberatung, unterstützt sie psychologisch, Jugendliche und ihre Familien erhalten finanzielle Hilfen.

Die Helferinnen und Helfer wüssten genau, "auf was man sich einlässt. Wir alle kennen die Risiken", sagt Winzen, die bis Ende 2026 in Kiew bleiben will. Die 36-Jährige meint: "Ich hatte einfach Glück, bin unter guten Lebensumständen aufgewachsen - ich möchte etwas zurückgeben. Es gibt so viel Leid und Ungerechtigkeit." Die Resilienz und Tatkraft der Menschen in der Ukraine bezeichnet sie als inspirierend. "Wir alle geben unser Bestes für die Schutzbedürftigen. Ich bin froh und dankbar, dass ich daran teilhaben kann. Und natürlich bin ich mir sehr bewusst, wie endlich das Leben ist."

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