Frauke Brosius-Gersdorf zieht sich als Richterkandidatin für das Bundesverfassungsgericht zurück. Darauf reagieren SPD, Grüne und Linke mit Bedauern.

SPD-Chef Lars Klingbeil fordert von der Union eine Aufarbeitung des Vorgangs um die gescheiterte Richterwahl. „Diejenigen, die am Ende nicht zu ihrem Wort innerhalb der Koalition gestanden haben, müssen dringend aufarbeiten, was da passiert ist“, erklärte Klingbeil. „So ein Vorfall darf sich nicht wiederholen.“ Die SPD habe dagegen „immer zu dieser exzellenten Kandidatin gestanden“.

Brosius-Gersdorf hatte am Donnerstag bekannt gegeben, sie stehe „für die Wahl als Richterin des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zur Verfügung“. Die Ablehnung aus der Unions-Bundestagsfraktion habe ihre Wahl unmöglich gemacht. Der SPD-Fraktion dankte sie dafür, dass sie „bis zuletzt“ an ihr festgehalten habe.

Die Besetzung von drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht war am 11. Juli im Bundestag gescheitert, weil die Unionsfraktion die zuvor in der Koalition vereinbarte Zustimmung zur Wahl der von der SPD aufgestellten Kandidatin Brosius-Gersdorf verweigerte. Die Abstimmungen wurden daraufhin abgesetzt. Der Vorgang belastete in der Folge die Stimmung in der Koalition aus Union und SPD.

„Es gab in den Fraktionen im Parlament immer einen breiten Konsens der demokratischen Mitte, dass wir Richterinnen und Richter aufstellen, dass wir sie wählen, dass wir Entscheidungen gemeinsam treffen“, erklärte Klingbeil dazu. Die „persönliche Entscheidung“ des Rückzugs von Brosius-Gersdorf aber respektiere er.

Ähnlich äußerte sich auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. Er warf der Unionsfraktion zudem vor, der Kandidatin kein persönliches Gespräch ermöglicht zu haben. Die Bundestagsfraktion werde nun einen neuen Vorschlag für die Besetzung des Richterpostens unterbreiten.

SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler bezeichnete den Rückzug von Brosius-Gersdorf als „Ergebnis einer rechtsextremen Kampagne“. „Teile der Unionsfraktion sind darauf hereingefallen. Das ist jetzt das Ergebnis. Und deswegen ist es ein bitterer Tag für die Demokratie“, sagte Fiedler im Nachrichtensender WELT TV. „Ohne diese rechtsextreme Kampagne hätte es diese Auseinandersetzung nicht gegeben. All diese inhaltlichen Bedenken hätten Wochen vorher formuliert werden können.“

Inhaltliche Bedenken seien nicht der Grund für das Nein der Unionsfraktion gewesen, glaubt Fiedler. „Genau deswegen haben wir darauf gedrungen, dass die Union sich mit ihr auseinandersetzt, weil es ja doch offensichtlich nicht richtig verstanden worden ist, was sie aufgeschrieben hat. Sie selber hat das ja nun in einer Sendung bei Markus Lanz in vielen Bereichen sehr gut deutlich gemacht, dass sie hier keine exotischen rechtlichen Positionen vertritt.“

Spahn zeigt sich selbstkritisch

Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte der Nachrichtenagentur dpa, der Entscheidung Brosius-Gersdorfs gelte größter Respekt. „Für ihre juristische Expertise und persönliche Integrität genießt sie zurecht hohe Anerkennung. Jenseits der sachlichen Auseinandersetzung gab es herabsetzende und beleidigende Kritik, die Frau Prof. Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erdulden musste. Diese verurteilen wir ausdrücklich.“ Spahn zeigte sich auch selbstkritisch, er bedauere, „dass diese Lage auch durch die zu späte Ansprache unserer inhaltlichen Bedenken entstehen konnte“. „Nun werden wir mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt eine gemeinsame Lösung mit unserem Koalitionspartner finden.“

Grüne haben Fragen an SPD

Die Grünen-Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann zweifelten derweil die Handlungsfähigkeit der schwarz-roten Koalition an. Brosius-Gersdorf sei eine „exzellente, hoch qualifizierte Juristin“, betonten sie.

„Es bleibt ein ungeheuerlicher Vorgang, den es so noch nicht gegeben hat“, erklärten die beiden Politikerinnen. Das Gesamtpaket mit drei Richtern sei ein Vorschlag der Koalition gewesen. „Es ist absolut inakzeptabel, dass die CDU-Fraktion ihre Unterstützung zurückgezogen hat und eine Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf jetzt kategorisch ablehnt.“

Die Verantwortung dafür trage Unionsfraktionschef Jens Spahn, der sein Wort gegeben habe und nicht mehr halten könne. „Ein Fraktionsvorsitzender einer Regierungsfraktion, dessen Wort nicht mehr zählt, weder gegenüber dem Koalitionspartner noch anderen demokratischen Fraktionen, ist ungeeignet für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe.“

Auch der SPD machten Dröge und Haßelmann Vorwürfe. „Wir fragen uns, wieso die SPD offenbar bereit war, ein Nein der CDU zu akzeptieren. Dieses Verhalten ist schwach.“

Es zeige sich, dass Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Vizekanzler Klingbeil sich aktuell nicht auf eine stabile Mehrheit im Bundestag für ihre Koalition verlassen könnten. „Diese Regierung startet damit höchst instabil in die Sitzungszeit nach dem Sommer. Friedrich Merz wird zeigen müssen, ob er noch Kanzler einer Koalition ist, die handlungsfähig und verlässlich ist. Unsicherheit und Instabilität sind Gift für dieses Land in unsicheren Zeiten.“

Die beiden Grünen-Politikerinnen bedankten sich bei Brosius-Gersdorf. „Es ist absolut inakzeptabel und ungeheuerlich, dass eine so angesehene Juristin von CDU und SPD für das Bundesverfassungsgericht während dieses Verfahrens von Lügen, Desinformationen und einer hetzerischen Kampagne derart getroffen wurde.“

Durch das „chaotische und unzuverlässige Vorgehen der Koalition, insbesondere der CDU/CSU und auch der SPD“ sei ein Schaden für das Wahlverfahren für Richter am Bundesverfassungsgericht entstanden. „Wir halten jetzt Gespräche zwischen den demokratischen Fraktionen im Bundestag für notwendig.“

Von einer „Klatsche für die Bundesregierung“ sprach in der „Rheinischen Post“ die Linken-Chefin Ines Schwerdtner. „Dieses organisatorische Totalversagen der Merz-Regierung muss aufhören.“

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