Er will Investitionsminister sein, ist Schuldenminister und muss Sparminister werden: Lars Klingbeil hat in kürzester Zeit zwei Haushalte vorgelegt, die es in sich haben. Doch weil ab 2027 viele Milliarden fehlen, stimmt der Bundesfinanzminister nun selbst auf belastende Jahre für die Koalition ein.
Der SPD-Chef ist durchaus zufrieden: Lars Klingbeil kann als Bundesfinanzminister in Gang setzen, wovon SPD-Kanzler Olaf Scholz nur träumen konnte. Der Bund investiert auch im kommenden Jahr im dreistelligen Milliardenbereich. So soll alles besser werden: die Schulen, die Verkehrsinfrastruktur, der Wohnungsbau und und und ... Möglich macht das die im März vom alten Bundestag verabschiedete Aufweichung der Schuldenbremse. 500 Milliarden Euro aus Krediten über zwölf Jahre sowie eine weitgehende Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse erlauben "hohe Investitionssummen wie selten zuvor in unserem Land", sagt Klingbeil bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs 2026 in Berlin. Im Jahr darauf aber werde Schwarz-Rot "in massive Herausforderungen hineinlaufen", warnt der rote Schatzmeister.
Die letzte Bundesregierung war noch am Haushalt 2025 zerplatzt. Klingbeil hat diesen in Windeseile aufgelegt und hofft auf eine Verabschiedung nach der parlamentarischen Sommerpause. Der Etatplan für das Folgejahr soll im Herbst durch den Bundestag. Weil jeder Haushalt auch eine mittelfristige Finanzplanung enthält, machen die Papiere sichtbar, was Klingbeil mit "massive Herausforderungen" meint: Schon 2027 sind geplante Ausgaben über 30 Milliarden Euro nicht durch Einnahmen und Kreditvorhaben gedeckt. Einschließlich der Jahre 2028 und 2029 summiert sich der angenommene Fehlbetrag auf mehr als 170 Milliarden.
Die Spielräume schrumpfen
In Relation zum Gesamthaushaltsvolumen dieser drei Jahre - 1625 Milliarden Euro - sind 70 Milliarden Euro gar nicht mal so viel. Das Problem ist: Der Haushalt bietet immer weniger Spielräume zum Sparen. Das zeigt sich schon im Haushaltsentwurf 2026: Von den 520,5 Milliarden Euro geplanten Ausgaben entfallen 30,3 Milliarden Euro auf die Zinslasten für laufende Kredite und 127,8 Milliarden Euro für die Finanzierung der Renten. 41 Milliarden Euro kosten den Bund das Bürgergeld sowie Zuschüsse für Wohnen und Heizen. Die Ausgaben für die Bundeswehr steigen- ohne Sondervermögen - auf 82,7 Milliarden. Macht summa summarum 282 Milliarden Euro für mehr oder weniger fixe Posten.
Bis 2029 verdoppeln sich die Zinsausgaben schon auf 60 Milliarden Euro - auch weil das 2022 beschlossene Sondervermögen Bundeswehr bis 2028 verausgabt ist. Dann gibt der aufgenommene Kredit kein Geld mehr zur Bedienung der eigenen Zinsen her, der Kernhaushalt muss übernehmen. Ebenfalls aus dem Kernhaushalt sollen die dann auf 153 Milliarden Euro gestiegenen Verteidigungsausgaben stammen. Die Finanzierungslücke der Rentenversicherung kennt bislang auch nur eine Richtung: Sie wächst. Zugleich meldet die gesetzliche Krankenversicherung ebenfalls Zuschussbedarf an.
Bundesministerin Bärbel Bas soll in den Jahren 2026 bis 2029 bei den Bürgergeldausgaben insgesamt 10 Milliarden Euro einsparen. Die Minderausgaben sind schon einkalkuliert, müssen aber erst einmal realisiert werden durch mehr Vermittlung in Beschäftigung. Dafür muss unter anderem die wirtschaftliche Entwicklung anziehen. Deutliche Leistungskürzungen jedenfalls wollen Klingbeil und seine SPD verhindern.
"Die Koalition ist stabil"
So ist Klingbeils Haushaltsplanung, auch wenn er das bestreitet, eben doch eine Wette: Darauf, dass in der zweiten Jahreshälfte beherzte Strukturreformen gelingen, auf dass die bereitgestellten Investitionsmittel Wirkung zeigen und die Unternehmen grundsätzlich weniger Bürokratie-geknechtet wirtschaften können. Darauf, dass die Investitionsanreize durch Steuererleichterungen das Wirtschaftsklima verbessern und sich die Wachstumsprognosen trotz schwieriger globaler Gesamtlage aufhellen. Darauf, dass die vereinbarten Kommissionen zur Finanzierung der Sozialkassen bald konkrete, umsetzbare Ergebnisse zeitigen. Sprich: Darauf, dass alles gut geht. Wenn nicht, könnte der Konsolidierungsdruck für 2027 die errechneten 30 Milliarden Euro schnell übersteigen.
Dabei ist auch diese Summe schon so fordernd, dass sie nach Einschätzung politischer Beobachter zur Belastungsprobe für Schwarz-Rot wird. Für ein Regierungsbündnis wohlgemerkt, das sich schon über die einstige Formalität einer Bundesverfassungsrichterwahl zerlegt hat. Und ebendiese Koalition soll sich 2026 auf Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe einigen können? Während CDU und SPD komplizierte Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zu bewältigen haben? Heikel. "Ich kann Ihnen versichern, dass die Koalition sehr stabil ist", versichert Klingbeil einem fragenden Journalisten.
Lars kann jetzt lindnern
"Die Hauptpriorität dieser Bundesregierung wird es jetzt sein, die Lücke für 2027 zu schließen", sagt der Vize-Kanzler. Diesem Ziel müssten sich alle Kabinettsmitglieder verpflichtet fühlen. Schon in den Koalitionsverhandlungen sei für alle Beteiligten deutlich geworden, dass Einnahmen und Ausgaben ab 2027 auseinandergehen. "Ich bin sicher, dass die Beliebtheit des Finanzministers im Kabinett sich nicht zwingend erhöhen wird die nächsten zwölf Monate", sagt Klingbeil.
Er weiß dabei um seine mächtige Stellung. Die SPD hat es der FDP nachgemacht: Mit dem Finanzministerium und dem Justizministerium, über dessen Tisch jedes Gesetz geht, haben die Sozialdemokraten nun jene Ressorts in der Hand, über die schon Christian Lindners Liberale als kleinster Koalitionspartner Blockademacht ausüben konnten. So kann nun Klingbeil sicherstellen, dass nicht nur da gespart wird, wo es CDU und CSU am wenigsten schmerzt.
Die CSU ist es auch, die Klingbeils Nöte zuletzt erhöht hat. Die Bayern im Bund haben nicht nur die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und die Rückkehr der reduzierten Agrardieselsteuer durchgesetzt. Auch die nun - gegen ausdrückliches Anraten der Deutschen Rentenversicherung - auf 2027 vorgezogene Ausweitung der sogenannten Mütterrente geht auf Markus Söder und seine CSU-Mannen zurück. Die CSU war auch ein maßgeblicher Treiber der Anhebung der Pendlerpauschale von 30 auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer.
Bisher vor allem Mehrausgaben
Die pauschale Entlastung von Rentnerinnen, Berufspendlern und Landwirten ist ein wenig unspezifischer Anschub für die Wirtschaft. Echte Einsparungen in den Bundeshaushalten 2026 und 2027 finden sich eigentlich nur da, wo es in Deutschland - erstmal - niemand merkt: bei der deutschen Entwicklungshilfe. Von 35 Milliarden Euro zur Unterstützung ärmerer Länder im Jahr 2023 und 30 Milliarden Euro 2024 sinken Deutschlands Unterstützungsleistungen im laufenden Jahr auf 25,6 Milliarden Euro. Bis 2029 geht das Budget auf geplante 22,3 Milliarden herunter. Diverse Nichtregierungsorganisationen sowie Grüne und Linke schlagen Alarm. Das aber belastet eine Koalition nicht.
Hoffnungen macht sich Klingbeil, selbst Bundeseinnahmen steigern zu können. Er will Schwarzarbeit und Steuervermeidung der besonders Wohlhabenden konsequent bekämpfen. "Wenn ich jetzt in den Auswertungen auch der Länder lese, dass die Steuerprüfung gerade bei großen Vermögen, bei großen Einkommen zurückgegangen ist, dann ist das etwas, was ich mit den Ländern jetzt sehr intensiv besprechen muss." Ein dickes Brett: Die Länderregierungen wollen meist vom Bundesfinanzminister nur mehr Bundesmittel, nicht aber Einmischung in deren Verausgabung. Das gilt selbst unter Parteigenossen.
Klingbeil aber gibt sich unbeirrt: Wer 2027 rund 30 Milliarden Euro einspart, bekommt in den beiden Folgejahren auch noch die verbleibende 140-Milliarden-Euro-Lücke aufgelöst. Vor allem dann, wenn in Gang gesetzte Investitionen und angepeilte Strukturreformen Wirkung zeigen. Dann kann Klingbeil, der für 2026 ein vom Finanzministerium errechnetes Rekordinvestitionsbudget von 126,7 Milliarden ermöglicht, vom Geben ins Nehmen umschalten. "Es gibt nicht die einzelne Maßnahme, die dazu führt, dass Haushaltsherausforderungen aufgelöst werden im Jahr 2027, sondern es wird ein Mix aus vielen Maßnahmen sein." Ein Haushalt also, der allen ein bisschen wehtut. Es wäre Klingbeils erster im dann schon dritten Anlauf.
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