Die Verunsicherung wächst. Das Pentagon arbeitet derzeit an seiner „Global Force Posture Review“, einer umfassenden Neubewertung der weltweiten US-Truppenstationierungen. Der Abschlussbericht, der im September vorgelegt werden soll, könnte weitreichende Konsequenzen für Europa haben – und besonders für Deutschland.
Ein Nato-Beamter sagt anonym, dass ein Rückbau kommt, gelte als sicher. Ein Abbau von bis zu 30 Prozent der US-Truppen in Europa sei denkbar. Entscheidend sei nun, dass dieser in enger Abstimmung mit den europäischen Partnern erfolgt, betont ein Nato-General. Der Rückzug müsse schrittweise und koordiniert verlaufen – und dürfe nicht dort stattfinden, wo Europa auf amerikanische Kapazitäten angewiesen ist.
Deutschland wäre besonders betroffen. Kein europäisches Land beherbergt mehr US-Soldaten: Rund 35.000 sind aktuell in mehr als 30 Kommunen stationiert – darunter der Standort Ramstein (Rheinland-Pfalz), ein Drehkreuz für Luftoperationen und Satelliten-Kommunikation sowie das US-Trainingszentrum Grafenwöhr (Bayern).
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) reiste Mitte Juli nach Washington, um sich mit seinem US-Amtskollegen Pete Hegseth abzustimmen. Nach dem Treffen machte Pistorius deutlich, dass Berlin mit Veränderungen rechnet: „Ich habe schon vor zwei Jahren wieder angefangen, darauf hinzuweisen, dass klar sein würde, dass die Amerikaner irgendwann weniger tun würden – konventionell in Europa“, sagte er laut „Politico“. „Weil sie mehr machen müssen – auch in unserem Interesse – im Indopazifik mit Blick auf die Freiheit der Meere und die Sicherheit des Handels auf See.“
Was genau dieses „weniger“ bedeutet, ist offen. Zwar versicherte der US-Botschafter bei der Nato, Matthew Whitaker, man habe sich auf „keine Überraschungen und keine Lücken im strategischen Gefüge Europas“ verständigt. Konkrete Angaben zum Umfang oder Zeitpunkt möglicher Truppenverlagerungen gibt es jedoch nicht.
„Basen wie Ramstein auch zur Machtdemonstration genutzt“
Für Berlin geht es dabei auch um sicherheitspolitische Substanz. Die Bundeswehr ist in vielen Bereichen auf US-Fähigkeiten angewiesen – etwa bei strategischem Lufttransport, Führungssystemen oder der nuklearen Teilhabe. In Büchel (Rheinland-Pfalz) lagern US-Atomwaffen, die als Teil der gemeinsamen Nato-Abschreckung gelten.
Laut Sicherheitsexpertin Aylin Matlé von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik „dienen Stützpunkte wie Ramstein nicht nur der Verteidigung Europas“. „Sie werden genutzt, um Macht in den Nahen Osten und zum Teil auch nach Afrika zu projizieren.“
Matlé hält ein Szenario für wahrscheinlich, in dem die USA die rund 20.000 Soldaten wieder abziehen könnten, die 2022 nach Russlands Angriff auf die Ukraine unter dem damaligen Präsidenten Joe Biden zusätzlich nach Europa verlegt wurden. „Das würde immer noch einen erheblichen amerikanischen Fußabdruck hinterlassen“, sagte sie. „Aber es wäre ein politisches Signal – und genau solche symbolischen Kontraste sind Trump wichtig.“
In Berlin hofft man, durch rechtzeitige diplomatische Signale Einfluss zu sichern. Im Juni kündigte die Bundesregierung an, den Verteidigungshaushalt bis 2029 auf 153 Milliarden Euro zu steigern – etwa 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit soll auch die Fähigkeit untermauert werden, US-Kapazitäten langfristig zu ergänzen oder zu ersetzen.
Ein Signal, das in Washington offenbar registriert wird: Beim Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Juli lobte US-Präsident Donald Trump die neue deutsche Linie: „Deutschland hat geliefert. Wir schauen, was künftig sinnvoll ist.“
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