Mit dem Argument, dass die Hamas Hilfsgüter stehle und so ihre Terrorherrschaft festige, blockiert Israel seit Monaten teilweise oder ganz Lieferungen in den Gazastreifen. Internationale Medien und die US-Behörde USAID bestätigen das nicht. Laut "New York Times" teilen auch hochrangige Militärs die offizielle Darstellung nicht.

Israels Militär hat einem Bericht der "New York Times" zufolge selbst keine Beweise, dass die im Gazastreifen herrschende Terrororganisation Hamas systematisch Hilfslieferungen gestohlen hat. Die US-Zeitung beruft sich auf mehrere anonym zitierte israelische Offizielle, darunter zwei hochrangige Militärs. Der Bericht bestätigt die Einschätzung der US-Behörde USAID, der zufolge keine Beweise für die offizielle israelische Darstellung vorliegen, dass Hamas sich der Hilfslieferungen der UN bemächtige, um damit Einnahmen zu erzielen und die eigene Herrschaft zu sichern. Recherchen, etwa der britischen "Financial Times", hatten schon vor Monaten gezeigt, dass für Plünderungen von Hilfslieferungen hauptsächlich vielmehr kriminelle Gruppen verantwortlich seien, die teils eng mit Israels Militär zusammenarbeiteten.

Die Behauptung, dass Hamas systematisch Hilfsgüter stehle, ist seit Langem das zentrale Argument der israelischen Regierung, um dringend benötigte Hilfslieferungen in den Gazastreifen einzuschränken oder zeitweise komplett zu unterbinden. "Hamas bemächtigt sich derzeit aller Lieferungen und Waren die nach Gaza kommen", hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu im März gesagt, als er die Schließung der Grenzen nach Gaza für alle Arten von Hilfslieferungen verfügte. Die UN-Organisationen waren bis dahin mit Abstand der wichtigste Lieferant von Hilfsgütern in dem Palästinensergebiet, in dem infolge des Kriegs praktisch die gesamte Bevölkerung auf Hilfe von außen angewiesen ist.

Erst im Mai erlaubte Israels Regierung wieder eingeschränkte Hilfen für die Bevölkerung in Gaza. Der Großteil der Nahrungsmittelhilfen wird seitdem von der US-Organisation Gaza Humanitarian Foundation (GHF) an einigen wenigen Verteilpunkten ausgegeben. An diesen Punkten sind nach UN-Angaben seitdem mehr als 1000 Menschen von israelischen Soldaten getötet worden. Übereinstimmenden Berichten zufolge haben Soldaten mehrfach direkt auf wartende Zivilisten geschossen, unter anderem auch mit Panzern.

Kritiker sahen in der GHF von Beginn an keine Hilfsorganisation, sondern ein Instrument Israels, die Bevölkerung zu zwingen, einen Großteil des Gazastreifen zu verlassen. Mehr als 100 Hilfsorganisationen warnten in dieser Woche vor einer "Massenhungersnot". In der Erklärung hieß es, dass "unsere Kollegen und die Menschen, denen wir helfen, dahinsiechen". Zuletzt wurden im Durchschnitt pro Tag 28 Lkw mit Hilfsladungen in den Gazastreifen gelassen. Für eine adäquate Versorgung der mehr als 2,2 Millionen Menschen dort sind nach UN-Angaben täglich etwa 600 Lkw notwendig.

UN-System vergleichsweise effektiv

Die israelische Regierung macht weiterhin die Hamas für die Zustände in Gaza verantwortlich. Regierungssprecher David Mencer sagte vor wenigen Tagen, dass es "keine von Israel verursachte Hungersnot" gebe. Neben der Hamas seien auch die UN mitverantwortlich für Knappheiten in Gaza. So hätten sich UN-Organisationen geweigert, ihre außerhalb bereitstehenden Hilfsgüter über das Militär und die GHF verteilen zu lassen, wie Israel das mit dem Argument der angeblichen Diebstähle durch die Hamas verlangt. Die UN lehnen das unter anderem mit dem Verweis auf die massenhaften Todesfälle an den GHF-Verteilpunkten ab.

Inoffiziell geben auch die israelischen Gesprächspartner der "New York Times" zu, dass die UN-Organisationen, darunter das auf Lebensmittelhilfe spezialisierte Welternährungsprogramm, über ein vergleichsweise effektives, gut funktionierendes Verteilsystem in Gaza verfügen. Die UN verfügten über eigene Lieferketten und hunderte Verteilpunkte innerhalb des Gazastreifen. Aufgrund ihrer Größe seien sie weniger anfällig für Einflussnahme durch die Hamas als etwa kleinere Hilfsorganisationen.

In einer Stellungnahme auf Anfrage der "New York Times" teilte das israelische Militär offiziell mit, es sei "gut belegt", dass Hamas "humanitäre Hilfe nutzt, um terroristische Aktivitäten zu finanzieren". In dem Statement bestritt das Militär nicht, dass keine Beweise für den konkreten Vorwurf vorliegen, Hamas stehle systematisch Hilfsgüter der UN.

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