Frankreich will Palästina als Staat anerkennen - als erste G7-Nation. Dafür wird Präsident Macron viel Prügel bekommen, vor allem von seinem US-Amtskollegen Trump. Umso richtiger und wichtiger ist dieser Schritt. Denn Israel braucht Druck.
Ohne einen souveränen Staat Palästina wird Frieden im Nahen Osten nicht möglich sein, da sind sich viele Staatslenker eigentlich einig. "From the river to the sea" - vom Jordan bis zum Mittelmeer darf kein Land an dieser Stelle reichen. Palästina nicht, aber auch nicht Israel. Den von Israel verhassten Nachbarn anzuerkennen - das wirkt dieser Tage so absolut unmöglich, wie es vollkommen unverzichtbar ist.
Der Gegenwind, den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekommt für seine Ankündigung, Palästina anerkennen zu wollen, hat vor allem etwas mit dem Zeitpunkt zu tun. Zugleich zeigt dieser Gegenwind, wie überfällig dieser Schritt war.
Macron ist beileibe nicht der Erste. 147 Staaten der 193 Mitglieder starken Vereinten Nationen haben die Anerkennung schon vollzogen. Doch das sind hauptsächlich afrikanische, asiatische und südamerikanische Länder, neben sämtlichen arabischen Staaten. Frankreich wird in dieser Gruppe der erste G7-Staat sein, mithin der erste, dessen Stimme einiges an Gewicht hat.
Alles Konstruktive ist für die Hamas existenzbedrohend
Erwartungsgemäß lehnt Washington Macrons Schritt entschieden ab. Diese "rücksichtslose Entscheidung dient nur der Propaganda der Hamas und verzögert den Friedensprozess", sagt Außenminister Marco Rubio. Ein "Schlag ins Gesicht der Opfer vom 7. Oktober". Auch Israels Verteidigungsminister greift für seine Reaktion zum großen Besteck: Eine "Schande und Kapitulation vor dem Terrorismus" nennt Israel Katz die geplante Anerkennung. Einen "Hamas-Staat" sieht Außenminister Gideon Saar in Palästina entstehen.
Dabei waren es doch die Israelis, die nach dem Hamas-Massaker am 7.Oktober 2023 mit Vehemenz und völlig zu Recht darauf pochten, da seien eben keine Freiheitskämpfer für die palästinensische Sache am Werk, sondern Terroristen, Islamisten, Dschihadisten, denen das Schicksal der Palästinenser vollkommen egal sei. Die Israel auslöschen wollten und sonst gar nichts.
Das stimmte damals und stimmt noch immer, und darum ist jeder Schritt hin zu einem Frieden zwischen Israelis und Palästinensern eine blanke Katastrophe für die Hamas. Natürlich müssen sie lügen und Macrons Entscheidung als "positiven Schritt in die richtige Richtung" loben, um "unserem unterdrückten palästinensischen Volk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen". Doch in Wirklichkeit ist alles, was konstruktiv sein könnte, mutig und nach vorn gedacht, für die Hamas nichts anderes als existenzbedrohend. Ein palästinensischer Staat neben Israel wäre nur denkbar, wenn die Terrorgruppe in Gänze entwaffnet und entmachtet ist.
Israels Soldaten helfen gewaltbereiten Siedlern
Es will also mit der Hamas sowieso niemand über Zukunft reden, insofern ist ihre Position ohne Relevanz. Fatal und sehr wichtig hingegen ist, dass weite Teile der aktuellen israelischen Regierung auch keinen Frieden mit den Palästinensern wollen. Israel werde die Errichtung eines palästinensischen Staates, der "unsere Sicherheit verletzt und unsere Existenz gefährdet", nicht dulden, so formuliert es der Verteidigungsminister. Doch gefährdet die Regierung Israels seit Monaten schon die Existenz von zwei Millionen Palästinensern. Mit Vehemenz arbeitet sie daran, Leben im Gazastreifen jetzt und in Zukunft unmöglich zu machen.
Die in Teilen rechtsextreme Regierung in Jerusalem macht sich schuldig daran, dass Menschen in Gaza vor Hunger sterben. Was ihre Bomben noch nicht in Schutt gelegt haben, das lässt sie mit Baggern und Bulldozern gezielt niederreißen. Gaza soll in Trümmern liegen. Im Westjordanland duldet sie, dass sich israelische Siedler mit Gewalt palästinensisches Land nehmen. Die Radikalen blockieren Versorgungswege zu den Siedlungen der Palästinenser, überfallen Dörfer, zerstören die Olivenhaine der Bauern, vertreiben ganze Familien mit vorgehaltener Waffe und erklären das Land anschließend zu ihrem. Selten greifen israelische Soldaten ein, und wenn, dann oft auf der Seite der Siedler.
Es ist darum zu kurz gesprungen, wenn die Bundesregierung der Auffassung bleibt, für die Anerkennung eines Palästinenserstaates sei es noch zu früh. Sie sollte "am Ende eines Friedensprozesses im Nahen Osten stehen", wie der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, heute sagt. Doch diese Planung ignoriert eine entscheidende Tatsache: Israel arbeitet derzeit mit vielfältigsten Mitteln und durchaus erfolgreich an dem Ziel, dass es kein Palästina mehr geben wird, das man als Staat anerkennen könnte. In Gaza schaffen die Soldaten und der Hunger die Fakten, im Westjordanland tun es die Siedler.
Saudi-Arabien könnte vielleicht sogar Trump überzeugen
Die Anerkennung Palästinas als Staat ist darum nicht die Formalie ganz zum Schluss, sondern ein womöglich irgendwie wirksamer Hebel für jetzt. Um Israels Gebaren jetzt Einhalt zu gebieten. Um klarzumachen, dass die Gewalt ein Ende haben muss und die Menschen ein Recht darauf haben, in Gaza zu leben und im Westjordanland. Da die israelische Regierung dieses Recht offenbar nicht anerkennt, braucht es andere, brachialere Mittel als immer nur wieder neue Protestnoten, denen - wie im Falle Deutschlands - keine Taten folgen.
Macron postete seine Erklärung auf Englisch, auf Französisch und auf Arabisch. Klar, seine Botschaft richtet sich ja in allererster Linie an die Palästinenser. Doch fast ebenso wichtige Adressaten sind Saudi-Arabien, die Emirate, Bahrain, all jene arabischen Länder, die vor dem 7. Oktober einen Normalisierungsprozess mit Israel begonnen hatten oder beginnen wollten, sich langsam annähern - und klar auch Geschäfte machen. Aber warum auch nicht?
Gerade Saudi-Arabien ist wichtig, um den staatlichen Anspruch Palästinas auch ins Weiße Haus zu tragen. Denn die Saudis haben dort einen gewissen Einfluss - mehr als die Europäer. Und ein großer - die USA, die Europäer und vor allem viele Araber umfassender - Schulterschluss wäre notwendig, um Gaza und das Westjordanland in ein friedliches, lebenswertes Palästina zu wandeln. In einen Nachbarn, von dem keine Gefahr für Israel ausgeht.
Klingt alles utopisch und realitätsfern? Ja. Sieht derzeit absolut nicht danach aus, als könnte das irgendwann Wirklichkeit werden? Absolut nicht. Könnte eine sehr breite, von immer mehr einflussreichen westlichen Staaten getragene Anerkennung Palästinas als Staat das weitere Geschehen auch nur ein winziges Bisschen in diese Richtung lenken? Bringt das also was? Weiß kein Mensch. Was man aber weiß: Nichts tun bringt garantiert nichts und kostet Zeit, die die Menschen in Gaza und im Westjordanland nicht mehr haben. Der Druck auf Israel muss jetzt erhöht werden.
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