Der Koalitionsstreit über die geplatzte Richterwahl im Bundestag ist festgefahren. Die CSU bringt eine neue Idee ins Spiel: Man könne auch den eigenen Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht absägen.

Die CSU möchte den Koalitionsstreit über die Besetzung dreier Posten am Bundesverfassungsgericht über ein neues Personalpaket lösen. "Ein solches Personalpaket kann aus komplett neuen Namen bestehen, muss aber nicht", sagt Alexander Hoffmann, der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag. Der Sommer müsse genutzt werden, um zu einer Lösung zu kommen.

Bisher hatten Politikerinnen und Politiker von CDU und CSU vornehmlich auf einen Rückzug der Rechtswissenschaftlerin und SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf gedrängt. Mit seinem Vorschlag stellt Hoffmann die Möglichkeit in den Raum, dass auch der Kandidat der Union, Bundesarbeitsrichter Günter Spinner, nicht ans Bundesverfassungsgericht geht. Die dritte Kandidatin, die Staatsrechtlerin Ann-Katrin Kaufhold, wurde ebenfalls von der SPD aufgestellt.

"Wir müssen aus dieser Situation rauskommen", sagt CSU-Mann Hoffmann. "Ich persönlich glaube, dass man da mit einem neuen Personalpaket am ehesten rauskommt." Er appellierte an beide Seiten, die weitere Diskussion nicht mit gegenseitigen Anwürfen zu führen, sondern mit Respekt.

Täter-Opfer-Umkehr?

Am Bundesverfassungsgericht arbeiten insgesamt 16 Richterinnen und Richter. Die Amtszeit ist auf zwölf Jahre begrenzt. Am 11. Juli wollte die schwarz-rote Bundesregierung Brosius-Gersdorf, Spinner und Kaufhold als neue Richter nach Karlsruhe entsenden.

Die Union hatte Brosius-Gersdorf im Richterwahlausschuss mit nominiert, die Fraktionsspitze von CDU und CSU hatte sich ebenfalls für ihre Wahl ausgesprochen. Dann wurde die Wahl kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen, weil sich in der Union Widerstand gegen Brosius-Gersdorf regte: Ihre Position in Abtreibungsfragen wurde infrage gestellt, Plagiatsvorwürfe wurden erhoben. Sehr wahrscheinlich handelte es sich um eine Kampagne erzkonservativer Medien und Plattformen. Unter anderem der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl, der sich auch kritisch geäußert hatte, hat inzwischen eingeräumt, falsch informiert gewesen zu sein.

Die SPD möchte die Wahl daher unter Verweis auf die vorherige Einigung wiederholen lassen, die Fraktionsführung der Union will die Unterstützung für Brosius-Gersdorf allerdings nicht mehr garantieren. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt von der CSU legte ihr nahe, selbst Konsequenzen zu ziehen: "Als Bewerberin für eine Position im Verfassungsgericht hat man wohl kaum die Intention, die Polarisierung in der Gesellschaft weiterzubefördern." CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte, es gebe nach wie vor "viele ernst zu nehmende Einwände, unter anderem von den Kirchen, aber auch von Juristen und Medizinethikern", wie er dem "Tagesspiegel" sagte. "Die Mär, man habe sich von Extremisten beeinflussen lassen, weise ich strikt zurück."

Union verprellt eigene Wähler

Der Vorsitzende der bayerischen SPD-Landesgruppe, Carsten Träger, wirft der Union deshalb eine Täter-Opfer-Umkehr vor: Fakt sei, dass sich die Mitglieder der Unionsfraktion von Falschaussagen und unhaltbaren Anschuldigungen hätten in die Irre führen lassen. "Diesen Fehler hat allein die Union zu korrigieren und sonst niemand."

Auch die Bevölkerung lehnt das Vorgehen der Union ab: In einer Forsa-Umfrage für den "Stern" waren 57 Prozent der Befragten dagegen, dass Brosius-Gersdorf auf ihre Kandidatur verzichtet. Unter den Wählerinnen und Wählern von CDU und CSU sind sogar 59 Prozent gegen einen Verzicht. In einer Online-Petition auf der Plattform Weact fordern mehr als 200.000 Menschen ein Ende der "Hetzkampagne" gegen die Juristin.

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