Die Merz-Regierung will das Bürgergeld reformieren, die hohen Steuerzuschüsse sollen reduziert werden. Ifo-Experte Peichl rät zu einem größeren Ansatz: In Kombination mit anderen Leistungen kann sich in manchen Fällen Arbeit nicht lohnen. Schuld daran ist auch ein undurchschaubares System an Leistungen.
Der Ökonom Andreas Peichl fordert eine Generalsanierung des Sozialstaats. Die Wirkungen der vielen verschiedenen Hilfen und Vergünstigungen durch Sozialleistungen wie das Bürgergeld, die Sozialversicherungen und die Einkommensteuer funktionierten nicht, sagte der Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen der "Süddeutschen Zeitung".
"Das größte Problem am Sozialstaat: Es lohnt sich in vielen Fällen nicht, mehr zu arbeiten", so Peichl. Er hat bereits mehrere Gutachten zum Thema Sozialstaat erstellt, unter anderem für das Bundesarbeitsministerium. Der SZ sagte er: "Das alles ist überhaupt nicht aufeinander abgestimmt. An einigen Stellen hat es harte Brüche, die zu absurden Konstellationen führen: Es kann passieren, dass jemand mehr arbeitet und verdient, aber netto kaum mehr oder sogar weniger hat als vorher, weil ihm in den verschiedenen Systemen Geld gestrichen wird."
Als Beispiel rechnet Peichl vor: Zwei Paare in München, die gemeinsam jeweils 3500 Euro und 5500 Euro verdienen, hätten netto die gleiche Summe zur Verfügung. Bei dem niedrigen Gehalt würden Wohngeld und Kinderzuschlag ausgezahlt, dies schließe die Lücke von 2000 Euro. "Das entspricht einem Vollzeitjob zum Mindestlohn", verdeutlicht Peichl.
"Spielzeuge der Sozialpolitik" abschaffen
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte vergangene Woche angekündigt, dass bereits im Herbst eine Reform des Bürgergelds durchgesetzt werden soll. Der Münchner Volkswirtschaftsprofessor hat mehr als 60 mögliche Reformen und deren voraussichtliche Wirkung durchgerechnet. Merz' Plan, die Ausgaben für das Bürgergeld im Bundeshaushalt von mehr als 50 Milliarden Euro deutlich zu reduzieren, könnte ihm zufolge schwierig werden.
"Wenn wir gesamtstaatlich draufschauen, gibt es Möglichkeiten, das Bürgergeld so zu reformieren, dass es sich selbst finanziert. Isoliert auf den Bundeshaushalt zu schauen, ist allerdings problematisch", sagte Peichl der SZ. "Eine sinnvolle Reform kann hier erst mal Geld kosten, weil wir etwa den Transferbereich ausweiten. Im Gegenzug käme durch mehr Beschäftigung aber auch mehr Geld bei den Sozialversicherungen herein."
Peichl empfiehlt eine Integration von Wohngeld und Kinderzuschlag in die von Merz geplante Grundsicherung. "Wir wollen das Existenzminimum und den Wohnbedarf der Menschen absichern." Dies könne man mit einer Leistung abdecken, die von einer Behörde abgedeckt werde. "Wohngeld und Kinderzuschlag wurden nur eingeführt, damit man Menschen aus der Bürgergeld-Statistik herausholt - und damit das Familienministerium mit dem Kinderzuschlag und das Bauministerium mit dem Wohngeld noch je ein Spielzeug haben in der Sozialpolitik", sagte Peichl.
Mithilfe Künstlicher Intelligenz durchforsteten Forscher Peichl zufolge die deutsche Sozialgesetzgebung. Dabei seien bisher schon mehr als 500 Sozialleistungen zutage getreten, die beantragt werden könnte. "Das ist deutsche Einzelfallgerechtigkeit, um jede Konstellation bis aufs Kleinste zu regeln", erklärt Peichl den Zustand. Unklar sei jedoch, wie viele Menschen einzelne Leistungen überhaupt in Anspruch nehmen. Bei vielen der Maßnahmen seien entsprechende Daten dazu nicht auffindbar. "Kein Mensch weiß, was der Sozialstaat ihm alles zahlen würde."
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