Europäische Parlamentarier lassen kein gutes Haar am Haushaltsplan der EU-Kommission ab 2028. Die Finanzierung für das deutlich erhöhte Budget stehe auf wackligen Beinen, Bauern müssten um Mittel fürchten - und die Kommission wirke so, als wolle sie über das Geld "allein bestimmen".

Wie sollen sie einen Haushaltsentwurf diskutieren, den sie vorher nie zu Gesicht bekommen haben? Diese Frage stellten sich die Mitglieder des Haushaltsausschusses im Europaparlament, als EU-Haushaltskommissar Piotr Serafin ihnen den Plan darlegte, wie die EU zwischen 2028 und 2034 ihre Finanzen regeln will. 2027 läuft die aktuelle siebenjährige Budgetperiode, in Brüssel mehrjähriger Finanzrahmen (MEF) genannt, aus. Für den nächsten MEF plant die EU-Kommission fast eine Verdopplung des Haushalts, von 1,2 Billionen auf 2 Billionen Euro. Am Ende müssen das Parlament und der Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs den Haushalt absegnen. Etwa zwei Jahre lang wird es heftige Diskussionen und Verhandlungen zwischen ihnen geben.

Serafins Besuch im Parlament wurde also mit Spannung erwartet. Doch Serafin kam fast zwei Stunden zu spät zur Sitzung, weil er mit den anderen Kommissaren noch intern verhandeln musste. Dann stellte sich heraus: Die Kommission hatte den Abgeordneten vor Serafins Erscheinen keine Dokumente zukommen lassen. Wegen dieses Versäumnisses schäumten die Parlamentarier fraktionsübergreifend. Sie hätten sich auf Informationen verlassen müssen, die zu Medien durchgestochen wurden, lautete der Vorwurf. Sowohl der Haushaltsentwurf an sich als auch das Verfahren der Verhandlungen seien bislang intransparent, beklagte Siegfried Mureșan, der Haushaltsunterhändler des Parlaments, der wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört. Mureșan ergriff als Erster das Wort.

"Wir haben noch keine Dokumente für die Analyse erhalten. Die Kommission hat damit ihre Verpflichtungen nicht eingehalten", sagte Mureșan. Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem Parlament beim Verfassen des Entwurfs sei "nicht sehr gut" gewesen. Es habe keine zufriedenstellenden Informationen gegeben. Das Europaparlament habe ein "anderes Verständnis von ehrlicher Zusammenarbeit".

Kommission will Regional- und Agrarförderung zusammenfassen

Etwas später in der Debatte zeigte sich Johan van Oevertfeld, Mitglied der rechtsnationalen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und Vorsitzender des Haushaltsausschusses, verärgert. Von der Leyen gebe parallel zu der Diskussion im Ausschuss eine Pressekonferenz. "Ich hatte das so verstanden, dass wir die Informationen zuerst erhalten und dann die Presse", sagte Oevertfeld. Das sei so nicht abgesprochen gewesen. Zudem gebe von der Leyen auf der Pressekonferenz wesentlich detailliertere Informationen heraus als Serafin hier vor den Abgeordneten.

So ganz stimmt das nicht. Auch von der Leyen blieb bei ihrer Präsentation vage, stellte lediglich ein Grundmuster für bevorstehende Reformen vor. Auf Nachfrage eines Journalisten, ob sie nicht weiter ins Detail gehen könne, räumte von der Leyen ein: Die Verhandlungen über einen zwei Billionen großen Haushalt seien so kompliziert, dass sie nicht sofort alle Zahlen parat habe. Und der Entwurf werde sich durch die anstehenden Verhandlungen zwischen Rat und Parlament noch einmal eklatant ändern.

Klar ist aber bereits: Die EU wird ihren Etat völlig neu aufstellen. Der Haushalt ab 2028 soll sich nach Vorstellungen der Kommission in fünf Bereiche gliedern. Der erste Bereich umfasst laut von der Leyen, vage formuliert, "Investitionen in Menschen, Mitgliedstaaten und Regionen". Dafür sollen 865 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. In diesem Topf wird allerlei zusammengefasst, darunter die Rückzahlung der Schulden, die für den 800 Milliarden schweren Corona-Wiederaufbaufonds aufgenommen wurden. Aber auch die Regionalförderung und die Mittel für Landwirte sind enthalten, beides bislang zwei voneinander getrennte Posten im Haushalt.

Für die Ukraine soll Topf mit 100 Milliarden Euro bereitstehen

Das Geld aus diesem Topf soll erst fließen, nachdem die Mitgliedstaaten sogenannte Partnerschaftspläne erstellt haben, in denen sie ihren Bedarf anhand festgelegter Kriterien anmelden. Ziel dieser Reform sei eine "flexiblere und intelligentere" Verteilung der Mittel, so von der Leyen. Bislang überlappten sich verschiedene Fonds mit gleichen Zielsetzungen, was zu enormem bürokratischem Aufwand führe. Nötig sei deshalb eine Vereinfachung des Haushalts.

Den zweiten Bereich bildet ein neuer Wettbewerbsfonds, 410 Milliarden Euro sind dafür angesetzt. Innerhalb dieses Fonds sind 131 Milliarden Euro für Verteidigung ausgewiesen - vor allem für die Schaffung eines Rüstungsbinnenmarkts und den Ausbau militärischer Infrastruktur. Der dritte Bereich namens "Globales Europa" soll mit 200 Milliarden ausgestattet werden, für die Zusammenarbeit mit Drittländern und speziell die Anforderungen für die EU-Erweiterung.

Viertens soll für die Ukraine ein Topf mit 100 Milliarden Euro bereitstehen, nachdem die 50 Milliarden Euro aus der sogenannten Ukraine-Fazilität in zwei Jahren aufgebraucht sein werden. Schließlich möchte von der Leyen ein neues Kriseninstrument schaffen für insgesamt 400 Milliarden Euro - zur Bewältigung aller möglichen Katastrophenszenarien wie Pandemien oder Umweltkatastrophen. Von der Leyens Lehre aus ihrer Amtszeit, die von der Covid-Pandemie und Russlands Überfall auf die Ukraine geprägt war: "Krisen sind nicht mehr die Ausnahme, sondern die Norm."

Berlin lehnt es ab, mehr Geld an Brüssel zu überweisen

Dass ihr für den Haushaltsentwurf heftige Kritik aus dem Parlament entgegenschlägt, dürfte für von der Leyen keine Überraschung gewesen sein. Die Kommission stellt sich bereits auf zähe Verhandlungen mit dem Parlament und dem Rat ein. Erschwerend kommt hinzu, dass sogenannte Nettozahler wie Deutschland - das allein fast ein Viertel der Mittel für den EU-Haushalt stemmt - es ablehnen, mehr Geld an Brüssel zu überweisen. Aber auch hoch verschuldete Länder wie Frankreich sind nicht bereit, ihre Beiträge zum EU-Budget zu erhöhen. Dabei wird der größte Teil des langfristigen EU-Haushalts aus Beiträgen der Mitgliedstaaten finanziert - jeder EU-Staat zahlt einen bestimmten Prozentsatz seines Bruttonationaleinkommens (BNE).

Das einzige andere Instrument der Europäischen Union, um an mehr Geld zu kommen, sind sogenannte Eigenmittel - also im Grunde Abgaben an die EU. So will die Kommission sich etwa einen Anteil an den nationalen Tabaksteuern sichern und schlägt eine Abgabe auf Elektroschrott vor, der nicht für das Recycling gesammelt wird. Doch auch neue Eigenmittel für die EU müssen von den Mitgliedstaaten abgesegnet werden - und die verhandeln darüber bereits seit Jahren ergebnislos.

Das wissen auch die Europaabgeordneten - und beklagen, die Finanzierung für die Aufstockung des Haushalts stehe so auf einem wackligen Fundament. Fraktionsübergreifend äußerten Parlamentarier im Laufe der Debatte immer wieder die Befürchtung, die EU solle "mehr leisten für weniger Geld". Besondere Kritik brachte der Kommission der erste Bereich im Haushaltsentwurf, die "Investitionen in Menschen, Mitgliedstaaten und Regionen", ein. EVP-Haushaltsunterhändler Mureșan kritisierte, dass dort die Regional- und Agrarförderung in einen Topf geschmissen werde, was das Parlament strikt ablehne. In Brüssel protestierten am Nachmittag bereits Hunderte Bauern, die um Kürzungen ihrer Subventionen fürchten. Mureșan beklagte, Endbegünstigte der EU-Fördermittel wie Landwirte würden über ihre Bezüge im Unklaren gelassen.

"Weniger demokratisch, weniger transparent und weniger europäisch"

Auch das Modell der Partnerschaftspläne zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten hält Mureșan für nicht zielführend. Die Mitbestimmung der einzelnen Regionen und kommunalen Behörden in den Ländern würde durch die verstärkte Zusammenarbeit mit nationalen Regierungen geschwächt. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Angaben zur Vergabe der Mittel aus dem Wettbewerbsfonds und speziell zu den Verteidigungsausgaben seien unklar. Ebenso sei den Abgeordneten nicht klar, ob und inwiefern ihnen ein Mitspracherecht bei der Kontrolle über die einzelnen Töpfe zuerkannt wird. Deshalb sieht das Europaparlament seine Rolle im Haushaltsentwurf als geschwächt an.

Es erwecke den Anschein, als wolle die Kommission "allein bestimmen, wie die Prioritäten und das Finanzsystem der EU verlagert" werden. Mureșans vernichtendes Urteil: Der Haushaltsentwurf zeichne das Bild einer EU, die "weniger demokratisch, weniger transparent und weniger europäisch ist".

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