Innerhalb der Unionsfraktion regt sich Widerstand gegen die geplante Wahl der Professorin für Staatsrecht von der Universität Potsdam, Frauke Brosius-Gersdorf, zur Bundesverfassungsrichterin. Die SPD hat die Juristin gemeinsam mit Ann-Katrin Kaufhold für die in der kommenden Woche zu besetzenden Richterstellen in Karlsruhe nominiert. Das berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“). Der vorgeschlagene Kandidat der Union ist Günter Spinner vom Bundesarbeitsgericht.
Der Bundestag soll nächste Woche auf Vorschlag von Union und SPD drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht wählen. Einen Kandidaten hat die Unionsfraktion nominiert, zwei die SPD-Fraktion. Damit die Richter gewählt sind, braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag.
Nach Informationen der „FAZ“ werfen mehrere Abgeordnete der Union Brosius-Gersdorf vor, in verfassungsrechtlichen Grundfragen eine einseitige Position zu vertreten. In mehreren Landes- und Arbeitsgruppen hätten Parlamentarier angekündigt, sie nicht wählen zu wollen.
„Es kann nicht sein, dass die Union eine ultralinke Juristin ans Verfassungsgericht wählt“, sagte ein CDU-Abgeordneter der Zeitung anonym. Auch von einem CSU-Abgeordneten heißt es laut „FAZ“, Brosius-Gersdorf habe sich in der Öffentlichkeit „sehr zugespitzt“ geäußert – das sei „für das Amt einer Verfassungsrichterin nicht angemessen“.
Die Kritik gilt unter anderem der Mitwirkung der Potsdamer Professorin in der Kommission der Bundesregierung zur Reform des Abtreibungsrechts. Sie war in der vergangenen Wahlperiode stellvertretende Koordinatorin in einer von der Bundesregierung eingerichtete Kommission, die eine mögliche Liberalisierung der Abtreibungsregelung prüfen sollte.
Die Kommission empfahl der Politik im vergangenen Jahr eine solche Liberalisierung, die damalige Bundesregierung griff diese allerdings nicht auf. Im Kommissionsbericht verantwortete Brosius-Gersdorf das Kapitel zum verfassungsrechtlichen Rahmen. Sie kam zum Ergebnis, dass ein Schwangerschaftsabbruch zumindest in den ersten zwölf Wochen rechtmäßig und grundrechtskonform sei – und dass es gute Gründe gebe, dass die Menschenwürde „erst für den Menschen ab Geburt“ gelte.
Ein Abgeordneter aus dem Rechtsausschuss sagte gegenüber „FAZ“: „Unsere Kandidaten trafen in der Vergangenheit auf Ablehnung, weil sie zu migrationskritisch waren. Frau Brosius-Gersdorf ist lebenskritisch. Die Personalie ist für uns niemals wählbar.“
Kirche besorgt wegen anstehender Richterernennung
Mit Blick auf eine mögliche Wahl von Brosius-Gersdorf äußerte sich auch der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, besorgt. Es sei Aufgabe der Politik, für die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts Sorge zu tragen, sagte Jüsten auf Anfrage der Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch. Es sei aber kein Geheimnis, dass die Kirche bei der Regelung von Abtreibungen verfassungsrechtliche Positionen für ein abgestuftes Lebensschutzkonzept nicht teile. Auch die Menschenwürde des ungeborenen Lebens stelle sie nicht infrage. Die katholische Kirche ist gegen eine Liberalisierung der Abtreibungsregelung.
In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt.
Nachfolge für Richter Josef Christ
Vordringlich geregelt werden soll die Nachfolge des Verfassungsrichters Josef Christ, der seit Ende 2017 auf damaligem Vorschlag der CDU/CSU in Karlsruhe sitzt. Eigentlich wäre Christ schon seit vergangenem November altersbedingt im Ruhestand. Für die Verfassungsrichter gilt eine Altersgrenze von 68 Jahren. Christ führt das Amt seitdem geschäftsführend weiter, während seine Nachfolge geklärt wird. Dafür ist nun Spinner im Gespräch.
Das Vorschlagsrecht liegt bei der Union. Die hatte in der vergangenen Legislaturperiode Richter Robert Seegmüller vom Bundesverwaltungsgericht vorgeschlagen. Die Nominierung scheiterte aber am Widerstand der Grünen, denen Seegmüller als zu konservativ galt.
Die insgesamt 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts werden eigentlich je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Wenn die Neuwahl zwei Monate nicht zustande kommt, kann das Gericht eigene Personalvorschläge machen. So kam es zu dem Votum vom Mai. Mit der Vorschlagsliste begann eine Drei-Monats-Frist. Wenn danach noch immer kein Nachfolger gewählt wurde, kann das Wahlrecht an den Bundesrat übergehen.
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