Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Soweit das Kurzfazit zum israelisch-iranischen Krieg. Auch die Nato ist fürs Erste gerettet - weil Amerika nicht austritt, aber Europa vielleicht aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.

Ups. Das ging verdammt schnell. Viel zu schnell für viele Europäer. Sie wollten eigentlich noch viele weitere Gespräche führen. Immerhin hatten die Vertreter der Mullahs ihnen Huld erwiesen, waren bis Genf gereist, um ihnen auch persönlich zu sagen: Wir machen unbeirrt weiter mit unserem Nuklearprogramm, bis wir die Zionisten vernichtet haben. Das war doch schon einmal ein schöner diplomatischer Anfang, ganz völkerrechtsgemäß.

Stattdessen rack-zack, Bombe drauf, Drecksarbeit gemacht. Danach etwas Gesichtskosmetik in Katar, Israel zurückgepfiffen, zwei Rüffel nachgelegt: Nun kriegt euch endlich alle ein - und gut ist. Zumindest fürs Erste. Ja, der grandiose Militärschlag war wohl nicht ganz so gründlich, wie es wünschenswert gewesen wäre und wie Prahlhans Trump das verkündete. Wahrscheinlich hält der Waffenstillstand auch deshalb nicht ewig. Aber Besseres war gerade nicht drin, trotz maximaler Hard Power.

Von "Dankeschön" bis "bedauerlich"

Kanzler Friedrich Merz hat sich bei Amerikanern und Israelis jedenfalls bedankt, weil sie den Job erledigt haben, der zu erledigen war. Merz' Koalitionspartner ging eher auf Distanz: Die Diplomatie sei um Jahre zurückgeworfen, greinte verlässlich Rolf Mützenich für die linke SPD-Opposition in der Regierung. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch legte im gleichen Sinne nach, nebst einem vergifteten Lob für den unbeholfen wirkenden Außenminister Johann Wadepuhl. Der nannte die US-Attacke "bedauerlich" und räumte ein, er habe vom Angriff auch erst erfahren, nachdem er vorbei war. Trotzdem "sprechen wir mit Trump auf Augenhöhe." Diese Einschätzung klingt erfrischend kühn. Andererseits: Vielleicht meinte er ja des Präsidenten Hühneraugen.

Ohne Zweifel aber ist: Diplomatie ist die erste und beste Wahl, wenn zwei Staaten miteinander etwas zu klären haben. So gelingt der friedliche Ausgleich von Interessen, respektvoll und zivilisiert. Eine klitzekleine Voraussetzung dafür: Beide Seiten, ja, wirklich beide Seiten, müssen nach zivilisierten Regeln spielen wollen. Bedauerlicherweise können zu viele Staatschefs der regelbasierten Ordnung so gar nichts abgewinnen. Ihr Spiel ist erpressen, unterdrücken, beschießen, vernichten. Diplomatie ohne Hard Power hat bei diesen Konsorten keine Chance, mit jedoch schon. Beispiel Iran: Weil die Amerikaner mit ihrem Mitternachtshammer angeklopft haben, öffnet sich jetzt vielleicht die Tür für eine ernsthafte Diplomatie, bei der beide Seiten nicht nur nehmen, sondern etwas Substanzielles geben - auch der Iran.

Das Ende der Selbstverzwergung ist möglich

Nur wer auch über Hard Power verfügt, über militärische Stärke, wird ernst genommen, auf den wird im Zweifel Rücksicht genommen. Der kann einen aggressiven Nachbarn, nennen wir ihn Russland, abschrecken. Das ist dringend nötig: Nato-Generalsekretär Marc Rutte sagt: Die Geschwindigkeit, mit der sich Russland militärisch neu aufstellt, ist "wirklich atemberaubend und beängstigend". Rutte ist ein Auskenner und zweifellos Man of the week. Mindestens.

Er hat Trump die weitere Nato-Mitgliedschaft und Beistandszusage quasi abgeschmeichelt. Parallel hat er die Europäer so lange massiert, bis fast alle kapierten: Wir sind schwach, deshalb in großer Gefahr. Wollen wir in Freiheit überleben, müssen wir aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit unverzüglich heraustreten.

Zurück auf der Weltbühne? Tatsächlich?

Und schon gibt sich der deutsche Kanzler optimistisch, verkündet im Zeitenwende-Sound: Wir sind zurück auf der Weltbühne. Nach der Rede von Scholz damals passierte: nichts. Drei verlorene Jahre. Nein, möchte man dem Kanzler zurufen, das ist zu früh getönt. Mehr als ein, zwei Tippelschritte in die dringend gebotene Richtung sind noch nicht gegangen. Bis dato gibt es Absichtserklärungen und eine Einigung, saftige Schulden zu machen.

Ob wir wirklich die Chance nutzen, zurückzukommen, wird sich in den Mühen der Ebene erweisen. Bei der Rekrutierung der Soldaten, der Organisation von Material und Waffen, beim ebenso nötigen Mentalitätswechsel in der Gesellschaft und in der Politik. Da warten reichlich Arbeit, großer Kümmerbedarf, zahllose dicke Bretter.

Versagen wir, müssen wir in fünf Jahren Russisch lernen oder nach Neuseeland auswandern. So die Prophezeiung von Marc Rutte. Für die in Deutschland aktiven fünften Kolonnen an den immer fetter werdenden linken und rechten Rändern könnte ein Traum in Erfüllung gehen: Mission erfüllt, endlich unter Moskaus Fittichen. Und die Normalos? Neuseeland ist zweifelsohne wunderschön, aber keine Ahnung, ob uns die Kiwis alle wollen.

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