Der Krieg ist vorbei!“ Als sie diese Erklärung des amerikanischen Präsidenten vor wenigen Tagen las, musste sich Nastaran* selbst in die Wange kneifen, um nicht vor Wut zu explodieren. Zwar hatten Teheran und Tel Aviv nach den zwölftägigen israelischen Bombardements einen Waffenstillstand geschlossen, aber die 38-jährige Soziologin sagt, dass für sie der Krieg jetzt erst begonnen hat: der Krieg eines „geschwächten, aber rachsüchtigen iranischen Regimes, das sich gegen sein eigenes Volk wendet“. Denn kaum waren die Waffen am frühen Dienstagmorgen verstummt, begann die Unterdrückung.

Schon während der israelischen Offensive „Rising Lion“ hatte es Verhaftungen gegeben, nun häuften sie sich. Sie zielten auf angebliche „Mossad-Spione“ und „Aufrührer“. Am Mittwoch wurden drei Kurden in der nordwestlichen Stadt Urmia nahe der türkischen Grenze gehängt. „Sie versuchten, Ausrüstung für Attentate einzuführen und wurden wegen Zusammenarbeit mit dem zionistischen Regime verhaftet“, hieß es nüchtern in einer Erklärung des Justizministeriums. Dazu wurden Fotos der drei Angeklagten in blauen Häftlingsuniformen veröffentlicht.

Zwei Tage zuvor war ein weiterer Mann wegen Spionage hingerichtet worden. Diese neue Welle von Hinrichtungen, ohne Anwalt und ohne ordentliches Verfahren, folgte auf eine Ankündigung von Justizminister Gholamhossein Mohseni-Eschei. Er hatte angeordnet, „sicherheitsrelevante Fälle zu beschleunigen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Usurpatorregime (Israel) und der Tätigkeit als fünfte Kolonne des Feindes“. Zugleich verkündete die iranische Justiz ein Spionagegesetz, das eine „rasche und entschlossene“ Reaktion gegen „Eindringlinge“ ermöglichen sollte. Das Parlament hatte bereits einen Gesetzentwurf zur Strafverschärfung in diesem Bereich verabschiedet.

„Im Namen eines äußeren Feindes verbreitet die Regierung Terror und verfolgt ihre inneren Feinde“, sagt Nastaran. Es gebe einen „Willen zur Einschüchterung der gesamten Gesellschaft“. Unfähig, die tatsächliche Infiltration durch israelische Geheimdienste zu verhindern, instrumentalisiert die Islamische Republik die Situation, indem sie willkürliche Verhaftungen vornimmt und zu ihrer alten Tradition der erzwungenen Geständnisse im staatlichen Fernsehen zurückkehrt.

Diese Woche wurde unter anderem bekannt, dass neun gewerkschaftlich organisierte Lehrer aus der Stadt Kerman strafrechtlich verfolgt werden. Ihnen wird „Beleidigung hoher Vertreter der Islamischen Republik, darunter des Obersten Führers“ (Ajatollah Ali Chamenei), „Propaganda gegen das Regime“ und „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ vorgeworfen.

In Teheran, wo Sicherheitskräfte und die für die Kontrolle der Gesellschaft eingesetzten Basidsch-Milizen im Einsatz sind, leben die Einwohner in Angst vor Kontrollen und willkürlichen Verhaftungen. „Neulich haben vier Polizisten in Zivil meinen Bruder mitten auf der Straße angehalten“, berichtet Soudabeh*, eine iranische Kurdin. „Sie verlangten, sein Mobiltelefon zu sehen. Als sie sahen, dass er WhatsApp installiert und Nachrichten mit dem Ausland ausgetauscht hatte, beschuldigten sie ihn sofort, ein Spion zu sein. Dann schlugen sie ihn zusammen und ließen ihn auf der Straße liegen.“

Wie in jeder Krise sind Minderheiten und Flüchtlinge am stärksten von der Unterdrückung betroffen. In Kermanschah, einer mehrheitlich kurdischen Stadt im Nordwesten des Landes, in der etwa hundert Menschen festgenommen wurden, hat der Staatsanwalt Afghanen verboten, sich in der Stadt zu bewegen – „sonst würden sie in Lager gebracht“.

Zugleich kehrt nach dem Krieg mit Israel das Leben langsam zurück. In Teheran besuchen sich Nachbarn und helfen sich gegenseitig. Vertriebene Familien kehren zurück, Geschäfte öffnen wieder. Die schlaflosen Nächte sind vorbei, ebenso wie die Warteschlangen vor den Tankstellen. Die Menschen beobachten mit klarem Blick, erschöpft und illusionslos, wie die Islamische Republik versucht, ihre Reihen wieder zu schließen.

So ist für Samstag die pompöse Beisetzung der von Israel getöteten hochrangigen Militärs und Wissenschaftler geplant. Zugleich trotzt Teheran der internationalen Gemeinschaft mit der Ankündigung, die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) auszusetzen und eine „neue Vision“ für das Atomprogramm zu entwickeln. Am Donnerstag wurde Hussein Salami, dem getöteten Chef der Revolutionsgarden in einer streng kontrollierten Zeremonie „die letzte Ehre erwiesen“.

Während Ayatollah Chamenei der „großen iranischen Nation“ am selben Donnerstag zu ihrem angeblichen „Sieg“ über das „zionistische Regime“ und Amerika gratulierte, herrscht im Land vielerorts ein Gefühl der Enttäuschung. „Die Regierung, die allein für diese Angriffe verantwortlich ist, weil sie das Atomprogramm vorangetrieben hat, hat nichts getan, um uns zu schützen: keine Luftschutzbunker, keine Sirenen, keine Warnmeldungen auf unseren Handys. Auf der anderen Seite haben Israel und Washington uns bombardiert und uns die Möglichkeit eines Regimewechsels vorgegaukelt. Dann haben sie uns fallen lassen und den letzten Überlebenden der Macht zum Fraß vorgeworfen“, sagt ein iranischer Aktivist.

Unterdessen häufen sich die Fragen zum Ausmaß der Zerstörung des Atomprogramms. Ist es endgültig vernichtet oder nur für einige Jahre verzögert? „Man hört alles Mögliche“, sagt Leyla*, eine unabhängige Journalistin in Teheran. Während sie zwischen mehreren VPNs hin- und herwechselt, um eine sichere Online-Verbindung aufrechtzuerhalten, versuchen die Behörden, ihr eigenes Internet namens „Sefid“ („Weißes Internet“) durchzusetzen.

Mit diesem können Nutzer kontrolliert und abweichende Stimmen bestraft werden. „Die Islamische Republik will ihr Monopol auf die Berichterstattung über diesen Krieg behaupten, sowohl für die Toten als auch für die Lebenden“, beklagt Leyla*.

Am Dienstag hatten Journalisten erstmals Zugang zu einem von einem israelischen Angriff getroffenen Gebäude in Teheran. Bis dahin hatten die Behörden jeglichen Zugang zu den bombardierten Orten gesperrt. „Vor einer Woche wurde einer meiner Kollegen sogar gewaltsam festgenommen, weil er versucht hatte, ins Krankenhaus zu gelangen, um Verletzte zu interviewen“, berichtet Leyla. Die Familien der Opfer weigern sich jedoch, sich der Pflicht zum Schweigen zu beugen.

In einer auf Instagram veröffentlichten Nachricht bringt der Schriftsteller Reza Khandan Mahabadi seine Wut über den Tod seiner Ex-Frau, der Malerin Mehrangiz Imanpour, zum Ausdruck. Sie kam in ihrem Haus bei dem israelischen Angriff auf das nahe gelegene Evin-Gefängnis am Montag ums Leben, bei dem auch mehrere Häftlinge starben.

Mahabadi schreibt: „Sie war die Schönheit im Leben meiner beiden Kinder. Der Krieg zwischen zwei rückständigen und kriegstreiberischen Regimes hat ihnen die Schönheit ihres Lebens genommen. In diesem Land haben hässliche Menschen so viele ‚Mehrangiz‘, so viel Schönheit geopfert, um den Thron ihrer abscheulichen Macht zu festigen.“

Die Zahl der zivilen und militärischen Opfer der Operation „Rising Lion“ bleibt unklar. Das Regime fordert unterdessen von den iranischen Medien, keine „Falschinformationen“ zu verbreiten. Das Gesundheitsministerium gibt die Zahl mit 610 an, Menschenrechtsorganisationen sprechen von fast tausend Toten. Die Identifizierung der tatsächlichen Funktionen der Opfer erschwert die Aufgabe zusätzlich.

Laut der Nachrichtenagentur Fars erfuhr die Frau von Dschawad Purradschabi, einem der Kommandeure der Luft- und Raumfahrtdivision der Revolutionsgarden, erst nach dessen Tod von dessen tatsächlichem Beruf. Sie hatte ihn für einen einfachen „Teekellner“ gehalten. „Seine Frau wusste nicht, dass er Kommandeur war, aber der Mossad wusste es“, sagt eine Journalistin mit bitterer Ironie.

* Die Vornamen der Gesprächspartner wurden zu deren Sicherheit geändert.

Dieser Text erschien zuerst in der französischen Zeitung „Le Figaro“, wie WELT Mitglied der Leading European Newspaper Alliance (Lena). Übersetzt und redaktionell bearbeitet von Klaus Geiger.

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