Kanzler Merz und Vize Klingbeil suchen Kohle für den Bundeshaushalt, bekommen aber kaum Hilfe aus dem Kabinett. Ihnen fehlen die zwei G - Geld und Glaubwürdigkeit.
50 Tage ist sie nun im Amt, unsere neue Vorzeige-Regierung um Zukunftskanzler Friedrich Merz. 50 Tage Staatschef - oder wie Donald Trump sagen würde: "4297 erfolgreiche Deals gemacht! Mehr als alle Präsidenten zuvor zusammen! Wo ist mein Nobelpreis?" Nun ist Merz zwar formaldemokratisch sowas wie der deutsche Trump, operiert rhetorisch jedoch überwiegend auf bescheidenerem Selbstglorifizierungsniveau. Schaut man allerdings genauer hin, beispielsweise in die einschlägige Begleitpresse, wirkt das eine oder andere Erstfazit nach 1200 Stunden Merz an der Spitze der Bundesrepublik teilweise noch weniger euphorisch als die Reaktion von Wladimir Putin auf Ralf Stegners Exmatrikulation aus dem Geheimdienst-Gremium.
Widmet man sich nämlich aktuellen Fachkommentaren zum Kabinett Merz und der Performance seines Namensgebers, dann wird klar: Einige journalistisch hochqualitativ ausgerichtete Redaktionen und die "Bild"-Zeitung sind noch nicht bereit, Merz und seiner Minister-Rasselbande das Prädikat "exzellent" zu verleihen. Mal wieder "Temptation Island" im Regierungsviertel also: ständig schlechte Stimmung, dauernd wird fruchtlos diskutiert, niemand weiß genau, wem man trauen kann, und am Ende sind die Zuschauer genervt. Die einzigen Unterschiede zwischen Reichstag und Strandvilla: Statt Lola Weippert moderiert Sandra Maischberger und die Quote der Protagonisten mit Anschlussverwendung beim "Dschungelcamp" ist in der Regierungsviertel-Version signifikant geringer. Obwohl: Rein phänotypisch sind sie leichter auseinanderzuhalten. In der regierungsfreien Variante werden ausschließlich Bikinis getragen, während sich die Nation nur sehr unregelmäßig vorstellt, wie Alexander Dobrindt oder Alois Rainer wohl in lasziver Bademode aussehen.
Kann Klingbeil das Stromsteuer rumreißen?
Woran liegt es also, dass die Chance, die 25. Regierung der Bundesrepublik könne als die bislang beste in die Geschichtsbücher eingehen, dünner ist als das Haupthaar von Friedrich Merz? Nun, wie sehr häufig, sobald es für Staatsdiener keine Lorbeeren, sondern nur halblustige, aber dafür von Ahnungslosigkeit geprägte Kommentare wie diesen hier hagelt, geht es um die zwei großen "G". Aha, denkt man da bei der FDP: Genscher und Gasheizung. Aber wie so oft, liegen die Freien Demokraten falsch. Die korrekte Antwort lautet: Geld und Glaubwürdigkeit.
Die, also Glaubwürdigkeit, hat Team Merz aktuell deutlicher verspielt als Schalke 04 die Option, in der kommenden Saison die Meisterschaft einzufahren. Das liegt am Schuldenbremsen-Rückwärtssalto von Vorturner Merz, vor allem aber an gebrochenen Koalitionsvertrags-Versprechen. Solchen wie Absenkung der Stromsteuer. Die war angekündigt, um die finanziell gebeutelte Gesellschaft bei der Kompensation der CO2-Preise zu unterstützen. Unterdessen wird klar: Besagte Absenkung kommt lediglich für das produzierende Gewerbe und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft. Mit anderen Worten: Wer nicht zufällig Inhaber einer Firma ist, die sich mit Herstellung von Gütern, der Verarbeitung von Rohstoffen beschäftigt oder einen Wald bewirtschaftet, geht leer aus. Folgerichtig glauben Verbraucher und kleine Unternehmen, sie stünden in selbigem. Also: im Wald.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche bot dem verärgerten Wähler dafür zumindest eine Erklärung an, konnte mit "Hier trifft Koalitionsvertrag auf Wirklichkeit" die Gemüter jedoch nicht flächendeckend beruhigen. Ich nehme an, das liegt daran, dass viele CDU-Sympathisanten sich noch an Zeiten erinnern, in denen man von Politikern erwartete, sie würden sich über die finanziellen Rahmenbedingungen ihres Haushalts informieren, bevor sie Steuergeschenke versprechen. Aber ich bin da natürlich keine Expertin.
Tristesse auf dem Festgeldkonto
Stellt sich also die Frage, wer das koalitionsintern zu verantworten hat. Karin Prien, Ministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wird die angekündigten Budgets für Stromsteuersenkungen vermutlich nicht zurückhalten. Zumal es schön wäre, wenn zur Abwechslung auch mal Familien, Senioren, Frauen und Jugend Profiteure von Steuersenkungen wären. Denn neben Strom ist ja alles andere auch teurer geworden. Diese Kolumne zum Beispiel. Okay, sie ist kostenlos - aber vor zehn Jahren hätte RTL noch jedem einen Zehner mitgegeben, der sich freiwillig durch diese Zeilen quält. Danke, Merkel!
Nein, der politikergewordene Entlastungshemmer ist nicht Prien, sondern selbstverständlich der Finanzminister: Lars Klingbeil. Oberster Budgetbeauftragter, Vizekanzler und Esken-Rasierer. Der Mann mit der Lizenz zum Löten. Am Bundeshaushalt. Und da lassen seine Koalitionskollegen ihn eiskalt im Regen stehen. Insbesondere das Gesundheitsministerium. Dort stagniert man weiterhin auf nicht sehr Warken-mutigem Niveau, was Ambitionen angeht, alle Informationen zum viel diskutierten Gutachten über Jens Spahns Maskendeals preiszugeben. Die bislang veröffentlichten Dokumente sind an so vielen Stellen geschwärzt, mit den unlesbaren Seiten hätten Christo und Jeanne-Claude mühelos den Nordamerikanischen Kontinent verhüllen können. Dreimal. Da fragt man sich natürlich, was Brisantes in den Dokumenten zu finden sei, das so konsequent verheimlicht werden muss? Nuklearcodes werden es wohl nicht sein. Es bleibt also dubios, warum Spahn konsequenzbefreit Milliarden verbrennen durfte. Geld, das Klingbeil gut gebrauchen könnte.
Endlich emanzipiert: Johann Wadephul
Der einzige hochrangige Regierungsbeamte, der dieser Tage aktiv zur Auffüllung der Staatskasse beiträgt, ist ausgerechnet Außenminister Johann Wadephul. Ein dringend nötiges Comeback, nachdem es zuletzt aus vielen Richtungen (einschließlich aus der seiner eigenen Partei) Gerüchte gab, er hätte seine Reden, Konzepte und Maßnahmenkataloge im Ministeriums-Nachlass seiner Vorgängerin gefunden. Nun aber streicht er die Förderung privater Seenotrettung, welche unter Völkerrechtlerin Annalena Baerbock noch großgeschrieben wurde. Könnte das eine taktische Konzessionsentscheidung sein, weil er zuletzt für seine Israel-Statements zu überschwänglich von Grünen und Linken gelovebombed wurde?
Der fehlende Elan, signifikant Ausgaben zu reduzieren, hinterlässt vielerorts verbrannte Erde. Die erhöhte Mütterrente zum Beispiel kann nun erst ab 2028 ausgezahlt werden. Ich persönlich würde ja, wenn ich als Selbstständige mit etwa 88 Jahren irgendwann in Rente gehen kann, lieber Geld als Mütter bekommen, aber insbesondere für Markus Söder war die Mütterrente eine Herzensangelegenheit. Und alles, was aus Bayern kommt, ist sympathisch. Außer jetzt halt Fußballklubs, Volksfeste und Flugblätter von Hubert Aiwanger.
Donald Trump und die Fünf-Prozent-Hürde
Aber auch im Verkehrsministerium herrscht eine lange Tradition kongenialer Etatvernichtung. Zuletzt musste sogar das Tempolimit ad acta gelegt werden. Kein Geld für Schilder. Jetzt sollen unter Wissing-Nachfolger Patrick Schnieder plötzlich Tausende Brücken saniert werden. Das ist zwar sinnvoll, um eine Einsturz-Epidemie abzuwenden, bei der früher oder später jede Gemeinde ihr eigenes Carolabrücken-Drama erleben würde, aber gleichzeitig auch deutlich teurer als ein paar hundert "Tempo 100"-Schilder.
Das wird Lars Klingbeil nicht gefallen. Er muss ja schon irgendwie den Personalmangel drüben im Verteidigungsministerium finanzieren. Wobei Mastermind Merz da persönlich einen Vorschlag hat, der sich budgetsparend auswirken würde: Firmen sollen Mitarbeiter für Wehrdienst abstellen. Genial. Jeder Arbeitnehmer steht gerne vor der berühmten K-Frage: Konferenzraum oder Kaserne? Gut, wer mal bei Burger King gearbeitet hat, wird keinen spürbaren Unterschied bemerken, aber für viele wäre es ein Kulturschock, direkt aus der Zoom-Konferenz plötzlich im Schützengraben zu landen. Andererseits wären Anrufe wie dieser eine sehenswerte Bereicherung der Marktwirtschaft: "Chef, ich kann heute nicht, dem Pistorius ist ein Eurofighter-Pilot krank geworden!"
Und wo wir schon im Verteidigungssektor sind: Diese Woche hat der eingangs bereits gewürdigte US-Präsident seiner langjährigen Deal-Historie einen weiteren hinzugefügt und alle NATO-Staaten zu einer historisch einzigartigen Mammut-Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben erpresst. Äh, sorry: überzeugt. Auf jährlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ab 2035. Für Dispo-Surfer Klingbeil bedeutet das: Der Rüstungsetat wird mehr als verdoppelt, denn Deutschland investiert aktuell nur bescheidene 2,12 Prozent (weniger als der NATO-Schnitt, der bei 2,71 Prozent liegt). Und selbst das ist bereits umstritten. Fragt man nämlich die geopolitischen Jahrhunderttalente Sahra Wagenknecht oder Heidi Reichinnek und ihren Anhang Westberliner Salon-Pazifisten, könnte Deutschland das Verteidigungsministerium im Prinzip abschaffen. Sie wissen schon: Frieden schaffen ohne Waffen und so. Das wird ein heißer Sommer in den False-Balance-Talkshows des ÖRR. Aber keine Angst - ich bleibe für Sie dran!
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