CDU-Politiker Henning Otte, 56, ist seit Mai dieses Jahres Wehrbeauftragter des Bundestags – als erster CDU-Politiker seit 1990. Von 2005 bis 2025 war der Reserve-Offizier Abgeordneter, darunter von 2014 bis 2021 als verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

POLITICO: Herr Otte, wann zahlt Deutschland fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung?

Henning Otte: Ja, die Nato-Anforderungen sind gegeben. 3,5 Prozent für Militär und 1,5 Prozent für notwendige Infrastruktur, auch fürs Militär. Und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat bekannt gegeben, dass Deutschland bis 2029 dieses Ziel erreichen will. Das ist gut.

POLITICO: Und das gelingt?

Otte: Das muss gelingen. Wir müssen unsere Verpflichtungen erfüllen. Und es liegt im Interesse Deutschlands im Herzen Europas, als verlässlicher Nato-Partner das auch zu erfüllen.

POLITICO: Wo fehlt es bei der Bundeswehr am meisten?

Otte: Beim Personal. Personalgewinnung und Personalbindung muss im Mittelpunkt stehen der Aktivitäten – nicht immer mehr auf die Schultern zu packen, sondern die Schultern breiter zu machen. Das heißt, die Soldatinnen und Soldaten brauchen mehr Kameradinnen und Kameraden an der Seite.

POLITICO: Und ist das auch eine Finanzfrage? Muss man denen mehr bezahlen?

Otte: Ja, Anerkennung ist die wichtigste Währung, aber das allein hilft nicht, sondern der Beruf des Soldaten und der Soldatin muss so attraktiv sein, dass im freien Markt der Personalfindung hier Ziele erreicht werden. Das heißt, ich glaube schon, dass der Sold angepasst werden muss.

POLITICO: Geben Sie mal eine Hausnummer – zehn Prozent mehr?

Otte: Das will ich so nicht sagen. Vielleicht müssen wir auch nach Fähigkeiten gucken oder dort, wo Defizite sind bei den Fähigkeiten. Es geht darum, deutlich zu machen: Der Beruf des Soldaten, das ist ein attraktiver Beruf, der gut bezahlt ist und wo die Familie gut abgesichert ist.

POLITICO: Das heißt, wenn man mehr bezahlt, dann kommt man um die Wehrpflicht herum?

Otte: Das würde ich so nicht sagen. Es ist wichtig, mehr zu bezahlen, aber es geht auch darum, Menschen zu gewinnen, etwas für unser Land zu tun. Wenn das freiwillig nicht reicht, dann müssen die verpflichtenden Elemente im Gesetz erhöht werden. Der Minister hat zugesagt, dass er dafür Vorsorge trifft. Das ist richtig und notwendig.

POLITICO: Was muss denn noch passieren, damit die Bundeswehr attraktiver wird? Glauben Sie, dass man diese 60.000 zusätzlichen Soldaten überhaupt bekommen kann?

Otte: Das muss erreicht werden, damit die Abschreckung erhöht wird, die Verteidigungsfähigkeit abgebildet wird. Wir brauchen dafür verbesserte Infrastruktur. Das ist ganz wichtig. Also es geht darum, das wirklich in den Mittelpunkt dieser Legislaturperiode zu stellen, denn es geht darum, die Verteidigungsfähigkeit abzubilden.

POLITICO: Glauben Sie, die SPD muss sich bewegen bei der Wehrpflicht?

Otte: Ich denke ja. Der Bundesparteitag wird zeigen, wie weit hier die Einsicht ist. Es geht darum, die verpflichtenden Elemente stärker einzubringen, wenn Freiwilligkeit nicht ausreicht. Am Ende müssen die Erwartungen erfüllt werden bei den Soldaten und auch bei den Nato-Partnern.

POLITICO: Kann es eigentlich sein, dass der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gar nicht so erfolgreich ist, wie er sich gerne darstellt? Denn so viel ist ja gar nicht passiert bei der Bundeswehr. Kaum Personal dazu gewonnen, Fähigkeiten fehlen nach wie vor. Nur die Rhetorik ist gut.

Otte: Letzte Legislaturperiode war erste Halbzeit. Diese Legislaturperiode ist zweite Halbzeit, und eine dritte gibt es nicht. Das heißt, nach Ende der zweiten Halbzeit muss geliefert werden.

POLITICO: Jetzt haben Sie die Frage nicht beantwortet.

Otte: Doch, habe ich. Wir werden den Minister daran messen, ob er die Erwartungen jetzt erfüllt. Sein Auftragsbuch ist groß. Er hat viel angenommen, und die Soldatinnen und Soldaten brauchen alles an Unterstützung, um das auch leisten zu können.

Gordon Repinski ist Executive Editor POLITICO Deutschland.

Das Interview stammt aus dem „Berlin Playbook“-Podcast. Das „Berlin Playbook“ finden Sie hier.

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