Mit dem Eintritt in den israelisch-iranischen Krieg hat US-Präsident Donald Trump die AfD kalt erwischt. Der Partei fällt es erkennbar schwer, sich neu zu sortieren.
Was die Außenpolitik betrifft, wirkt die AfD-Spitze gerade wie paralysiert. Am späten Sonntagnachmittag, nachdem sich alles, was in Deutschland irgendwie Politik macht, zum US-Schlag gegen den Iran geäußert hatte, meldeten sich auch die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. Die Pressemitteilung, die sich wie das Bulletin eines diplomatischen Dienstes las, war so kurz, dass sie hier zitiert werden kann.
"Die Angriffe auf den Iran dürfen nicht bis zu einem bitteren Ende weitergeführt werden", hieß es. "Friede durch ehrliche Diplomatie auf allen Seiten ist das, was auch US-Vizepräsident Vance unterstützt." Europa müsse dabei "den Weg der Vermittlung weitergehen", um im Interesse seiner Bürger eine Eskalation in der Golfregion zu stoppen.
Was fehlte, war der Name jenes Mannes, der seit der Nacht zum Sonntag endgültig im Zentrum des Geschehens steht und zuletzt in der AfD-Führung als Ikone galt: US-Präsident Donald Trump. Er wurde im Unterschied zu seinem Stellvertreter JD Vance nicht erwähnt.
Die AfD und ihr Image als "Friedenspartei"
Die drei fast schon hilflos wirkenden Sätze illustrieren das peinliche Dilemma, in dem sich die AfD als selbsternannte "Friedenspartei" manövriert hat: Der Nahost-Konflikt legt endgültig die sicherheits- und außenpolitische Orientierungslosigkeit der AfD bloß.
Stritt die Partei bislang vor allem über die Aufrüstung der Bundeswehr und die Wehrpflicht, wobei die Vorsitzenden (Weidel dafür, Chrupalla dagegen) gegensätzliche Positionen vertraten, wird die Partei von ihrer uneingeschränkten Solidarität gegenüber Trump und der MAGA-Bewegung eingeholt. Denn nachdem die AfD-Spitze über viele Jahre den insbesondere in Ostdeutschland grassierenden Antiamerikanismus bedient hatte, hatte sie mit der Wiederwahl Trumps radikal umgesteuert. Die neue US-Administration wurde euphorisch begrüßt und ausdauernd belobigt.
Die beiden AfD-Vorsitzenden wetteiferten geradezu um die symbolträchtigsten Demutsgesten. Nachdem Chrupalla zur Amtseinführung Trumps nach Washington D.C. gereist war und fleißig Selfies postete, freundete sich Weidel öffentlichkeitswirksam mit Elon Musk an. Die Parteichefin wurde von dem Milliardär auf dessen sozialen Kanal X "interviewt" - doch die Sympathien waren auf beiden Seiten nicht zu übersehen. Wenig später wurde Musk sogar live auf einer großen AfD-Wahlkampfveranstaltung zugeschaltet.
Am rechtesten Rand der Partei hingegen wurde die neue Liebe zu Amerika kritisch betrachtet: Vor allem Björn Höcke hielt erkennbar Abstand zu Trump. Zuletzt rief er auf einem AfD-Sommerfest im thüringischen Greiz, dass es "seit 100 Jahren" ein Ziel amerikanischer Außenpolitik sei, "die Annäherung zwischen Deutschland und Russland zu verhindern". Dabei sei Moskau der "natürliche Partner" der Bundesrepublik.
Chrupalla verurteilt Israels Angriff
Chrupalla bewegt sich seit der Bombardierung Irans wieder klar in Richtung Höcke. "Ans Pulverfass Naher Osten ist Lunte gelegt", schrieb er auf X. "Ich verurteile die Angriffe und rufe die Beteiligten zur Mäßigung auf!"
Weidel-Intimus Markus Frohnmaier, inzwischen außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, sagte dem Portal "Politico", dass Israel "jedes Recht" habe, "dafür zu sorgen, dass die staatliche Existenz nicht bedroht wird".
Es folgte ein erstes gemeinsames Bulletin von Chrupalla mit Weidel, in der als kleinster gemeinsamer Nenner die "Drecksarbeit"-Aussage von CDU-Kanzler Friedrich Merz kritisiert wurde. Mehr Konsens war nicht drin. Selbst in der Fraktionsspitze wunderten sich manche, wie es sein könne, sich in so einer historischen Situation allein an der Wortwahl des Regierungschefs abzuarbeiten.
Anschließend meldete sich noch AfD-Querulant Maximilian Krah zu Wort. "I stand with Trump!", teilte der etwa. "Die globalen Veränderungen, die Trump bringt, sind per Saldo positiv." Das sollten auch jene einräumen, die den Luftschlag auf den Iran kritisieren. Es gebe "keine sinnvolle Alternative zu Trump".
Der außenpolitische Arbeitskreis der AfD sah sich deshalb am Montag genötigt, eine "Positionierung" zu veröffentlichen, die aber eher ein Formelkompromiss ist. In dem Papier wird einerseits das Existenzrecht Israels und die potenzielle Gefährdung des jüdischen Staates durch eine iranische Atombombe betont. Gleichzeitig solle Israel Belege dafür vorlegen, dass die Bedrohung real sei und der Iran seine Nuklearanlagen für unabhängige Experten öffnen soll.
Was allerdings fehlt, ist jeglicher Verweis auf Trump oder die in den Krieg eingetretene USA. Der US-Präsident ist nun in der AfD der Mann, dessen Name nicht genannt werden darf.
Alice Weidel in den Schweizer Bergen
Der Unmut wächst vor allem bei jenen in der AfD, die Israel und den USA näherstehen. "Weidel setzt sich für ihre Überzeugungen nicht ein, ist zu viel in den Schweizer Bergen", sagte ein führendes Mitglied der Bundestagsfraktion dem "Stern". Im Ergebnis setze sich Chrupalla mit seiner Tonalität eines sächsischen Kreisvorsitzenden durch, obwohl er dafür keine Mehrheit habe.
Ganz ähnlich klingt die Analyse eines anderen AfD-Bundestagsabgeordneten, der nicht genannt werden will. Chrupalla wolle offenbar jetzt Pflöcke einrammen. Weidel hingegen zeige sich weniger engagiert. Dabei speise sich der "Friedensaktivismus" Chrupallas und anderer nicht einmal so sehr aus einem überzeugten Pazifismus, sondern aus der Parteinahme für Moskau. "Sie schreien jetzt bei Israels Angriff, dass er völkerrechtswidrig sei", sagte der Abgeordnete dem "Stern". "Bei Russland war man da sehr zurückhaltend."
Ob Weidel mit Chrupalla vor der Sitzung der Bundestagsfraktion an diesem Dienstag - so wie üblich - für ein Statement vor die Kameras treten, war am Montagnachmittag noch nicht gewiss. Es sei alles sehr eng getaktet, sagte ein Sprecher der Fraktion. Hauptaufgabe der beiden dürfte sein: sich nicht gegenseitig widersprechen.
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