Die USA halten sich die Option eines Eingreifens im Iran offen – wollen aber zunächst abwarten. Israels Außenminister lässt im Interview mit dem Axel Springer Global Reporters Network, zu dem auch WELT gehört, keinen Zweifel daran, dass die Strategie seines Landes eine andere ist.
WELT: Herr Minister, US-Präsident Trump hat angekündigt, dass er innerhalb der nächsten zwei Wochen entscheiden wird, ob er sich dem Krieg anschließt und den Iran angreifen wird. Hat Sie diese Entscheidung oder Ankündigung überrascht?
Gideon Saar: Amerika wird seine eigenen Entscheidungen treffen. Präsident Trump wird seine Entscheidungen treffen. Ich bin sicher, er wird das Beste für Amerika tun. Präsident Trump und die USA haben Israel bereits erheblich in der Verteidigung unterstützt. Dafür sind wir dankbar. Was auch immer sie entscheiden – sie werden entsprechend ihrer amerikanischen Interessen entscheiden. Wir befinden uns mitten in einer Kampagne, die bereits seit einer Woche läuft. Ich denke, sie ist erfolgreich. Ich denke, wir haben viel erreicht. Und wir werden unser Möglichstes tun, um diese Bedrohung zu beseitigen – diese doppelte existenzielle Bedrohung: die nukleare Bedrohung und die Bedrohung durch ballistische Raketen. Denn das ist unser Weg, um sicherzustellen, dass unsere Existenz hier über Generationen hinweg gesichert ist, da sie – laut iranischen Erklärungen und Taten – klar bedroht war.
WELT: Aber wie wichtig wäre es für Israel, für das Militär, dass die USA sich dieser Kampagne anschließen? Wir sprechen über Angriffe auf die unterirdische Atomanlage Fordo.
Saar: Darüber werde ich nicht spekulieren. Es ist eine amerikanische Entscheidung, die vom Präsidenten der Vereinigten Staaten entsprechend amerikanischer Interessen getroffen wird. Das sind ihre Interessen. Das sind ihre Entscheidungen.
WELT: Donald Trump sieht eine Chance auf Diplomatie. Sehen Sie diese auch?
Saar: Offen gesagt glaube ich nicht besonders an Diplomatie mit dem Iran. Alle diplomatischen Bemühungen bisher waren nicht erfolgreich. Die Kluft war groß zwischen der amerikanischen Vorstellung eines möglichen Deals und dem, was das iranische Regime bereit war zu bieten. Sie nutzen diese Gespräche in der Regel, um zu täuschen und um Zeit zu gewinnen – und ich glaube nicht, dass sie ihr Wesen verändert haben.
WELT: Wie erklären Sie dann, dass Trump wieder hoffnungsvoll ist? Das hat er gestern gesagt, und auch die Europäer zeigen sich hoffnungsvoll.
Saar: Ich bin mir nicht sicher, ob Ihre Interpretation korrekt ist, aber das ist nicht meine Aufgabe. Es ist in Ordnung, wenn er so handelt, wie er es für richtig hält. Und das gilt auch für andere Länder. Wir müssen tun, was wir tun müssen, um sicherzustellen, dass unser Land sicher ist – und nicht von der Auslöschung bedroht. Kein anderes Land der Welt würde es akzeptieren, dass ein Staat, der offen erklärt, uns vernichten zu wollen, die Mittel dazu erhält. Das wird nicht passieren.
WELT: Heute findet in Genf ein Treffen mit dem iranischen Außenminister und dem deutschen Außenminister und anderen statt. Hat man versucht, Sie zu überzeugen, an diesem Treffen teilzunehmen?
Saar: Nein, hat man nicht. Ich werde vielleicht später am Tag noch mit meinem Freund Johann (Wadephul; Anm. d. Red.) sprechen. Ich habe bereits mit dem französischen Außenminister gesprochen, einfach um Sichtweisen auszutauschen. Aber wie ich schon sagte: Ich bin skeptisch, was die Bereitschaft Irans angeht, wirklich auf die Bedenken und Erwartungen der internationalen Gemeinschaft einzugehen und das Nuklearprogramm aufzugeben, das die Welt gefährdet und Israel existenziell bedroht.
WELT: Würden Sie mit dem iranischen Außenminister an einem Tisch sitzen?
Saar: Ich möchte Ihnen etwas sagen. Wir haben nichts gegen das iranische Volk. Wir hatten großartige Beziehungen zum Iran – bis 1979. Sie haben ihre Meinung nach der Islamischen Revolution geändert und kamen mit dieser Vorstellung, uns zu vernichten. Seitdem handeln sie gegen Israel – mit Terrorismus, mit ihren Terror-Stellvertretern wie Hisbollah, Hamas oder den Huthis, mit direkten Angriffen wie im vergangenen Jahr mit Hunderten Raketen und Drohnen – und natürlich mit dem Versuch, eine Atombombe zu erlangen.
WELT: Was müsste das iranische Regime für eine ausgehandelte Friedenslösung tun? Gibt es etwas, das sie tun könnten?
Saar: Wir führen keine Verhandlungen mit dem Iran. Andere verhandeln. Präsident Trump hat es mit zwei Worten beschrieben: bedingungslose Kapitulation.
WELT: Das hat er vor ein paar Tagen gesagt. Jetzt sagte er, er habe Hoffnung auf eine diplomatische Lösung.
Saar: Aber ich glaube, der Inhalt ist derselbe. Die Frage ist, ob sie schließlich zustimmen, die Urananreicherung im Iran aufzugeben. Bis jetzt – soweit ich verstehe – haben sie ihre Meinung nicht geändert. Diplomatie ist kein Zauberwort, um Positionen von Staaten reinzuwaschen. Ich habe bisher kein konkretes Angebot von den Iranern gesehen, das zeigt, dass sie ihre Meinung geändert haben. Derzeit kooperieren sie nicht einmal mit der Internationalen Atomaufsichtsbehörde (IAEA). Die Inspektion funktioniert derzeit nicht. Sie weigern sich, mit Grossi (Rafael Grossi, Generaldirektor der IAEA, Anm. d. Red.) zu sprechen. Sie sagen: „Nun, wir haben einen Plan. Vielleicht eröffnen wir eine neue Anreicherungsanlage.“ Sie entsprechen also nicht den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft, wie in der IAEA-Entscheidung gezeigt wurde, die sie als nicht konform mit dem Nuklearprogramm einstuft.
WELT: Europa und die USA drängen derzeit auf eine diplomatische Lösung. Wenn die USA sagen würden: „Hier müssen wir verhandeln, wir werden uns nicht an der Kampagne beteiligen, wir werden den Iran nicht bombardieren.“ Wenn Trump das entscheidet – wie würde Israel vorgehen? Was wäre Ihre Antwort?
Saar: Normalerweise spekuliere ich nicht oder beantworte theoretische Szenarien, aber ich werde antworten: Wir werden jede amerikanische Entscheidung respektieren. Es liegt an Amerika, zu entscheiden, wie es seine nationalen Sicherheitsinteressen umsetzt, und wir tun dasselbe als souveräner Staat.
WELT: Haben Sie oder hat Ihre Armee die Fähigkeit, die Anlagen zu zerstören?
Saar: Ich kann Ihnen sagen, dass das, was wir bisher getan haben, bereits sehr bedeutend war. Laut den Einschätzungen, die wir hören, haben wir die Möglichkeit für den Iran, eine Atombombe zu erlangen, bereits um mindestens zwei oder drei Jahre verzögert. Die Tatsache, dass wir jene Personen ausgeschaltet haben, die die nukleare Bewaffnung geleitet und vorangetrieben haben, ist äußerst wichtig im Hinblick auf die Ergebnisse. Wir haben also bereits viel erreicht – aber wir werden tun, was auch immer wir können. Wir werden nicht aufhören, bis wir alles getan haben, was möglich ist, um diese Bedrohung zu beseitigen.
WELT: Es wird über Spezialbomben und spezielle Flugzeuge gesprochen, die Sie von den USA brauchen, um Fordo zu bombardieren. Könnten Sie Fordo auch ohne die USA zerstören?
Saar: Ich werde keine operative Analyse abgeben. Ich werde keine Ziele oder Objekte analysieren, die wir im Iran haben. Das Wichtigste ist, zu verstehen, dass wir alles tun werden, was wir können, um die Bedrohung – die nukleare Bedrohung und das Raketenprogramm – zu beseitigen.
WELT: Es gab gestern schwere Angriffe von iranischer Seite, heute Morgen erneut. Und es gibt die Diskussion, dass Ihnen die Abwehrsysteme ausgehen – dass Sie Probleme haben, weiterhin gegen ballistische Raketen aus dem Iran vorzugehen. Brauchen Sie mehr aus dem Ausland?
Saar: Zunächst einmal – wie gesagt – ist das nichts, was man normalerweise im Fernsehen bespricht, aber ich denke, die Tatsache, dass wir unsere Operation fortsetzen, spricht für sich.
WELT: Wie lange können Sie diese Operation fortsetzen?
Saar: Sie werden es sehen.
WELT: Gibt es ein Limit?
Saar: Das Limit ist, unsere Ziele zu erreichen. Wir werden Maßnahmen ergreifen, bis wir die Mission, wie wir sie definiert haben, vollständig abgeschlossen haben.
WELT: Von außen ist nicht ganz klar, was das Ziel, was die Mission eigentlich ist. Ihr Verteidigungsminister hat gestern damit gedroht, Ajatollah Ali Chamenei zu töten, und sprach auch von einem Regimewechsel. Ihr Präsident sagte hingegen, das sei nicht das Ziel.
Saar: Ich habe es schon oft gesagt und wiederhole es: Das Sicherheitskabinett hat bislang keinen Regimewechsel als Ziel in diesem Krieg definiert. Zumindest bisher nicht.
WELT: Was ist mit Chamenei? Ist er ein Ziel?
Saar: Wir sprechen nie im Voraus darüber, was wir tun werden.
WELT: Das stimmt nicht. Ihr Verteidigungsminister hat offen darüber gesprochen und damit gedroht, ihn zu töten.
Saar: Dann sollten Sie den Verteidigungsminister interviewen und ihn fragen. Ich mache das nie.
WELT: Sprechen wir über Deutschland: Der deutsche Kanzler hat klar Stellung bezogen und gesagt, dass Sie die „Drecksarbeit“ für den Westen machen. Welche Art von Unterstützung brauchen Sie von Deutschland und Europa, um diese sogenannte „Drecksarbeit“ zu leisten?
Saar: Zunächst einmal schätze ich die Aussagen des deutschen Kanzlers Friedrich Merz sehr. Ich denke, er hat Führungsstärke bewiesen mit einer echten Analyse der Situation und der Gefahren, die vom Iran für die Welt und die internationale Gemeinschaft ausgehen. Und er hat auch die historisch wichtige Rolle Israels in diesem Zusammenhang anerkannt. Natürlich brauchen wir in erster Linie politische Unterstützung – und Deutschland gehört dabei zu unseren Freunden in der internationalen Gemeinschaft und in Europa. Ich war vor Kurzem in Deutschland. Es war ein sehr erfolgreicher Besuch. Und natürlich erwarten wir – und das ist bisher auch die deutsche Position – dass man uns die Munition, die Waffen liefert, die wir brauchen, um uns selbst zu verteidigen. Und Deutschland tut das.
WELT: Gleichzeitig gibt es aber auch heftige Kritik in Deutschland, in den USA, überall, dass das, was Sie im Iran tun, gegen das Völkerrecht verstoße – und dass dabei viele Zivilisten im Iran sterben...
Saar: Erstens: Es verstößt nicht gegen das Völkerrecht. Sich selbst zu verteidigen gegen jemanden, der mit der Vernichtung droht und entsprechend handelt, ist kein Verstoß gegen internationales Recht. Und zweitens: Wir tun unser Möglichstes, um zivile Opfer zu minimieren. Wenn wir ein Ziel in einem bestimmten Viertel haben, kündigen wir das vorher an, damit die Bevölkerung sich selbst evakuieren und schützen kann. Der Iran hingegen nimmt gezielt und absichtlich die Zivilbevölkerung ins Visier – das sehen wir jeden Tag. Alle Opfer auf unserer Seite bisher waren Zivilisten, ausnahmslos. Und gestern haben wir es im Soroka-Krankenhaus in Beerscheba gesehen – es ist unglaublich, dass sie ein ziviles Krankenhaus angreifen. Aber genau das tun sie.
WELT: Wie groß ist die Bedrohung für Juden, die derzeit in Europa, in Deutschland leben – wegen der aktuellen Lage? Es gab Warnungen.
Saar: Wir wissen, dass der Iran schon lange – und wahrscheinlich heute mehr denn je – versucht, Juden und Israelis in Europa anzugreifen. Also tun wir unser Möglichstes, um unsere Botschaften, unsere Leute dort zu schützen. Aber ich möchte auch betonen, dass die europäischen Länder eine sehr wichtige Rolle beim Schutz der Juden, beim Schutz der Israelis dort haben – und wir erwarten, dass sie ihr Möglichstes tun, um das zu gewährleisten.
Paul Ronzheimer ist stellvertretender BILD-Chefredakteur und Mitglied des Axel Springer Global Reporters Network.
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