So konstruiert wie vor dem Irak-Krieg 2003 sind die Gründe für einen möglichen Einstieg der USA in den israelisch-iranischen Krieg nicht. Aber es gibt klare Widersprüche: zwischen den Einschätzungen der US-Geheimdienste und denen der israelischen Regierung. Und bei dem, was Trump sagt.

Der amerikanische Verteidigungsminister hatte sogar ein Fläschchen Anthrax-Toxin mitgebracht, um die Gefahr zu veranschaulichen. "Saddam Hussein hat Chemiewaffen", sagte Colin Powell vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Er hatte außerdem Fotos, Grafiken, Karten und Videos und Tonmitschnitte dabei, die er während seines mehr als einstündigen Vortrags präsentierte.

Powell wollte den Sicherheitsrat und die Weltöffentlichkeit davon überzeugen, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitze und produziere. 43 Tage später, am 20. März 2003, griffen die USA den Irak an. Es war der Auftakt für einen blutigen Krieg, der den Irak ins Chaos stürzte, die Bildung der Terrororganisation Islamischer Staat nach sich zog und für die USA zum moralischen Desaster wurde. Relevante Vorräte an Massenvernichtungswaffen wurden indes nie gefunden.

Die historischen Parallelen sind offenkundig, wenn US-Präsident Donald Trump eine "BEDINGUNGSLOSE KAPITULATION" vom Iran fordert. Dieses Mal geht es nicht um biologische oder chemische Waffen, sondern um eine nukleare Bedrohung. Macht Trump den Iran-Krieg zu einem Irak 2.0? Ausgerechnet Trump, der sich als "Friedenspräsident" inszeniert und die USA nach Möglichkeit aus internationalen Verpflichtungen heraushalten will?

Auf Fox News macht Netanjahu Druck

Nach Darstellung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu musste Israel handeln. Würde der Iran nicht gestoppt, könnte er "in sehr kurzer Zeit" in der Lage sein, eine Atomwaffe herzustellen. "Es könnte ein Jahr sein. Es könnten wenige Monate sein", so Netanjahu. "Die Informationen, die wir erhalten und mit den Vereinigten Staaten geteilt haben, waren absolut eindeutig", sagte er im Interview mit Trumps Lieblingssender Fox News. Sie hätten klargemacht, dass der Iran "an einem geheimen Plan arbeitete, das Uran zu Waffen zu machen".

Die US-Geheimdienste allerdings kommen zu einer ganz anderen Einschätzung. Sie nehmen an, dass der Iran sein Atomwaffenprogramm bereits 2003 eingestellt hat, kurz nach dem Einmarsch der USA ins Nachbarland Irak - offenbar, um nicht selbst zum Ziel zu werden. Erst im März sagte Trumps Geheimdienst-Direktorin Tulsi Gabbard im Geheimdienstausschuss des US-Senats, ihre Dienste "gehen weiterhin davon aus, dass der Iran keine Atomwaffen baut und dass der Oberste Führer Chamenei das 2003 eingestellte Atomwaffenprogramm nicht genehmigt hat".

Die US-Geheimdienste bleiben skeptisch

Das änderte sich auch nicht durch die neuen Informationen aus Israel. Nach Ansicht der US-Geheimdienste zeigten auch diese Hinweise nur, dass der Iran weiterhin an Atomwaffen forsche, wie das "Wall Street Journal" (WSJ) unter Berufung auf mehrere Quellen berichtet. Einig seien sich die USA und Israel, dass sich der Iran in den letzten Monaten in eine stärkere Position für den Bau einer Atombombe gebracht habe, so das WSJ.

Demnach gehen die US-Geheimdienste zwar davon aus, dass der Iran innerhalb weniger Monate eine "einfache" Atomwaffe bauen könnte. Aber zugleich seien die Dienste unverändert der Auffassung, dass der Iran noch keine Entscheidung getroffen habe, den Bau einer Bombe voranzutreiben. Genau diese Position hatte Gabbard im März im Kongress vertreten.

Drei Jahre von der Bombe entfernt

Eine Entwarnung ist das nicht, aber eben auch kein akuter Alarm - eher der Hinweis auf die Möglichkeit einer nahenden Gefahr. So klangen auch die Meldungen aus der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA). Der sogenannte Gouverneursrat der Organisation erklärte am 12. Juni erstmals seit fast zwanzig Jahren, der Iran habe seine Pflichten zur Nichtverbreitung von Atomwaffen verletzt. Zudem heißt es in der Resolution, dass der Iran nicht in vollem Umfang mit der IAEA kooperiere und die Organisation daher nicht garantieren könne, "dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient".

Als Reaktion auf die Resolution verkündete der Iran, man werde eine neue Urananreicherungsanlage bauen und sogar noch mehr angereichertes Uran produzieren. Keine zwei Wochen zuvor, am 31. Mai, hatte die IAEA mitgeteilt, der Iran habe seinen Bestand von 60-prozentigem Uran auf 408,6 Kilo erhöht. Schon Anfang März, beim Stand von damals noch 182 Kilo, hatte IAEA-Chef Rafael Grossi betont, der Iran sei das einzige Land ohne Atomwaffen, das Uran so hoch anreichere. Dies löse bei ihm "ernsthafte Sorge" aus.

Gefährlich ist dies, weil der Schritt von 60 auf die für Atomwaffen nötigen 90 Prozent vergleichsweise klein ist. Allerdings heißt das nicht zwangsläufig, dass der Iran kurz vor der Atombombe steht. Dafür müsste das waffenfähige Uran zunächst in Metallform überführt, in eine Waffe integriert und auf eine Rakete montiert werden.

Grossi geht davon aus, dass der Iran bis zum Bau einer einsatzfähigen Rakete mit nuklearem Sprengkopf noch ein paar Jahre brauchen dürfte. Entsprechend äußerte er sich am Dienstag bei CNN. Dies passt zu einer Einschätzung der US-Geheimdienste, über die ebenfalls CNN berichtete: Demnach ist der Iran bis zu drei Jahre davon entfernt, eine Atombombe bauen und einsetzen zu können.

Trump ist "egal", was seine Geheimdienstchefin sagte

Trump scheint die Einschätzung seiner Geheimdienste allerdings nicht oder nicht mehr zu teilen. Am Dienstag, auf dem Rückflug vom G7-Gipfel in Kanada, sagte er auf die Frage, wie nahe der Iran einer Atomwaffe sei: "Sehr nah." Darauf angesprochen, dass seine eigene Geheimdienst-Direktorin im März etwas anderes gesagt hatte, erklärte er: "Es ist mir egal, was sie gesagt hat. Ich glaube, dass sie sehr nah dran waren, eine zu haben."

Unklar bleibt, worauf Trumps Äußerungen beruhen. Auf den israelischen Informationen, von denen Netanjahu sprach, die aber laut "Wall Street Journal" so neu gar nicht waren? Unklar bleibt zudem, ob Trump mit seinen Einlassungen einen Einstieg in den israelisch-iranischen Krieg ebnen wollte.

Klar ist indessen, dass Israel auf militärische Unterstützung durch die USA hofft. Ohne die bunkerbrechenden Waffen der USA ist vor allem die unterirdische Anreicherungsanlage in Fordo nicht zu zerstören. Israel könne diese Anlagen vorläufig funktionsunfähig machen, "aber wenn man sie wirklich zerstören will, ist entweder ein US-Militärschlag oder ein Deal nötig", sagte Brett McGurk, ein ehemaliger US-Diplomat im Nahen Osten, CNN.

"Ich glaube, wir werden ihm vielleicht helfen müssen"

Entsprechend widersprüchlich waren Trumps Signale mit Blick auf die Frage, ob Verhandlungen oder Angriffe das richtige Mittel sind: Am 12. Juni sprach er sich gegen israelische Angriffe auf den Iran aus. Am selben Tag sagte er, die Gespräche mit dem Regime in Teheran verliefen "sehr gut". Noch vier Tage später - drei Tage nach Beginn der israelischen Angriffe auf Ziele im Iran - hielt Trump daran fest, dass es eine Verhandlungslösung geben solle. Dann, am 17. Juli, forderte er vom Iran die "bedingungslose Kapitulation". Seither spricht er davon, dass die USA in den Krieg eintreten könnten.

Laut "New York Times" versuchte Netanjahu schon im April, Trump von der Notwendigkeit eines Angriffs auf den Iran zu überzeugen, damals noch vergeblich. Ende Mai warnte Trump den israelischen Regierungschef demnach vor einem Alleingang. Danach sei der US-Regierung zunehmend klar geworden, dass Netanjahu sich dieses Mal nicht stoppen lassen werde. Zugleich habe Trump die Geduld mit dem Iran verloren. Am 9. Juni, nach einem Telefonat mit Netanjahu, sagte der Präsident der Zeitung zufolge: "Ich glaube, wir werden ihm vielleicht helfen müssen."

Noch scheint offen, ob die USA in den Krieg eintreten - ein solches Szenario wirkt binnen weniger Tage zumindest immer wahrscheinlicher. Die Kriegslüge 2003 war nachweislich frei erfunden, die Gefahr einer Atommacht Iran ist gegeben. Zur Einschätzung, wie akut diese Gefahr ist, sind weder Trump noch Netanjahu glaubwürdige Quellen. Der israelische Premier hat zudem auch andere denkbare Motive - etwa mit dem Angriff auf den Iran vom international sehr viel umstritteneren Krieg im Gazastreifen abzulenken. Was Trump wirklich denkt und will, weiß er vermutlich Stunden vorher selbst noch nicht.

Sicher ist nur, dass der Iran für Israel eine höchst reale Bedrohung für den Frieden in der Welt darstellt - ein Krieg zwischen dem Iran und den USA aber auch.

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