Armin Laschet (CDU) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.

WELT: Wir sehen massive Angriffe des Iran auf Israel, die israelische Regierung droht Rache an. Zugleich sehen wir Bemühungen um eine Verhandlungslösung. Wie wahrscheinlich ist es, dass Diplomatie diesen Konflikt löst?

Armin Laschet: Das ist eine schwierige Frage, weil das auch sehr vom Iran abhängt. Wie weit ist er bereit, einzulenken und Abstand zu nehmen von seinem Atomprogramm? Die Signale, die wir in diesen Tagen hören, deuten darauf hin, dass der Iran Gespräche sucht. Es gab Meldungen, dass man in Oman verhandeln wolle. Es gab sogar Beobachtungen, dass Delegationen auf dem Weg in den Oman waren. Das hat der Iran dann gleich wieder dementiert. Das Gespräch des deutschen Außenministers mit seinen britischen und französischen und dem iranischen Kollegen in Genf soll wohl stattfinden. Entscheidend sind aus meiner Sicht die Amerikaner, weniger die europäischen Außenminister. Es liegt jetzt viel in Washington.

WELT: Inwieweit ist dieses Treffen der Europäer abgestimmt mit den USA? Was kann Europa erreichen?

Laschet: Der Bundeskanzler hat gesagt: Diese Begegnung der Europäer ist mit den Amerikanern abgestimmt. Es kann eine Strategie sein, dem Iran aus allen möglichen Ecken klarzumachen: Du stehst hier ziemlich allein mit deiner Position. Deshalb könnte das begleitend zu den amerikanischen Bemühungen sein.

WELT: Auf wessen Initiative ist das entstanden, Herr Laschet?

Laschet: Das ist schwer zu sagen. Es sind die E3 (Format von Großbritannien, Frankreich und Deutschland, Anm. d. Red.), die sich da abstimmen. Ich glaube, Deutschland hat es auch mit angeregt.

WELT: Welches Ziel sollte man bei diesen Verhandlungen anstreben?

Laschet: Diese Verhandlungen gehen ja seit fast 20 Jahren. Es gab Auf und Abs. Am Anfang war Russland noch mit dabei. Auch Russland hatte ein Interesse, dass der Iran keine Atombombe hat. Das hat sich jetzt ein wenig verschoben, weil der Iran Russland im Krieg gegen die Ukraine hilft. Die Europäer sind ziemlich draußen, weil sie nicht mit einer Stimme sprechen. Und der Iran hat ausgetestet, wie weit er gehen kann. Wenige Tage vor dem Angriff der Israelis in der letzten Woche hatte die Internationale Atomenergiebehörde zum ersten Mal gesagt: So und so viel Gramm Uran sind jetzt da, 60 Prozent angereichert. Innerhalb von zwei Wochen kann man das auf 90 Prozent anreichern. Das war der Moment, bei dem Israel gesagt hat: Wir warten jetzt nicht, bis die Bombe da ist. Sondern Israel hat dann diesen Schlag gemacht. Möglicherweise hat der Iran diesen Willen, dass es gestoppt wird, unterschätzt. Und jetzt gibt es darüber hinaus im Iran selbst Diskussionen. Kann die Freiheitsbewegung, die Frauenbewegung, die vor ein, zwei Jahren so massiv auf den Straßen war, vielleicht sogar einen Regime-Change erreichen? Also einen Sturz dieses Mullah-Regimes, das auch das eigene Volk unterdrückt.

WELT: Jetzt haben Sie meine Frage umschifft.

Laschet: Das Ziel ist, das Atomprogramm zu stoppen. Der Iran muss sagen: Ich lasse die internationalen Behörden hinein und ich werde nicht weiter Uran anreichern. Uran-Anreicherung auf 60 Prozent gibt es nirgendwo auf der Welt bei einem Land, das keine Atomwaffen hat. Da ist viel weniger nötig. Und dazu muss er sich verpflichten.

WELT: Nun haben Sie selbst gesagt, das Atomprogramm läuft seit Jahren. Israel fühlt sich extrem bedroht davon, nachvollziehbarerweise. Kann man sich auf eine Abmachung mit dem Mullah-Regime verlassen?

Laschet: Parallel hat man jetzt große Teile der Nuklearanlagen – wir wissen heute noch nicht, wie viel – zerstört. Der Iran wird jetzt unter Druck ein Abkommen machen. Und wenn er sich weiter sträubt, dann kann der Konflikt auch für den Iran eskalieren. Aber das Ziel Regime-Change, das Mullah-System wegzubringen, gelingt nicht von außen. Das haben wir in den letzten 20 Jahren gelernt. Alle diese Versuche im Irak oder in Libyen sind am Ende in einem Chaos geendet. Deshalb muss diese Bewegung von innen kommen. Und ich halte auch das noch für denkbar.

WELT: Wir sehen massive Zerstörungen in Israel. Es gibt auch die Berichte, dass der Nachschub für Abwehrraketen langsam knapp wird. Kann Deutschland Israel hier unterstützen?

Laschet: Im Moment hat Israel diese Unterstützung nicht angefordert. Die Technologie, die Israel hat, ist weltweit führend. Wir bekommen ja zum Teil aus Israel Schutz für unsere Abwehr. Ich glaube, dass Deutschland technologisch bei der Abwehr nicht helfen kann. Aber politisch steht Deutschland in dieser Frage, ähnlich wie Frankreich und Großbritannien, die beim Gaza-Krieg manchmal kritischer waren, an der Seite Israels. Das können wir in diesen Tagen feststellen.

WELT: Am Mittwochabend kam der erste Evakuierungsflieger aus Jordanien in Deutschland an. Es gibt auch Kritik von Deutschen, die in Israel festsitzen. Andere Staaten haben die Rückkehr von Staatsbürgern offenbar besser organisiert. Was sagen Sie dazu? Außenminister Johann Wadephul sagt: Es sei eine schwierige Situation, Deutschland könne nur das tun, was irgendwie möglich ist.

Laschet: Es gibt da unterschiedliche Einschätzungen der Sicherheitsbehörden. Es gibt manche wie die deutschen Behörden, die sagen: Auf dem Landwege organisiert zu fahren, ist gefährlicher, als wenn jeder den Weg nach Amman (Hauptstadt von Jordanien) geht. Das ist möglich. Das ist räumlich nicht so weit auseinander. Ich habe Freunde aus Israel, die in den USA waren, mit Familie. Die fliegen jetzt zurück nach Amman und fahren dann nach rüber Israel. Die deutsche Sorge war: Wenn da ein erkennbarer, großer Konvoi fährt, ist der potenziell eher ein Ziel. Andere Länder schätzen das anders ein. Aber ich glaube, der Weg aus Israel nach Amman ist nicht so kompliziert, dass man das nicht schaffen kann.

WELT: Gibt es Evakuierungspläne aus dem Iran für Deutsche?

Laschet: Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Der iranische Luftraum ist völlig gesperrt im Moment. Das kann nur auf dem Landweg gehen. Da gibt es Wege nach Aserbaidschan und in andere Nachbarländer. Aber meines Wissens ist das vom Auswärtigen Amt bisher nicht vorbereitet. Es gibt aber auch nicht mehr so viele Deutsche im Iran.

Das Interview wurde für WELT TV geführt. In dieser schriftlichen Fassung wurde es zur besseren Lesbarkeit leicht gekürzt und redaktionell bearbeitet.

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