Hätten Sie es gewusst? Brad Pitt ist so alt wie Viktor Orbán. Und Unionsfraktionschef Jens Spahn war kein schlechter Gesundheitsminister, er war nur kontraindiziert zu Erfolg.

Seit ich den Strom für meinen E-Roller in meinem eigenen Heizofen-Turbinengenerator erzeugen kann, habe ich endlich Verwendung für die 500 Kubikmeter Aktenmaterial, die mir das Team von Sonderermittlerin Margaretha Sudhof nach ihren nun abgeschlossenen Recherchearbeiten zum sogenannten Maskendeal zur diskreten Entsorgung übermittelt hat. Nachdem mir schon im vergangenen Sommer die CumEx-Akten ausgegangen waren und ich wegen Donald Trump die Kennedy-Files nicht mehr für umweltfreundliche Energiegewinnung einsetzen darf, cruise ich also endlich wieder klimaneutral durch Berlin-Mitte.

Luisa Neubauer wäre stolz auf mich. Also jedenfalls, wenn sie sich unterdessen noch mit dem Themenbereich Klimaschutz beschäftigen würde. Zuletzt betätigte sich die oftmals recht uninspiriert als "deutsche Greta", bezeichnete die Langstrecken-Allergikerin ja vornehmlich etwas abseits ihrer urcharakteristischen Stammkompetenz und gab die Nahostkonflikt-Expertin. Spontane kernthematische Schwerpunktverlagerungen dieser Art sind nicht unüblich. Dieses Kuriosum kennen wir bisher überwiegend aus dem Phänomenbereich Bundestrainer. Umgekehrt proportional zum zeitlichen Delta zwischen aktueller Echtzeit und dem Eröffnungsspiel der nächsten Fußballweltmeisterschaft steigt der Anteil an deutschen Internet-Diskursteilnehmern, die überzeugt sind, als Nationalcoach sowohl taktisch als auch kaderphilosophisch mehr Kompetenz mitzubringen als Julian Nagelsmann und Rudi Völler zusammen.

Der Heidi Reichinnek das Wasser!

Aber ich schweife ab. Als ich heute also mit positiver CO2-Bilanz durch Berlin-Mitte zu meinem 500-Quadratmeter-Kolumnistinnen-Büro in der Penthouse-Endetage der RTL/ntv-Hauptstadtresidenz gleite, gelingt mir als wache Observiererin des heimischen Politikbetriebs wieder die eine oder andere exklusive und spektakuläre Beobachtung. Ein paar nur notdürftig mit "Antifa"-Fähnchen getarnte Bundestagsabgeordnete aus der Unionsfraktion, die namentlich leider lieber nicht genannt werden möchten, sprayen beispielsweise an der Kurstraße "Kann ich Annalena Baerbock noch mal sehen" über den VIP-Hintereingang zum Auswärtigen Amt. Und das bei fast 30 Grad. Ein echtes Kiesewetter.

Etwas weiter Richtung Reichstag erspähe ich Heidi Reichinnek und Jan van Aken, die gerade mit fairtrade gehandelten Wachsmalstiften (bio) bei allen "Mohrenstraße"-Schildern lustige Ö-Pünktchen über dem "o" ergänzen. Der Kampf gegen Rassismus ist bei den Linken eine Herzensangelegenheit. Dieser Engagement-Schwerpunkt rangiert auf der internen Parteiagenda gleich hinter Russland-Verehrung und Ayatollah-Solidarität. Die beiden Architekten des Comebacks der PDS-Nachfolgepartei fallen auch phänotypisch in die Kategorie erfrischend unkonventioneller Politikertypen. Die beliebteste Politikerin des Landes hat mehr Tattoos als Leonardo DiCaprio Nummern von Supermodels und der sechstbeliebteste Reinbeker (nach Max Kruse, Bjarne Mädel, Birte Karalus, Felix von der Laden und Bodo Wartke) trug früher lange Haare, ließ sich diese dann aber stutzen, weil er nicht ständig mit André Rieu verwechselt werden wollte.

Beim Vorbeiwinken schnappe ich auf, dass beide sich später noch im benachbarten Restaurant Borchardt mit Ines Schwerdtner treffen und bei einem 36-Euro-Schnitzel darüber beraten wollen, wie die hart schuftende Arbeiterklasse und das bürgergeldaffine Wählerpotenzial endlich finanziell entlastet werden können. Die ursprüngliche Grundformel "Ukraine und Israel nicht mehr unterstützen, Verteidigungsministerium auflösen und den gesamten Etat in die Sozial- und Asylsysteme stecken" scheint noch nicht ausreichend Talkshow-tauglich durchdacht.

Prien, Prien, nur du allein ...

An der Ecke Glinkastraße entdecke ich dann den BSW-Europaabgeordneten Fabio De Masi, der gerade in Altpapiercontainern nach veruntreuten Stimmzetteln der Bundestagswahl sucht. Knappe 200 Meter weiter wuchten Möbelpacker diverse 4x6 Meter Portrait-Gemälde mit den Konterfeien von Ursula von der Leyen, Kristina Schröder, Manuela Schwesig, Katarina Barley, Franziska Giffey, Lisa Paus, Rita Süssmuth und Angela Merkel aus dem Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ja, die waren alle mal Familienministerinnen. Die neue in dieser Erfolgsriege heißt Karin Prien. Und die lässt die Ahnengalerie ihres Ministeriums offenbar entsorgen, um Platz für neue Ideen zu schaffen. Zum Beispiel den Vorstoß, eine Altersbegrenzung für Social Media einzuführen: Instagram, Tiktok und ähnliche primäre Informationsquellen der U20-Generation wären dann erst ab 16 Jahren zugänglich.

Im Prinzip eine gute Idee. Zum Beispiel, weil man als Frau dann deutlich weniger Nachrichten von frühpubertären 12-jährigen Jungs bekäme, die mit dem unerschütterlichen digitalen Selbstbewusstsein eines typischen Gen-Z-Spätausläufers anfragen, ob man nicht auf Bro-Basis ein paar Nudes rüber senden wolle. Als Beweis, selbstverständlich längst volljährig und also Nacktbild-empfangsqualifiziert zu sein, schicken sie dann Fotos, auf denen der 20-jährige Brad Pitt zu sehen ist. Wobei sie Brad Pitt natürlich nicht kennen, denn als Pitt 12 war, waren ihre Eltern vermutlich nicht mal geboren. Ja, genau. Pitt ist nämlich bereits 1963 zur Welt gekommen. Im selben Jahr übrigens wie Viktor Orbán.

Harry, fahr schon mal die Warken vor!

Zwei Mal kurz beschleunigt, schon stehe ich vor dem imposanten Haupteingang des Gesundheitsministeriums. Brauner als die Gesinnung von Alexander Gauland ragt er ... oh, Moment. Sorry. Tippfehler. Brauner als die Anzüge von Alexander Gauland ragt er über die Mauerstraße. Gegenüber tapeziert Karl Lauterbach gerade Kabelverteilerschränke mit "Suche Tischtennis-Partner mit eigener Platte"-Zetteln. Markus Lanz lebt ja leider in Hamburg, hat Lauterbachs Stammplatz in seiner Talkshow-Tischtennis-Mannschaft aber ohnehin bereits an Richard David Precht, Robin Alexander und - um seine Chance auf die False-Balance-Weltmeisterschaft nicht zu gefährden - auch an Kristin Helberg vergeben.

Hinter der riesigen Eingangstür seiner alten Dienststelle hält Lauterbachs Nachfolgerin Nina Warken den offiziellen Bericht zu überteuerten Masken-Käufen im Zuge der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden Millionen-Klagen unter seinem Vorgänger Jens Spahn weiterhin unter Verschluss. Nicht unbedingt ein Beitrag zur Eindämmung der sogenannten Politikverdrossenheit. Gleichzeitig stärkt diese Verschleierungstaktik auch noch das von rechtsextremistischen Rändern langsam in die Mitte der Gesellschaft durchsickernde Narrativ von "denen da oben", die uns alle nur belügen und betrügen. Vor allem, weil es mittlerweile um surreale Summen geht, gegen die selbst die bisherige Verschwendungs-Benchmark, das Maut-Debakel von Spahns CSU-Kollege Andi Scheuer, beinahe wie ein Portokassen-Fauxpas wirkt.

Angeblich finden sich in jenem Bericht hochbrisante Ergebnisse, die Spahn unter anderem "fehlendes ökonomisches Verständnis" attestieren und ein "Drama in Milliarden-Höhe" skizzieren. Noch sind das jedoch lediglich Gerüchte, denn gesehen haben besagten Bericht bislang nur wenige. Sogar Jens Spahn selbst behauptet, er kenne den Bericht nicht. Parallel zeigt er sich irritiert, als damals verantwortlicher Minister und somit maßgeblich Beteiligter an den im Bericht untersuchten Prozessen der Corona-Frühphase von Anfang 2020 nicht befragt worden zu sein.

Hätte Merz sich den nicht Spahn können?

Einiges deutet darauf hin, dass Spahn sich seinerzeit entgegen vieler Ratschläge von kompetenterer Seite (aus seinem eigenen und anderen Ministerien) für einige folgenschwere Alleingänge entschieden hat, deren Ergebnisse in der Retrospektive wirken, als hätte ein Achtjähriger auf 11.000 Metern Flughöhe das Kommando über einen Airbus A380 erhalten und anschließend Tower, Pilot, Co-Pilot und Fluglotsen darüber informiert, er werde das Passagierflugzeug heute mal rückwärts landen, weil ihm das sinnvoller erscheine als die konventionelle Vorgehensweise. Nun sind Alleingänge nicht per se etwas Schlechtes. Diego Maradona, Zinédine Zidane, Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo etwa wurden für ihre regelmäßig vergöttert. Deren Alleingänge kosten den Steuerzahler allerdings auch keine Milliardenbeträge, wenn sie gelegentlich auch mal nach hinten losgehen.

Die deutsche Sprache ist schon lustig: Man kann Spahn heißen und trotzdem Geld verbrennen, als gäbe es für jede versenkte Million Karmapunkte auf der nach oben offenen Elbphilharmonie-Skala. Der primär für Starpianist Igor Levit errichtete Prachtbau in der HafenCity sollte einst 77 Millionen Euro kosten und verschlang dann am Ende 866 Millionen. Eine Summe, über die Maskenmogul Spahn nur müde lächeln kann. Allein für den Vertrag (der übrigens zufällig ohne Ausschreibung zustande kam) mit dem Logistikunternehmen Fiege (das übrigens zufällig aus Spahn Heimat im Münsterland ansässig ist) in Höhe von 1,5 Milliarden Euro hätte man die Elphie zwei Mal bauen können. Das Schwestergebäude dann vielleicht in Berlin, und zwar dort, wo heute das Alexa-Einkaufzentrum steht. Das vermutlich hässlichste Gebäude der Hauptstadt.

Vor diesem Hintergrund ist nicht verwunderlich, dass Spahns öffentliches Image nach 9999-Euro-Spendendinner und Luxusvilla-Erwerb inzwischen ramponierter ist als die FDP. Und da ist sein legendäres anti-woke Bonmot "Ich bin schwul, nicht queer" noch gar nicht beliebtheitsrelevant eingepreist. Vielleicht, weil viele Bürger Spahn zweifelsfrei zutrauen, auf "Ich bin schwul, nicht queer" noch einen draufzusetzen. Etwa mit einem formschönen "Ich bin nicht reich, ich bin negativ arm!", dem sexy Geständnis: "Wenn ich bade, werde ich nicht nass, sondern H2O positiv!" oder einer gesunden Selbstreflexion: "Ich war nie ein schlechter Gesundheitsminister, ich war kontraindiziert zu Erfolg!" Bis Jens Spahn entweder entlastet oder zurückgetreten ist, wünsche ich aber einstweilen eine schöne Woche.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke