Am Freitagmorgen fahre ich nach einer nervenaufreibenden Nacht mit sehr wenig Schlaf in den nächsten Supermarkt – nur, um sofort wieder umzudrehen, weil die Schlange von der Kasse bis zum anderen Ende des Ladens reicht. Mehr als 30 Leute warten zwischen hektisch umherlaufenden Menschen unruhig darauf, endlich bezahlen und schnell wieder nach Hause fahren zu können. Ich renne über die Straße zum schlechter sortierten Geschäft gegenüber, das zwar auch voll ist, aber in dem die Warteschlangen deutlich kürzer sind.

Auf dem Weg zurück zum Auto laufe ich an einer kleinen Gruppe älterer Männer an einem runden Tisch vorbei, die zusammen Kaffee trinken. In Israel nennen wir solche Szenen liebevoll „das Parlament“. Diese Menschen haben den jüdischen Staat mit aufgebaut, viele Kriege erlebt und lassen sich von nichts aus der Ruhe bringen. Sie erinnern uns daran, wie viel Israel schon er- und überlebt hat.

Und eigentlich ist auch unsere Familie auf alles vorbereitet. Seit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 ist Israel an mehreren Fronten im Krieg: mit der Hamas in Gaza, der Hisbollah im Libanon und den Huthis im Jemen. Unsere Vorratskammer ist stets gefüllt mit den wichtigsten Dingen wie Klopapier, Reis, Nudeln, haltbarer Milch, Wasser, Windeln, einem Erste-Hilfekoffer und einem Solarladegerät. Am Tag zuvor haben wir unseren Sabbat-Einkauf erledigt und unsere Notfalltasche für den Bunker mit Snacks und Spielsachen für unseren beiden kleinen Kinder aufgefrischt.

Denn: Wir wussten, dass eine Eskalation zwischen Israel und dem Regime im Iran unausweichlich sein würde. Die Anzeichen hatten sich zuletzt verdichtet: amerikanische Botschaftsmitarbeiter innerhalb Israels wurden aufgefordert, sich nicht mehr außerhalb der drei größten Städte aufzuhalten, Schiffe wurden abgezogen – und dann warf die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) dem Iran erstmals seit fast 20 Jahren offiziell vor, seine Verpflichtung zur Nichtverbreitung von Atomwaffen zu verletzen. Trotzdem nahmen wir an, dass bis zur neuen Verhandlungsrunde über das iranische Atomprogramm, die für Sonntag geplant gewesen war, nichts geschehen würde.

Umso unvermittelter reißt uns am Freitag um drei Uhr morgens die Raketensirene aus dem Tiefschlaf. Wir holen unsere Kinder aus den Betten und rennen drei Stockwerke nach unten in unseren unterirdischen Schutzbunker. Das gesamte Land – rund neun Millionen Menschen – hat 90 Sekunden Zeit, um sich bei Alarm in Sicherheit zu bringen, in Bunkern, Tiefgaragen, Treppenhäusern, je nachdem, was zur Verfügung steht.

Ein beispielloser Angriff der israelischen Luftwaffe

Kurz darauf bekommen wir alle zeitgleich die gleiche Meldung auf unsere Handys geschickt: Israel hat den Iran präventiv angegriffen, um das Land an der Herstellung mehrerer Atombomben zu hindern. Zu diesem Zeitpunkt ist völlig unklar, was genau das bedeutet und auch, ob es sofort einen Gegenangriff geben wird.

Nach einer halben Stunde dürfen wir die Bunker verlassen, stehen aber unter Lockdown: Schulen, Kindergärten und das öffentliche Leben bleiben geschlossen, genauso wie der Flughafen und die Grenze zu Jordanien. Sogar die Synagogen dürfen am Sabbat nicht öffnen – ein klares Zeichen dafür, dass das erst der Anfang ist.

Den ganzen Tag kommen wir nicht von den Nachrichten los, die das ganze Land in Staunen versetzen. Nachdem der Terrorangriff vom 7. Oktober das Vertrauen der Israelis in ihre Regierung und den Sicherheitsapparat schwer beschädigt hat, ist die positive Überraschung groß: Der israelischen Luftwaffe ist ein beispielloser Angriff gelungen, der Mossad hat sich mit hollywoodreifer Geheimdienstarbeit auf iranischem Boden selbst übertroffen.

Hochrangige Generäle des Mullah-Regimes wurden präzise getötet, atomare Anreicherungsanlagen beschädigt und die iranische Luftabwehr zerstört – und all das, ohne zu viele zivile Opfer zu fordern. Fast noch sprachloser macht die Abwehrleistung: 200 Pilotinnen und Piloten eliminierten fast 200 Drohnen, bevor sie Israel erreichen und schossen ballistische Raketen ab, bevor sie starten konnten. Eine junge Kampfpilotin der israelischen Armee sagte danach: „Wir haben eine existenzielle Bedrohung für den Staat Israel beseitigt. Für unser Zuhause. Für den Frieden von morgen“.

In der Nacht zu Samstag werden wir alle zwei bis drei Stunden von der aufheulenden Sirene geweckt. Ein Geräusch, das sich durch den gesamten Körper zieht. Viermal laufen wir in den Schutzbunker, in dem wir jedes Mal 30 bis 40 Minuten mit unseren Kindern, einer hochschwangeren Nachbarin und ihrem Mann sowie zwei Hunden ausharren. Unsere acht Monate alte Hündin ist nach diesem Wochenende so gestresst, dass sie, sobald die Sirene ertönt oder das Handy bimmelt, das Haus bis zum Bunker voll pinkelt.

Auch in der Nacht zu Sonntag gibt es mehrmals Alarm. Und obwohl wir all das gewohnt sind, spüren wir, dass die vielen ballistischen Raketen aus dem Iran eine andere Qualität haben. Die Bilder zeugen davon: Jede Nacht gibt es mehrere Einschläge, teils mitten in Tel Aviv, heftige Explosionen, Rauchschwaden, zerstörte Hochhäuser, ganze Wohnblöcke und Reihen von Einfamilienhäusern sind komplett zerstört.

Mehr als ein Dutzend Menschen sterben an diesem Wochenende in Israel, darunter zwei Kinder und viele ältere Menschen, die es nicht schnell genug in den Schutzbunker geschafft haben, ein Neugeborenes wird aus den Trümmern geborgen. Mehr als 500 Verletzte zählen die Behörden und mehrere vermisste Personen. Die Raketen treffen bisher vor allem Zivilisten und zivile Infrastruktur und uns ist klar, dass es in den kommenden Nächten so weitergehen wird.

Das Regime im Iran, das seine eigene Bevölkerung brutal unterdrückt, wird kein Erbarmen mit Israel haben. In Teheran soll eine Uhr den Countdown zur Auslöschung des jüdischen Staates anzeigen.

Ich spreche an diesem Wochenende auch mit iranischen Freunden, manche sind jüdisch, andere nicht, aber sie alle haben noch Angehörige im Iran. Sie erzählen mir, dass die Menschen dort auch Angst haben, dass es für sie keine Sirenen und Schutzbunker gibt, während Gerüchte die Runde machen, dass die Mullahs heimlich das Land verlassen.

Eine Bekannte schickt mir ein Foto von ihrer Großmutter in Teheran, die das Victory-Zeichen zeigt – ich schicke ihr ein Foto vor einer israelischen Flagge mit einem Herz zurück. Dieser Krieg tobt nicht zwischen unseren Völkern, will ich damit sagen, sondern ist ein gemeinsamer Versuch, uns alle von diesem Terrorregime zu befreien, um die Zukunft des Nahen Osten zum Positiven zu verändern. Gleichzeitig wissen wir, dass auf beiden Seiten Zivilisten sterben werden, dass uns schwere Tage, laut offizieller Aussagen, sogar schwere Wochen bevorstehen könnten.

Egal, mit wem ich in Israel spreche, egal, wie müde wir sind, egal, wie groß die Sorge um unsere Kinder ist: Die Mehrheit des kleinen, jüdischen Staates steht hinter dem Kampf gegen das Regime in Teheran. David gegen Goliath, alles oder nichts. Hier und jetzt wird Geschichte geschrieben, die wir eines Tages an kleinen runden Tischen im „Parlament“ erzählen werden, in einer Welt, in der dann hoffentlich niemand mehr hektisch seine Bunkervorräte auffüllen muss.

Sarah Cohen-Fantl lebt mit ihrer Familie in Zentral-Israel und arbeitet als freie Journalistin und Autorin.

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