Israels beispielloser Angriff auf den Iran ist erst der Anfang des Kriegs, sagen israelische Experten. Sie sprechen von dramatischen Machtverschiebungen in der Region und einem möglichen Eingreifen der USA.

"Wir stehen erst am Anfang dieses Krieges", sagt Danny Citrinowicz, früherer Leiter der Iran-Abteilung beim israelischen Militärgeheimdienst. Bei einem Pressegespräch des Europäisch-Jüdischen Verbands (EJA) zu Israels Angriff auf iranische Atomanlagen und Führungskräfte erklärte er: "Die Operation ist noch nicht abgeschlossen. Die nächsten 24 Stunden sind entscheidend." Auf die Frage, ob weitere Luftschläge geplant seien, entgegnete eine Sprecherin der israelischen Streitkräfte, sie sei seit 36 Stunden wach und habe in nächster Zeit nicht vor, schlafen zu gehen.

Israel hatte am Morgen einen beispiellosen Angriff auf den Iran gestartet: Nach Militärangaben griffen rund 200 Kampfjets Ziele in Teheran, die Atomanlage Natans und mehrere Militärstützpunkte an. Israel will fast die gesamte Führungsriege der iranischen Luftwaffe und weitere hochrangige Militärs getötet haben. Später folgten Angriffe auf weitere Nuklearanlagen. Der Iran reagierte mit Drohnen und Raketen.

Citrinowicz arbeitet mittlerweile als Sicherheitsanalyst an der Universität Tel Aviv. Er glaubt, Israel habe befürchtet, den Einblick ins iranische Atomprogramm zu verlieren - und deshalb zugeschlagen. Die Urananreicherung sei zwar weit fortgeschritten, werde aber von der Internationalen Atomenergiebehörde überwacht. Der Weg zur Atomwaffe finde jedoch im Verborgenen statt - Israel sei hier auf Geheimdienstinformationen angewiesen. Diese Quelle könne jederzeit wegbrechen. Das habe Israels Regierung offenbar nicht riskieren wollen.

"Das würde eine viel größere Streitmacht auf den Plan rufen"

Der Ex-Geheimdienstler sieht den Iran in einer schwierigen Lage: Teheran müsse zunächst klären, welche Ziele die Israelis genau getroffen hätten, wie groß der Schaden ist und wie er sich beheben lässt. Der Iran stehe ohne nennenswerte Unterstützung seiner Verbündeten da. Bisher habe die Stärke der Hisbollah Israel davon abgehalten, den Iran anzugreifen, sagte Citrinowicz: "Die Veränderung, die wir hier sehen, ist in vieler Hinsicht dramatisch." Von der sogenannten Achse des Widerstands, die Iran angeführt hatte, sei nicht mehr viel übrig.

Die Politikerin und frühere israelische Botschafterin in Ägypten, Ruth Wassermann Lande, warnte im EJA-Pressegespräch: Die Schwächung schiitischer Extremisten wie der iranischen Führung, der Hisbollah, der Hamas oder der Houthis habe Folgen, die viele Politiker nicht im Blick hätten. Das Gleichgewicht in der Region drohe zu kippen: "Wenn wir die Anführer des schiitisch-extremistischen Islam ausschalten, wird unweigerlich der sunnitische Extremismus erstarken." Citrinowicz stimmte Wassermann Lande zu: Hinter verschlossenen Türen seien die Türkei, Aserbaidschan und die Golf-Staaten sicher sehr zufrieden.

Wassermann Lande und Citrinowicz kamen in dem Gespräch auch auf die Rolle der USA zu sprechen. Die Ex-Botschafterin meinte, der innenpolitische Druck könnte den Iran zu Angriffen auf US-Einrichtungen etwa im Irak verleiten. "Das würde eine viel größere Streitmacht auf den Plan rufen", sagte sie. Citrinowicz erklärte, er wisse nicht, wie sich die Lage entwickle. Sollten aber die USA eingreifen, werde die stark befestigte iranische Atomanlage in Fordow ein "monumentales Thema", so der Iran-Experte. Sie ermögliche dem Iran, weiter Uran anzureichern.

US-Außenminister Marco Rubio hatte am Mittag gesagt: "Wir sind nicht an Schlägen gegen den Iran beteiligt." Israel hätte die USA zuvor informiert, so Rubio. Oberste Priorität hat demnach der Schutz der US-Streitkräfte in der Region. Rubio warnte den Iran, diese anzugreifen. Am Abend berichteten US-Beamte, das US-Militär habe iranische Raketen abgefangen, die auf Israel zielten. Details zu der Aktion nannten sie nicht – ob etwa Kampfjets oder Kriegsschiffe im Einsatz waren, blieb offen.

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