E s dürfte ein Wohlfühl-Termin für Friedrich Merz werden: Am Mittwochnachmittag wird der Bundeskanzler die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in Berlin empfangen. Zu besprechen gibt es viel: In zwei Wochen steht der Nato-Gipfel in Den Haag an, am 1. Juli übernimmt Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft. In erster Linie sollte es bei dem Treffen um die europäische Verteidigung und die Unterstützung der Ukraine gehen, hieß es im Vorfeld, aber auch um Themen wie Migration und Wettbewerbsfähigkeit.

Obwohl Merz und Frederiksen aus verschiedenen Parteifamilien kommen, liegen sie in diesen Fragen nah beieinander. Im Wahlkampf hatte der CDU-Politiker die Politik der Dänin explizit als Vorbild genannt. „Wenn doch alle Sozialdemokraten wie Mette Frederiksen wären“, schmeichelte er auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar.

Die Sympathie beruht offenbar auf Gegenseitigkeit: „Die Gespräche, die ich bereits mit Bundeskanzler Merz geführt habe“, teilte Frederiksen vor ihrem Besuch in Berlin mit, „stimmen mich zuversichtlich. Wir sind uns in vielen Punkten einig.“

Das gilt insbesondere für die Migrationspolitik. Dänemark hatte seinen Kurs schon seit 2015 immer weiter verschärft; Frederiksen setzte diesen Weg nach ihrem Amtsantritt 2019 fort und gab das Ziel „Null Asyl“ aus. Heute hat das Land eines der schärfsten Asylgesetze in ganz Europa. In der Praxis bedeutet das etwa: kaum finanzielle Unterstützung, stark eingeschränkter Familiennachzug, Sammellager für abgelehnte Asylbewerber oder auch den Abriss „nicht-westlich“ geprägter Stadtviertel.

Einen Widerspruch zum sozialdemokratischen Gedanken sieht die Premierministerin darin nicht, im Gegenteil: Der Sozialstaat könne langfristig nur funktionieren, wenn er klare Grenzen setzt, argumentiert sie. Während Ex-Kanzler Olaf Scholz mit dieser harten Linie stets gefremdelt hatte und seine Partei sogar warnte, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, blickt Merz geradezu sehnsüchtig gen Norden. Dänemark zeige „dass Lösungen möglich sind“, sagte er etwa im Januar.

Auf einer Wellenlänge mit Merz

Auch in Sachen Verteidigung ist Frederiksen mit Merz deutlich mehr auf einer Wellenlänge als mit seinem Vorgänger. Dänemark zählt zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine – im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung liegt das Land auf Platz zwei weltweit – und hat sich bei den europäischen Partnern von Beginn an für mehr Entschlossenheit eingesetzt. Hinter den Kulissen soll die dänische Regierung Scholz zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern gedrängt haben, die er als Kanzler bis zum Schluss ablehnte.

Mit Merz im Kanzleramt, so die Hoffnung vieler Dänen, könnte Deutschland wieder eine Führungsrolle in Europa übernehmen. Auch Frederiksen mahnt in dieser Hinsicht immer wieder zur Eile. „Wir befinden uns in der ernstesten Sicherheitslage seit Jahrzehnten“, sagte sie vor ihrem Besuch in Berlin. „Die Zeit erfordert ein stärkeres Europa und Einheit über Grenzen hinweg.“ Die hierzulande viel kritisierte Aufweichung der Schuldenbremse zugunsten der Verteidigung wurde in Dänemark als vielversprechendes erstes Zeichen in diese Richtung gewertet.

Alles harmonisch also zwischen Berlin und Kopenhagen? Unter der Oberfläche zeigen sich dann doch einige Herausforderungen. Beim Nato-Gipfel im Juni dürfte die Allianz ein höheres Ausgabenziel beschließen, im Raum stehen 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Militär und 1,5 Prozent für andere sicherheitsbezogene Ausgaben.

Sowohl die deutsche als auch die dänische Regierung haben Unterstützung für den Vorschlag signalisiert – praktisch ist Dänemark aber einen Schritt voraus. Im Februar stellte die Regierung umgerechnet 6,7 Milliarden Euro zusätzlich für dieses und das kommende Jahr für die Verteidigung bereit, damit liegen die Ausgaben schon jetzt bei über drei Prozent des BIP.

80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien

Für Deutschland dürfte diese Schwelle – auch aufgrund der höheren Verschuldung – deutlich schwieriger zu erreichen sein. Um die langfristige Finanzierung der Verteidigungsausgaben zu ermöglichen, hat Dänemark zuletzt sogar seinen einst vehementen Widerstand gegen die sogenannten Eurobonds abgeschwächt. Man müsse „die gemeinsame Verschuldung mit neuen Augen betrachten“, sagte Frederiksen Anfang Januar. Merz spricht sich weiterhin dagegen aus.

Ein weiteres Thema auf der Problem-Liste: Der Konflikt mit den USA um Grönland. US-Präsident Donald Trump hatte immer wieder mit einer Annexion der Insel gedroht und dabei auch militärische Gewalt nicht ausgeschlossen. Um Trump sicherheitspolitisch entgegenzukommen, stand unter anderem im Raum, ein „arktisches Nato-Kommando“ mit deutscher Beteiligung auf Grönland einzurichten. Zuletzt war es darum allerdings ruhig geworden.

Und auch in der Migrationspolitik gibt es einige Stolperfallen. So ist Dänemark dank einer Ausnahmeregelung nur bedingt an das EU-Asylrecht gebunden und hat damit größeren Spielraum. Würde Deutschland tatsächlich die Migrationspolitik des Nachbarn kopieren, würde dies zum Teil gegen geltendes EU-Recht verstoßen.

An einer Verschärfung dieses Rechtsrahmens arbeitet Dänemark derweil unter anderem gemeinsam mit Italiens Premierministerin Giorgia Meloni: In einem offenen Brief hatten insgesamt neun Staaten gefordert, die Abschiebung krimineller Ausländer zu erleichtern.

Für die dänische Ratspräsidentschaft soll Migration neben der Verteidigung und dem Beitritt der Ukraine das zentrale Thema werden. Merz wird entscheiden müssen, ob er sich den scharfen Forderungen der Gruppe um Frederiksen anschließen oder eher eine Vermittlerrolle zwischen den europäischen Lagern einnehmen will. Nicht zuletzt könnten auch die fortgesetzten Grenzkontrollen, die auch die vielen Pendler zwischen Deutschland und Dänemark treffen, langfristig für Diskussionen sorgen.

Und dann ist da noch das Thema Klimaschutz. Dänemark gilt als Vorreiter innerhalb Europas: Es erzeugt bereits mehr als 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien, führt als erstes Land weltweit ab 2030 eine CO₂-Steuer für Landwirte ein und hat eines der ambitioniertesten Klimagesetze der Welt. In Deutschland ist das Klima unter Kanzler Merz dagegen in den Hintergrund gerückt, große Initiativen sind in dieser Hinsicht nicht zu erwarten. Es ist eines der wenigen Themen, bei denen sich Frederiksen wohl die alte deutsche Regierung zurückwünschen dürfte.

Lara Jäkel ist Redakteurin im Ressort Außenpolitik. Für WELT berichtet sie unter anderem über Nordeuropa und die USA.

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