Polens Regierung hat im Parlament eine von Ministerpräsident Donald Tusk angesetzte Vertrauensabstimmung überstanden. Zehn Tage nach der Niederlage des Regierungslagers bei der Präsidentenwahl sprachen am Mittwoch 243 Abgeordnete der Regierung das Vertrauen aus. 210 stimmten im Unterhaus Sejm gegen Tusks Ministerrat.
Der Regierungschef wollte mit dem selbst herbeigeführten Vertrauensvotum die Einigkeit und Entschlossenheit seiner Koalition aus konservativen, liberalen und linken Parteien demonstrieren. Die größte Oppositionspartei, die nationalkonservative PiS, hatte Anfang Juni mit dem Rechtskonservativen Karol Nawrocki die Präsidentenwahl knapp gewonnen und Tusk zum Rücktritt aufgefordert. Auch innerhalb der Regierungskoalition favorisierten zuletzt einzelne Politiker eine personelle Erneuerung an der Regierungsspitze und damit eine Ablösung Tusks.
Der 68-Jährige, seit Dezember 2023 Ministerpräsident, gab sich am Mittwoch kämpferisch: „Ich kenne den Geschmack des Sieges, ich kenne die Bitterkeit der Niederlage, aber das Wort ‚Kapitulation‘ kenne ich nicht. Lasst uns weitermachen!“ Er kündigte für Juli eine Umbildung seines Kabinetts an, stellte aber in seiner Rede vor dem Parlament ansonsten kaum konkrete Vorhaben für die nächste Zeit vor. Stattdessen betonte Tusk, unter seiner Regierung habe Polen aktuell mit 3,7 Prozent „das größte Wirtschaftswachstum in Europa“ Zu PiS-Zeiten habe es 2023 nur bei 0,2 Prozent gelegen.
Tusk pochte vor den Abgeordneten auf eine Bestrafung von Mitgliedern der ehemaligen PiS-Regierung wegen Amtsmissbrauchs. Gegen sechs von ihnen wurde bereits Anklage erhoben.
Streitpunkt Homo-Ehe
Die Regierungskoalition ist sich allerdings uneinig, ob zum Beispiel gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich anerkannt werden sollen. Die linke Gleichstellungsministerin Katarzyna Kotula macht sich bisher ohne Erfolg für einen entsprechenden Gesetzentwurf stark. Beobachter rechnen zudem damit, dass der neue Präsident Nawrocki einen solchen Parlamentsbeschluss blockieren würde. Er kann nach Belieben sein Veto gegen Gesetze einlegen. Tusks Koalition fehlt im Sejm eine eigene Drei-Fünftel-Mehrheit, um ein Nein des Präsidenten überstimmen zu können.
In aktuellen Umfragen liegt Tusks Partei zwar mit mehr als 30 Prozent vor der oppositionellen PiS. Die jetzige Koalition verlöre aber ihre Mehrheit im Parlament, vor allem weil einer der beiden Juniorpartner des Regierungschefs, der konservativ-christliche Dritte Weg, nur noch etwa fünf Prozent erreichen würde. Die PiS und die rechtsextreme Konföderation kämen hingegen laut Meinungsforschern auf eine gemeinsame Mehrheit der Mandate und könnten zusammen eine neue Regierung bilden. Die nächsten Parlamentswahlen sind spätestens im Herbst 2023.
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