Nein, da war nicht alles schlecht. Ganz im Gegenteil. Das war gut. "Difficult but great", könnte man sagen; persönlichen Draht gesucht und persönlichen Draht gefunden. Friedrich Merz hat den D-Day in Washington souverän absolviert.
Schon die Anreise verlief unerwartet vielversprechend: Der Airbus der Flugbereitschaft hat den deutschen Bundeskanzler pünktlich und pannenfrei nach Washington befördert. Ein Zwischenstopp auf Grönland war nicht nötig. Das hätte der Präsident gegebenenfalls als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der USA werten können. Ganz schlecht.
Der vorgesehene Ablauf des Besuchs versprach zudem eine relativ hohe Überlebenschance für den deutschen Gast: erst ein Treffen unter vier Augen, dann Lunch im kleinen Kreis und zu schlechter Letzt ins ovale Büro. Also beim Zweiertreffen ein bisschen socializen: "Du, Donald, Dein Handicap ist tatsächlich mega" (damit nicht immerzu "great" gesagt werden muss). Beim Mittagessen aktiv Zeichen wahrnehmen: Werden auch Fritzens Lieblingsspaghetti "frutti di mare" kredenzt? Gutes Zeichen. Oder kommen zu Donalds alleiniger Freude ausschließlich Big Mac und Pommes auf die Plastikteller? Schlechtes Zeichen - und ein Fingerzeig dafür, wer oder was zum Nachtisch im Oval Office verputzt wird.
Zeitplan geändert - Alarmstufe rot
Als plötzlich der Ablauf geändert wird, droht Ungemach. Kein warming-up zu zweit. Stattdessen direkt in die Höhle der Löwen, ins Oval Office - Trumps persönliche Showbühne, berüchtigt als the first national barbecue hut. Auf dieses Meeting wurde der Kanzler sicher besonders gut vorbereitet. Wobei einzuräumen ist, dass selbst die Besten weder Hurrikane noch Erdbeben exakt vorhersagen können. Was passiert zum Beispiel, wenn JD Vance wieder seine Pillen nicht genommen hat, eine Art Canipur Relax Forte? Oder wenn sie Videos zeigen von aus Deutschland vertriebenen Reichsbürgern? Oder Geschichten erzählen von AfD-Parias, die in Sachsen Hunde und Katzen essen müssen, weil die Migranten die Supermärkte plündern?
Doch dann läuft es ganz anders. Freundlich, respektvoll, harmonisch. Gleich zu Beginn präsentiert Friedrich Merz die Geburtsurkunde von Opa Friedrich Trump im pfälzischen Kallstadt. Das ist ein ideales Mitbringsel: nicht protzig-katarisch sondern familiär-herzlich. Das Präsent kommt gut an; das Weiße Haus vergibt dafür später sogar ein seltenes Emoji-Herz auf X. Ansonsten überlässt Merz Trump jun. seine Bühne zum Schwadronieren.
Ja, der deutsche Kanzler hat bei diesem kritischen Termin auch Glück. Die Journalisten fragen nach Xi Jinping (nicht anwesend), Trump zetert über seinen Ex-best-buddy Elon (nicht anwesend) und irgendwann sagt er dann wieder was Nettes über Merz (anwesend), den "großartigen" Kanzler der Deutschen. "Schwierig, aber großartig". Auch, weil er so gut Englisch spreche.
Wovon nicht viel zu hören ist. Denn Friedrich Merz ist meistens still, gemäß der Devise: Weil ich habe geschwiegen, bin ich ein Weiser geblieben. Wenn er aber etwas sagt, ist es kurz. Für Donald angenehm snackable. Smart umwirbt er den wichtigen (Noch?-)Verbündeten, erinnert an die Landung der US-Truppen in der Normandie, verbindet Dankbarkeit für die Hilfe der USA für Europa und die Befreiung Deutschlands in der Vergangenheit mit der Verantwortung der USA im Hier und Jetzt.
Als es ernst wird, ist Merz hellwach
Beim Thema Russlands Krieg gegen die Ukraine zeigt Merz Rückgrat und Cleverness. Trump relativiert mal wieder: "Russen und Ukrainer streiten wie Kinder im Park". Das kann man so nicht stehenlassen. Offen widersprechen? Für moralisch tickende Außenpolitiker ist das keine Frage, für einen klugen Außenpolitiker aber keine Option. Friedrich Merz widerspricht, ohne zu widersprechen. Er geht auf den Vergleich null ein, betont das gemeinsame Sehnen nach Frieden und redet dann Klartext über Russlands Verbrechen in diesem Krieg, die Bomben gegen die Zivilisten, die von den Russen verschleppten ukrainischen Kinder. Und Merz macht klar, an welcher Seite Deutschland in diesem Krieg steht, die freie Welt stehen muss. Ja, Trump startet keine La-Ola-Welle. Aber er widerspricht auch nicht. Es bleibt ein Moment der Wahrheit in diesem Raum und Trump zollt Merz Respekt: "difficult, but great".
Experten und Medien hatten vor dem D-Day in DC Friedrich Merz' Aufgaben auf eine lange Liste geschrieben: einen Draht knüpfen zum Unberechenbaren und zahllose Sinneswandel bei ihm herbeiführen: Trump soll die EU nicht mehr hassen, die Nato toll finden, fest zur Ukraine stehen und Zölle nicht mal mehr in Aussicht stellen wollen. Da war schon für jeden was bei, recht viel für 110 Minuten geplanter Besuchszeit. Wahrscheinlich hat Merz auch beim Lunch noch nicht alles gefixt. Aber ein Anfang ist offenbar gelungen.
Kritiker sagen nun: Merz liefert vor allem Symbolpolitik, richtig Substanzielles? Fehlanzeige. Diese Kritik kommt sehr zeitig. Der Bundeskanzler ist gerade einen Monat im Amt. Seitdem ist Außenpolitik Chefsache: Merz in Paris, Warschau, Brüssel, Kiew, Tirana, Rom, Litauen, Finnland und jetzt Washington. Die schiere Zahl an Flugmeilen ist allein kein Beleg für durchdachtes und tatkräftiges außenpolitisches Handeln. Stimmt. Deutlich aber ist: Dieser Kanzler setzt die richtigen Prioritäten. Er kümmert sich, damit die Bedrohungen von außen möglichst beherrschbar bleiben und Deutschland nicht allein dasteht. Not bad at all.
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