Wie kommt Bundeskanzler Friedrich Merz mit US-Präsident Donald Trump zurecht? Finden die beiden einen guten Draht zueinander, oder kommt es zur Konfrontation? Am kommenden Donnerstag wird es Antworten auf diese Fragen geben. Merz wird dann zu seinem Antrittsbesuch bei Trump im Weißen Haus erwartet. Es ist der wichtigste Auslandsbesuch seiner Amtszeit. Gelingt es ihm, einen guten Draht mit Trump zu finden, kann das in Sachen Ukraine, Nato, Zölle und Gaza helfen.
Im Mittelpunkt dürften die Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs, die Reaktion der Nato auf die wachsenden Bedrohungen von außen und der Zollstreit zwischen den USA und der EU im Mittelpunkt stehen. Merz hat bereits klargemacht, dass er nicht als "Bittsteller" nach Washington reist und die europäischen Positionen dort selbstbewusst vertreten wird. Konkrete Ergebnisse sind bei dem ersten Kennenlernen aber eher unwahrscheinlich.
Wie läuft der Besuch ab?
Merz wird keine 24 Stunden in Washington sein. Er bricht am Mittwochabend nach einem Abendessen mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin auf. Beim Treffen mit den Länderchefs nach der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag lässt er sich von Kanzleramtschef Thorsten Frei vertreten. Man muss eben Prioritäten setzen.
In der Nacht zum Donnerstag wird Merz nach Mitternacht in Washington erwartet und dann im Gästehaus des Präsidenten übernachten, was im Umfeld des Kanzlers als besondere Ehre gewertet wird. In dem gegenüber vom Weißen Haus gelegenen Blair House haben in den vergangenen gut 80 Jahren viele Dutzend Staats- und Regierungschefs vom französischen Präsidenten Charles de Gaulle bis zur britischen Queen Elizabeth II genächtigt.
Am Donnerstag ist dann am späten Vormittag ein Gespräch mit Trump unter vier Augen und ein anschließendes Mittagessen geplant. Zum Abschluss soll es eine Pressebegegnung geben. Ob die improvisiert im Oval Office - dem Büro des Präsidenten - stattfindet, oder ob es eine Pressekonferenz gibt, ist noch offen.
Wie gut kennen die beiden sich schon?
Die beiden sind sich erst einmal vor vielen Jahren flüchtig in New York begegnet. Seit dem Amtsantritt von Merz vor vier Wochen haben sie aber schon vier Mal telefoniert - einmal zu zweit und danach dreimal in größerer Runde mit mehreren anderen europäischen Staats- und Regierungschefs zum Ukraine-Krieg.
Merz hat inzwischen die Handynummer des US-Präsidenten und tauscht sich mit ihm per SMS aus. Seit dem jüngsten Telefonat sprechen sich die beiden auch mit den Vornamen Friedrich und Donald an.
Wie verlief das erste Gespräch zu zweit?
Merz hat darüber vor wenigen Tagen beim WDR-Europaforum überraschend offen gesprochen. "Wenn man mit ihm alleine spricht, das ist halt Small Talk", erzählte er. "Und wichtig ist immer, dass man nicht so lange redet, sondern dass man kurz redet und ihn auch reden lässt."
Jedes "zweite bis dritte Wort" des US-Präsidenten sei "great" gewesen, und es sei in dem Gespräch "sehr viel um Trump" gegangen. Die Small-Talk-Themen waren die US-Metropole Chicago, für die beide ein Faible haben, und der US-amerikanische Papst Leo XIV. Merz lud Trump auch zu einem Besuch in der Heimat seiner Vorfahren väterlicherseits ein, die aus dem kleinen Winzerdorf Kallstadt an der Weinstraße in der Pfalz stammen.
Wie will Merz im Weißen Haus auftreten?
Zugewandt aber selbstbewusst. "Man muss sich auf ihn einstellen und auf ihn einlassen. Und gleichzeitig darf man sich nicht kleiner machen, als wir sind", sagte er beim WDR-Europaforum. "Wir sind da keine Bittsteller."
Wen hat Trump schon im Weißen Haus empfangen?
Seit seinem Amtsantritt im Januar waren schon zahlreiche Staats- und Regierungschefs bei ihm, darunter Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Besonders in Erinnerung geblieben sind aber zwei Besuche: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa wurden vom US-Präsidenten im Oval Office vor laufenden Kameras regelrecht vorgeführt.
Wie reagiert Merz darauf?
Gelassen. "Ich brauche keinen Baldrian, um ruhig zu bleiben und mit dem amerikanischen Präsidenten ein vernünftiges Gespräch zu führen", sagte er kürzlich im ZDF. Der Kanzler bereitet sich aber intensiv auf den Termin vor. Von mehreren Staats- und Regierungschefs, die bereits bei Trump waren, hat er sich Ratschläge geben lassen, unter anderem von Selenskyj, Ramaphosa, Meloni, dem norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre und dem finnischen Präsidenten Alexander Stubb.
Was ist das Top-Thema des Besuchs?
An Nummer eins dürften die Bemühungen um ein Ende des Krieges in der Ukraine stehen. Merz hat sich dabei unter den Europäern mit an die Spitze gesetzt, zeigte sich zuletzt aber frustriert über mangelnde Fortschritte. In Washington wird er bei Trump darum kämpfen, den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erhöhen, um ihn zu einer Waffenruhe zu bewegen. Die Europäer bereiten dazu ein weiteres Sanktionspaket in dem Bewusstsein vor, dass sie Putin nur zusammen mit den Amerikanern wirklich beeindrucken können.
Wo steht Trump derzeit in Sachen Ukraine?
Trump sagte am Mittwoch, innerhalb der nächsten zwei Wochen werde sich zeigen, ob Putin "uns an der Nase herumführt" oder nicht. "Und wenn er es tut, werden wir ein wenig anders reagieren." Von neuen Sanktionen gegen Russland halte ihn nur die Tatsache ab, "dass ich, wenn ich glaube, dass ich kurz vor einem Deal stehe, das nicht vermasseln möchte." Noch vor dem Treffen von Merz und Trump ist am Montag eine weitere russisch-ukrainische Gesprächsrunde in Istanbul angesetzt, die Aufschluss darüber geben könnte, ob eine Annäherung zwischen beiden Seiten möglich ist.
Welches Thema steht noch ganz oben auf der Agenda?
Eine Lösung im Zollstreit mit den USA. Darüber verhandelt aber die EU-Kommission mit den USA. Merz wird sich da nicht in die Details einschalten, kann aber als Chef des wirtschaftsstärksten europäischen Landes Vertrauen schaffen und Impulse setzen. Für die von Trump ursprünglich zum 1. Juni angedrohten Zölle von 50 Prozent gibt es nun eine Frist bis zum 9. Juli.
Was wird mit Blick auf den Nato-Gipfel besprochen?
Ende Juni kommen die Staats- und Regierungschefs des Verteidigungsbündnisses in Brüssel zusammen und werden unter anderem über ihre Verteidigungsausgaben reden. Trump hat von den Bündnispartnern fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts gefordert. Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat darauf mit einer Kompromissformel reagiert: 3,5 Prozent für das Militär und 1,5 Prozent für Infrastruktur wie Straßen oder Häfen, die für die Verteidigung relevant sein können. Merz hat sich diesem Vorschlag angeschlossen und ist Trump damit schon einen großen Schritt entgegengekommen.
Was könnte sonst noch zur Sprache kommen?
Zu einem Thema hat sich Merz in den vergangenen Wochen verärgert gezeigt. Die Attacken von US-Vizepräsident JD Vance, der den europäischen Verbündeten auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Gefährdung der Demokratie vorgeworfen hat, findet er "übergriffig". Und Kritik aus der US-Regierung an der Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch hat er sich verbeten. "Das ist unsere Sache. Darüber entscheiden wir und nicht eine amerikanische Regierung."
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