Eine klare Linie sieht anders aus: Kanzler Merz verkündet, dass für an Kiew gelieferte Waffen keine Reichweitenbeschränkung mehr gilt. Vize Klingbeil weiß offenbar von nichts und hält am alten Regierungskurs fest. Auch sonst hagelt es Kritik aus der SPD.

Die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz, dass die Ukraine deutsche Waffen ohne Beschränkung gegen russisches Territorium einsetzen darf, stößt beim Koalitionspartner SPD auf Kritik. Der frühere SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte im Deutschlandfunk, es sei richtig gewesen, eine Reichweitenbegrenzung vorzunehmen.

"Ich würde die Bundesregierung bitten, sich lieber an den diplomatischen Bemühungen zurzeit zu beteiligen", sagte Mützenich. Es sei ganz offensichtlich, dass Russlands Präsident Wladimir Putin eskaliere, es müsse daher alles getan werden, den Prozess von Verhandlungen durch weitere diplomatische Initiativen zu untermauern.

Auch der SPD-Politiker Ralf Stegner forderte mehr Gespräche. Die europäische Diplomatie müsse versuchen "alles zu unternehmen, dass wir zu einem Ende kommen und auch Putin klarzumachen: Er kann ja seine Kriegsziele auch nicht erreichen", sagte der SPD-Politiker im Frühstart von ntv. "Jedenfalls ist alles besser als Krieg und Leid. Und das sollten auch die bedenken, die über Ausweitung reden und die nur über Waffen reden, wie überhaupt die reine Militärlogik ja nicht zu dem Erfolg geführt hat, den man sich gewünscht hat", so Stegner. "Putin ist nicht an den Verhandlungstisch gezwungen worden, militärisch. Und das geschieht auch nicht durch solche Diskussionen."

Wie Putin an den Verhandlungstisch gezwungen werden kann, bleibt allerdings unklar. Trotz zahlreicher Initiativen in den vergangenen Wochen kam bisher kein konkreter Friedensvorschlag aus Moskau, Beobachter werfen dem Kreml vor, auf Zeit zu spielen. Zu den jüngsten Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul schickte es nur eine drittrangige Delegation. Auch erhob Moskau immer wieder neue Forderungen, zugleich attackierte es zuletzt massiv die ukrainische Zivilbevölkerung aus der Luft.

Merz: "Keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr"

Merz kam daher am Montag der Ukraine entgegen und sagte, dass für die von Deutschland an die Ukraine gelieferten Waffen keine Beschränkungen mehr gelten, was die Reichweite und damit den Einsatz gegen russisches Territorium angeht. "Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten noch von den Franzosen, noch von uns, von den Amerikanern auch nicht", sagte er. Das heiße, die Ukraine könne sich jetzt "auch verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreift. Das konnte sie bis vor einiger Zeit nicht."

Die Äußerung bedeutet einen Kurswechsel gegenüber seinem Vorgänger Olaf Scholz von der SPD. Der hatte zwar im vergangenen Jahr den Einsatz deutscher Waffen wie den Mehrfachraketenwerfer Mars II gegen Stellungen auf russischem Territorium für die Region um die umkämpfte Großstadt Charkiw erlaubt. Er hatte sich in der Folge aber - anders als wichtige Bündnispartner wie Großbritannien und Frankreich - gegen eine darüber hinausgehende Aufhebung der Einsatzbeschränkungen ausgesprochen.

Klingbeil: "Da gibt es keine neue Verabredung"

Auslöser für Merz' Kurswechsel waren offensichtlich die erfolglosen Bemühungen um eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg und die massiven russischen Luftangriffe auf die Ukraine am Wochenende. Putin verstehe offensichtlich Gesprächsangebote als Schwäche, sagte Merz. "Den Vorwurf, nicht alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft zu haben, die es gibt, den kann uns nun niemand ernsthaft mehr machen."

Inwieweit Merz seine Äußerungen mit dem Koalitionspartner abgestimmt hat, ist unklar. Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil klang jedenfalls am Montag anders. "Was die Reichweite angeht, will ich noch sagen, da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat", sagte er auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Auch der Kreml reagierte auf die Merz-Äußerung. Dies seien "ziemlich gefährliche Entscheidungen, wenn es sie gegeben hat", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Außenminister Johann Wadephul wies die Kritik umgehend zurück. "Es hat jetzt mehrere Aufforderungen und Gelegenheiten gegeben, an den Verhandlungstisch zu kommen für den russischen Präsidenten und er hat sie ausgeschlagen", sagte der CDU-Politiker. "Wir haben immer klar angekündigt, dass dieses Verhalten nicht ohne Konsequenzen bleiben wird."

Deutsche Waffen reichen nicht weit

Operativ wird Merz' Ankündigung zunächst ohnehin kaum Auswirkungen haben. Deutschland hat bisher wenige Waffen geliefert, mit denen die ukrainischen Streitkräfte russische Stellungen und Nachschublinien weit hinter der Frontlinie treffen können. Der Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von etwa 85 Kilometern und die Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von etwa 35 Kilometern sind die einzigen beiden Waffensysteme.

Den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern, mit dem selbst Moskau erreicht werden könnte, hat Berlin bisher nicht geliefert. Die USA, Frankreich und Großbritannien haben den ukrainischen Streitkräften dagegen Raketen mit einer Reichweite von teilweise mehr als 250 Kilometern zur Verfügung gestellt, die Medienberichten zufolge schon gegen russisches Territorium eingesetzt worden sein sollen.

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