Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat seine Kritik am militärischen Vorgehen Israels im Gaza-Streifen erneuert und das Land aufgefordert, umgehend dort mehr humanitäre Hilfe zuzulassen. „Wir sind bestürzt über das Schicksal und das furchtbare Leiden der Zivilbevölkerung“, sagte Merz am Dienstag am Rande seiner Teilnahme am Treffen des Nordischen Rats im finnischen Turku. Er sehe „sehr, sehr kritisch, was da in den letzten Tagen geschehen ist“.
Der Kanzler kündigte an, Gespräche darüber mit der israelischen Regierung zu intensivieren. Konkrete Konsequenzen von deutscher Seite ließ er jedoch offen. Merz verwies auf interne Beratungen der Bundesregierung, die noch nicht abgeschlossen seien. Auch würden Entscheidungen, wenn sie dann getroffen werden, dann „nicht öffentlich sein“. In den vergangenen Tagen war vor allem über einen Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel diskutiert worden.
„Wir hören sehr gut zu“, sagt Israels Botschafter in Berlin
Zuvor hatte der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, offen auf Merz‘ Kritik am israelischen Militäreinsatz im Gaza-Streifen reagiert – und dabei betont, wie ernst seine Regierung diese Worte nimmt. „Wenn Friedrich Merz diese Kritik gegenüber Israel erhebt, dann hören wir sehr gut zu, weil er ein Freund ist“, sagte Prosor im ZDF-„Morgenmagazin“.
Merz hatte am Montag beim WDR-Europaforum in Berlin erstmals deutliche Zweifel am israelischen Vorgehen geäußert: „Das, was die israelische Armee jetzt im Gaza-Streifen macht, ich verstehe – offen gestanden – nicht mehr, mit welchem Ziel. Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.“
Prosor zeigte sich verständnisvoll, verteidigte jedoch das Handeln seines Landes. „Wir wollen Hilfe für die Bevölkerung, aber keine Hilfe für den Terror“, sagte der Botschafter. Israel sei darum entschlossen, die islamistische Hamas zu beseitigen. „Sie will uns auslöschen“, sagte der Botschafter und beschrieb die Lage als „Teufelskreis“, in dem Israel versuche, Geiseln zu retten, humanitäre Hilfe zu leisten und gleichzeitig Terroristen zu bekämpfen. Leicht sei das nicht, sagte Prosor.
Die Verantwortung für das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung sieht Prosor bei der Hamas: „Sie haben Schulen zu Waffenlagern gemacht, Moscheen zu Kasernen und Krankenhäuser eigentlich zu Kommandozentralen.“ Die israelische Armee verfolge das Ziel, die Hamas aus dem Palästinensergebiet zu vertreiben, „weil wir nichts neu aufbauen können, solange die Hamas noch da ist“, sagte der Botschafter.
„Belohnung“ für die Hamas?
Erneut kritisierte Prosor deshalb auch die Bereitschaft europäischer Staaten wie Frankreich oder Spanien, einen palästinensischen Staat möglicherweise anzuerkennen. „Einen palästinensischen Staat anzuerkennen, das heißt der Hamas eine Belohnung zu geben nach ihrem Massaker“, sagte er. Käme es zu einer Anerkennung, „dann haben wir große Fragen.“
Der Großangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und 251 als Geiseln verschleppt wurden, sei der Auslöser des aktuellen Krieges gewesen. Noch immer werden 57 Geiseln festgehalten, 34 davon sind nach Angaben der israelischen Armee tot. „Es kann ein Waffenstillstand gestern da sein, wenn die Geiseln zurück nach Hause kommen“, betonte Prosor.
Bei der Offensive im Gaza-Streifen kamen nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang etwa 60.000 Menschen ums Leben. Die Vereinten Nationen wiesen zuletzt darauf hin, dass im Gaza-Streifen eine Hungersnot drohe.
Auch aus der SPD gibt es wachsenden Druck
Merz ist nicht der einzige hochrangige Politiker aus Deutschland, der derzeit mahnende Worte in Richtung Israel richtet. Auch aus der SPD gibt es wachsenden Druck. Der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich befürwortet einen Stopp der Waffenlieferungen nach Israel: „Ich glaube, es wäre eine richtige Entscheidung, grundsätzlich von Waffenlieferungen jetzt abzusehen“, sagte er im Deutschlandfunk. Die Bundesregierung müsse dies mit dem Parlament eingehend besprechen. Am Ende entscheide der Bundessicherheitsrat.
Juso-Chef Philipp Türmer und Ex-SPD-Chef Norbert Walter-Borjans fordern ebenfalls ein Aussetzen der Rüstungsexporte. „Es darf keinen weiteren Bruch des Völkerrechts geben“, betonte Türmer. Walter-Borjans ergänzte, es gehöre zur deutschen Staatsräson, Israel auch dann zur Seite zu stehen, wenn es darum gehe, das Land „von seinem Irrweg abzubringen“, sagte Borjans dem „Tagesspiegel“.
Trotz der zunehmenden Kritik aus Deutschland bleibt der Ton des israelischen Botschafters gegenüber Merz weiterhin betont respektvoll. Das Verhältnis sei von Freundschaft geprägt, betont Prosor: „Und Freunde hört man sich an.“
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