Tech-Oligarchen von Peter Thiel bis Jeff Bezos pumpen Milliarden in die genetische Augmentierung des Menschen und den Traum vom ewigen Leben. Dahinter steckt der Wunsch, den Tod auszutricksen. Und ein Menschenbild, das Züge rechter Rassenlehre hat.

Das optimale Baby sieht in der Vorstellung von Tsvi Benson-Tilsen wie folgt aus: Es besitzt "philosophische Problemlösungsfähigkeit, Kreativität und Weisheit", dazu noch "Geschmack, großes Gedächtnis, geistige Schnelligkeit, Klugheit, Verständnis und Urteilsvermögen", wie er in einem Online-Forum schreibt. Viele Eltern haben wahrscheinlich den Wunsch nach so einem Kind. Benson-Tilsen will ihn erfüllen. Er träumt von einer Zukunft, in der Babys vor der Geburt mit verbesserten Gehirnen optimiert werden, sodass sie "in ihren kognitiven Fähigkeiten sieben Standardabweichungen über dem Durchschnitt liegen." Anders ausgedrückt: Menschen mit einem IQ von über 205 - statistisch gesehen einer von einer Billion.

Auf natürlichem Weg lassen sich solche Supergenies kaum hervorbringen - dafür leben nicht genug Menschen auf der Erde. Deshalb brauche es "massive Verstärkung menschlicher Intelligenz", meint Benson-Tilsen. Er will sie mit Genom-Editierung erreichen, der künstlichen Veränderung menschlicher Keimzellen. Um die genetische Optimierung der Menschheit auszuloten hat er in der US-Forschungsmetropole Berkeley nahe dem Silicon Valley ein Forum gegründet, versucht Wissenschaftler, Investoren und Interessierte zu vernetzen. Geht es nach ihm, soll die Menschheit die Kontrolle über ihre eigene Evolution übernehmen und dafür ihre DNA gezielt verändern. Es wäre nichts weniger als die Züchtung des perfekten Menschen im Reagenzglas.

In mehr als 70 Ländern der Welt ist das verboten, darunter in Deutschland. Ganz nebenbei verspricht sich Benson-Tilsen von seinem Plan auch Schutz vor Krankheiten wie Diabetes und Brustkrebs, Schizophrenie, Depression und Gen-Defekten sowie ein längeres und gesünderes Leben. Hauptsächlich aber will er die Menschheit vor allem aus einem Grund genetisch aufrüsten: um ihren Untergang zu verhindern. Benson-Tilsen war lange KI-Forscher und glaubt, dass künstliche Intelligenz eines Tages unsere Existenz auslöschen wird, und dass man intelligentere Menschen als heute braucht, um sie zu besiegen: "Ich bin überzeugt, dass das der einzige Weg für die Menschheit ist."

Es klingt nach Science-Fiction, aber Benson-Tilsen ist nicht der einzige im Silicon Valley, der daran tüftelt. Werdende Eltern aus der US-Tech-Szene zahlen inzwischen bis zu 50.000 Dollar, um ihre potenziellen Nachkommen vor der Geburt auf Intelligenz zu testen. Eine ganze Reihe von Firmen machen aus der genetischen Optimierung des menschlichen Lebens längst ein Geschäft. Milliardäre investieren Milliarden in den Traum von der genetischen Superrasse oder der Unsterblichkeit. Weil sie sich Profite versprechen und auch aus tiefster Überzeugung. Dabei werden Züge einer rechten Rassenlehre sichtbar.

"Eugenik-Programm für intelligentere Menschen"

"Es ist der perfekte Stoff für Science Fiction: Die Reichen züchten sich eine genetisch überlegene Super-Kaste heran, die das Ruder übernimmt - während der Rest von uns als Proleten zurückbleibt", zitiert das "Wall Street Journal" Hank Greely, einen der renommiertesten US-Anwälte für Biomedizin-Ethik. Er hat schon vor Jahren in seinem Buch vorhergesagt, dass in spätestens 40 Jahren "die meisten Menschen in entwickelten Ländern keinen Sex mehr zur Fortpflanzung haben werden. Stattdessen wird man angehenden Eltern so viele Informationen wie gewünscht über die genetische Ausstattung ihrer Embryonen geben - und sie werden sich für ein oder zwei entscheiden."

Das scheint noch weit entfernt. Aber Startups wie Nucleus Genomics, Herasight, Heliospect oder Genomic Prediction bieten zahlungskräftigen Tech-Futuristen längst die Möglichkeit, ihre Embryos für Invitro-Fertilisation (IVF) unter anderem auch auf IQ zu screenen. Denn ihre Kunden wollen schon heute die intelligentesten Kinder bekommen, die mit ihrem Erbgut möglich sind, anstatt der Natur und dem Zufall zu vertrauen. "Es gibt inzwischen ein ganzes Ökosystem von extrem vermögenden Personen oder Rationalisten, die von Intelligenz geradezu besessen sind und unbedingt die IQ-Werte wissen wollen", zitiert das Blatt Stephen Hsu von Genomic Prediction. Das Startup hat bereits mehr als 100.000 Embryos für die Tech-Elite getestet.

Weltweit werden jährlich etwa zwei Millionen solcher Gentests durchgeführt. Dabei lassen sich Eigenschaften wie Körpergröße oder Krankheiten inzwischen mit erstaunlicher Genauigkeit vorhersagen. Der nächste Schritt wäre dann, nicht nur Embryos zu selektieren, sondern ihre DNA gezielt zu verändern. "Einige dieser Leute verfolgen ein langfristiges Eugenik-Programm, mit dem sie intelligentere Menschen hervorbringen wollen - und die sollen dann Künstliche Intelligenz sicher machen", sagt Hsu.

Das erinnert an die dunkelsten Kapitel der Nazizeit, als staatliche Programme zur Rassenhygiene vermeintlich unwertes Leben entsorgten. Das will Benson-Tilsen, dessen Vater Rabbi ist, nicht: "Wenn diese Technologie nur den Reichen oder Einflussreichen vorbehalten bleibt, würde sie die Ungleichheit massiv verschärfen - nur eine kleine Elite könnte sich dann außergewöhnlich gesunde und leistungsfähige Kinder leisten."

Superreiche, die den Jungbrunnen suchen

Die Techologie-Elite arbeitet nicht nur daran, ihren Nachwuchs zu optimieren. Sie investiert auch darin, den Tod selbst auszutricksen und die natürliche Alterung des Menschen aufzuhalten. In seinem viel zitierten Essay "Die Bildung eines Libertären" schrieb der Tech-Milliardär Peter Thiel schon 2009 nicht nur, dass Freiheit und Demokratie unvereinbar sind. Er stellte sich auch gegen die "Ideologie der Unvermeidbarkeit des Todes jedes Individuums". Seitdem ist das Streben der Tech-Elite nach langer Lebensdauer (longevity) zu einem Milliarden-Business geworden.

Thiel selbst hat dafür etwa in Unity Biotechnology investiert, ein Startup in San Francisco, das seneszente Zellen erforscht, die sich zwar nicht weiter teilen, aber trotzdem nicht absterben. So sollen Alterskrankheiten wie Arthrose und Augenschwäche geheilt werden. Laut eigener Aussage nimmt der Tech-Milliardär selbst menschliche Wachstumshormone und will 120 Jahre alt werden. In Bluttransfusionen junger Menschen sieht er einen möglichen Jungbrunnen. Thiel will diese Idee mit seinem Startup Ambrosia kommerzialisieren.

Meta-Milliardär Mark Zuckerberg werkelt mit seiner Frau Priscilla Chan sogar daran, bis 2100 alle Krankheiten der Welt auszurotten. In ihren Biohubs in San Francisco, Chicago und New York erforschen sie die Heilung altersbedingter Krankheiten durch Gentechnik, Molekularbiologie und Hightech-Diagnostik. OpenAI-Chef Sam Altman hat mindestens 180 Millionen Euro in den Traum vom ewigen Leben investiert: Sein Startup Retro Biosciences entwickelt Therapien, um die Alterung von Zellen aufzuhalten oder umzukehren. Das Gleiche versucht Amazon-Gründer Jeff Bezos mit Altos Labs: Die Firma hat fast drei Milliarden Dollar von ihm und anderen Investoren eingesammelt und forscht an zellulärer Reprogrammierung und Verjüngung. Und auch an Peter Thiels Unity Biotechnology ist Bezos beteiligt.

Das Ziel hinter all diesen Startups bringt der Tech-Investor Bryan Johnson am klarsten auf den Punkt: "Don't die." In der gleichnamigen Netflix-Doku gewährt "der Mann, der unsterblich sein will" Einblick in Silicon Valleys Traum vom ewigen Leben. Johnson nimmt regelmäßig 54 verschiedene Pillen, bekommt Rotlicht-, Plasma- und Gentherapie. Seine Gesundheitsdaten teilt er live mit seiner Online-Fangemeinde, der er auch die Produkte verkauft, die angeblich sein Leben verlängern. "Hundert Jahre reichen nicht", sagt Johnson. "Wir sind im Krieg mit dem Tod und seinen Ursachen. Wir nähern uns dem unendlichen Horizont. Wir kämpfen für die Freiheit so lange zu existieren, wie wir wollen."

Den Tech-Milliardären geht es offenkundig nicht nur ums Geschäft. Sie streben aus Überzeugung nach einer genoptimierten Superrasse, weil sie an bedingungslosen technologischen Fortschritt glauben. Sie glauben nicht, dass der Tod unabwendbar ist. Er ist nur ein weiteres Problem, das mit Innovation aus dem Weg geräumt wird. Ihr Credo ist Hyperstition: Die Überzeugung, dass alle Vorhersagen der Science-Fiction-Literatur eines Tages wahr werden.

Legionen von Kindern für die Apokalypse

Einer hält sich aus dem Geschäft mit dem ewigen Leben auffällig heraus: Tesla-Boss Elon Musk. Er investiert bewusst nicht in Longevity: "Ich habe keine Angst zu sterben." Musk glaubt, dass der Tod die zentrale Motivation menschlicher Existenz ist. Fiele er weg, würde das Kreativität, Neugier und das Streben nach Verbesserung abwürgen: "Es würde die Gesellschaft ersticken. Denn die meisten Menschen ändern ihre Meinungen nicht - sie sterben einfach. Wenn sie aber nicht sterben, bleiben wir an alten Ideen hängen, und gesellschaftlicher Fortschritt bleibt aus."

Trotzdem mischt Musk kräftig mit bei der Suche nach dem Supermenschen. Er will die menschliche Rasse unter anderem dadurch optimieren, dass Hochintelligente wie er selbst möglichst viele Kinder zeugen. In Musks apokalyptischer Zukunftsvision bedrohen vor allem fallende Geburtenraten die Zivilisation: "Wenn wir keine neuen Menschen machen, gibt es keine Menschheit". Musk ist einer der wichtigsten Anhänger des Pronatalismus, dem in rechten Kreisen verbreiteten Glauben, dass so viele Kinder wie möglich geboren werden müssen. Er finanziert unter anderem in Texas ein Zentrum für Bevölkerungs- und Fruchtbarkeitsforschung. "Die Zeugung von Kindern sollte als nationale Notlage eingestuft werden", postete er auf X.

Musk selbst hat mindestens 14 Kinder von mindestens 4 verschiedenen Frauen. Fünf Kinder hat er mit seiner ersten Frau per IVF gezeugt. Ohne Wissen seiner zweiten Partnerin, der Sängerin Grimes, mit der er ebenfalls über eine Leihmutter ein Kind per IVF bekam, spendete Musk heimlich Samen an eine Managerin seines Startups Neuralink: "Er will unbedingt, dass kluge Leute Kinder bekommen - deshalb hat er mich dazu angeregt", sagt die Frau in einer Musk-Biographie. Sie bekam Zwillinge - ebenfalls gezeugt im Reagenzglas.

Auch die rechte Influencerin Ashley St. Clair hat Musk geschwängert. Noch während ihrer Schwangerschaft soll Musk ihr vorgeschlagen haben, weitere Nachkommen zu zeugen: "Um Legionen-Stärke vor der Apokalypse zu erreichen", schreibt Musk in Textnachrichten, aus denen das "Wall Street Journal" (WSJ) zitiert, "müssen wir Leihmütter verwenden".

Laut mehreren Quellen in Musks Umfeld soll die wahre Zahl seiner Kinder noch höher liegen. St. Clair berichtet, Musk sei 2023 diskret von einem japanischen Popstar um die Vaterschaft gebeten worden und habe zugestimmt: "Sie wollen, dass ich Samen spende. Keine Romantik oder so was, nur Sperma", soll es in einer von Musks SMS heißen. Unter anderem in seinem sozialen Netzwerk X rekrutierte Musk demnach teils wildfremde Frauen.

Musks Vorgehen hat Züge eines digitalen Lebensborn-Programms. Musk scheint nicht daran gelegen zu sein, dass alle Menschen mehr Kinder bekommen. Laut dem "WSJ"-Bericht ist er besorgt, dass Entwicklungsländer in Afrika höhere Geburtenraten hätten als die USA und Europa. Die Lösung sehe er darin, seine eigene, überlegene Intelligenz zu verbreiten, soll Musk Vertrauten gesagt haben. Überschneidungen zwischen der futuristischen Vision des Tech-Milliardärs von der genetischen Optimierung der Menschheit und der längst tot geglaubten Rassen-Ideologie sind kaum zu übersehen.

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