Andrea Orcel präsentiert sich selbstsicher: Im Herzen Frankfurts erläutert der Unicredit-Chef seine Pläne zu einer Übernahme der Commerzbank - fast auf den Tag ein Jahr nach dem Einstieg der italienischen Großbank bei Deutschlands zweitgrößtem börsennotierten Geldhaus. Und gerade einmal 24 Stunden, nachdem Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp auf derselben Bühne die Eigenständigkeit ihres Hauses verteidigt hatte.
"Wir haben einen Plan", sagt Orcel beim "Handelsblatt-Banken-Gipfel". Zunächst werde die Unicredit ihren Aktienanteil an der Commerzbank von derzeit gut 26 Prozent weiter steigern: "Wir werden gegen Ende des Jahres bei etwa 30 Prozent sein." Wird die 30-Prozent-Marke überschritten, wäre die Unicredit verpflichtet, den übrigen Commerzbank-Aktionären ein Übernahmeangebot vorzulegen.
Orcel konkretisiert Übernahmeplan
Ob und wann es dazu kommt, lässt Orcel offen. Der Manager hat aber bereits konkrete Vorstellungen, wie es für die Commerzbank nach einer Übernahme weitergehen könnte:
Filialnetz: In Deutschland ist die Sorge groß, dass das bereits ausgedünnte Netz der Commerzbank von der Unicredit weiter zusammengestrichen würde. Orcel sagt: "Für uns geht es um mehr Erträge. Wir werden das Filialnetz nicht antasten, wir werden in das Netz investieren."
Jobs: Droht im Falle einer Übernahme ein "Kahlschlag" bei der Commerzbank? "Ich denke, dass in der Zentrale eine große Zahl Arbeitsplätze wegfallen würde, aber weitaus weniger, als herumerzählt wurde", sagt der Unicredit-Chef. Und er ist mit Blick auf die Commerzbank überzeugt: "In fünf oder sieben Jahren würden sie wahrscheinlich mehr Jobs streichen als bei einer Konsolidierung mit uns, weil sie es müssen." Die Commerzbank selbst will bis Ende 2027 etwa 3.900 Vollzeitstellen streichen, 3.300 davon in Deutschland. Weil zugleich bei der polnischen Tochter mBank und an Niedriglohnstandorten in Asien Stellen geschaffen werden, soll der Personalbestand weltweit weitgehend konstant bei 36.700 Vollzeitkräften bleiben.
Zentrale: Mailand, München oder Frankfurt - wo könnte der Hauptsitz der Commerzbank nach einer Übernahme sein? "Wir würden das mit der Regierung diskutieren", sagt Orcel. Unicredit habe möglicherweise eine Präferenz, aber die Regierung werde erklären, welchen Ort sie bevorzuge.
Gegen die Politik geht nichts
Ohnehin habe er in den vergangenen Monaten gelernt, dass er die Politik stärker einbeziehen müsse. Der deutsche Staat, der die Commerzbank in der Finanzkrise 2008/2009 mit Steuermilliarden vor dem Kollaps bewahrt hatte, hält nach jüngsten Angaben noch mehr als 12 Prozent der Anteile und schließt den Verkauf weiterer Commerzbank-Aktien bislang aus. "Wir sind hier und sind froh über jeden konstruktiven Dialog mit jedem, der das möchte", bekräftigt Orcel.
Im vergangenen September hatte die Unicredit den Teilausstieg des Staates genutzt, um sich in großem Stil bei der Commerzbank einzukaufen - und damit die Bundespolitik ebenso überrascht wie den Finanzplatz Frankfurt.
Alle wollen stärkere Banken - aber keiner will zurückstecken
Management und Betriebsrat der Commerzbank lehnen Orcels Vorgehen ebenso wie die Bundesregierung als "feindlich" und "unfreundlich" ab. Doch das ficht Orcel nicht an. Die Unicredit, die im deutschen Markt mit der Hypovereinsbank (HVB) bereits ein Standbein hat, sieht Chancen im Geschäft mit Privat- und Mittelstandskunden.
Alle redeten darüber, dass Europa stärkere Banken brauche, klagt Orcel. Doch wenn es konkret werde, sage jeder: "Wir brauchen wirklich stärkere Banken, wir brauchen wirklich eine Konsolidierung - aber nicht hier."
Commerzbank-Chefin Orlopp verspricht den Aktionären für die nächsten Jahre steigende Gewinne und höhere Dividenden. "Grenzüberschreitende Integrationen machen nur dann Sinn, wenn ich wirklich die Vorteile daraus ziehen kann", sagt sie zum Thema Fusionen. "Größe allein ist nicht der Hebel. Es ist wichtig, auch schnell zu sein, innovativ zu sein."
Muss die Commerzbank noch mehr sparen?
Die Bemühungen der Commerzbank, durch den Abbau teurer Stellen die Kosten zu senken, reichen nach Orcels Urteil nicht aus: "Sie dürfen nicht schwächer werden, weil niemand als Bank in Deutschland überleben kann mit einem Aufwand-Ertrags-Verhältnis von 57 Prozent, wenn die Wettbewerber unter 40 sind." Die Commerzbank strebt an, in diesem Jahr für jeden Euro Ertrag nur noch 57 Cent aufzuwenden. Zum Vergleich: Die Unicredit brauchte im ersten Halbjahr nicht einmal 37 Cent.
Dass er angesichts der Widerstände in Deutschland bei seinen Plänen zur Commerzbank-Übernahme einen langen Atem braucht, stört ihn offensichtlich nicht: Auf die Frage, wie lange er Chef der Unicredit bleiben wolle, antwortet der 62-Jährige: "So lange die Aktionäre mich wollen, werde ich bleiben."
dpa- Unicredit
- Commerzbank
- Andrea Orcel
- Chef
- Frankfurt
- Deutschland
- Bettina Orlopp
- Frankfurt am Main
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke