Mehrere führende Wirtschaftsinstitute blicken skeptischer auf die deutsche Wirtschaft. Für das laufende Jahr erwarten sie quasi Stillstand und senken sogar ihre Konjunkturprognosen.

Als erstes großes Wirtschaftsforschungsinstitut hat heute das Kieler IfW seine Konjunkturprognose für Deutschland gesenkt. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr lediglich um 0,1 Prozent wachsen, heißt es in der Herbstprognose des Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Im Juni hatte es noch ein Plus von 0,3 Prozent vorausgesagt.

Für das kommende Jahr senkten die Ökonomen ihre Schätzung von 1,6 auf 1,3 Prozent und für 2027 erwarten sie plus 1,2 Prozent. In den beiden vergangenen Jahren war Europas größte Volkswirtschaft geschrumpft. "Die deutsche Wirtschaft wartet auf Impulse", schrieben die Forscher. "Die Kräfte für einen selbsttragenden Aufschwung bleiben schwach."

Auch ifo und RWI senken Prognosen

Etwas optimistischer für das laufende Jahr zeigen sich die Ökonomen am Münchner ifo-Institut: Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 0,2 Prozent wachsen. Damit senken auch die Experten in München ihre Prognose. Für 2026 gehen sie - wie auch die Forscher am IfW - von einem Wachstum um 1,3 Prozent aus, heißt es in der heute veröffentlichten Herbstprognose. Im Juni waren noch 0,3 und 1,5 Prozent veranschlagt worden. Erst 2027 soll es dann zu einem kräftigeren Plus von 1,6 Prozent reichen.

Und auch das RWI Essen senkt seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft und warnt vor einer zunehmenden Abhängigkeit von staatlichen Ausgaben. Für 2025 erwarte man nur noch 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum - ähnlich wie das ifo-Institut -, für 2026 dann 1,1 Prozent und 2027 rund 1,4 Prozent, teilte das Institut mit. Damit korrigierten auch diese Forscher ihre Sommerprognose für dieses und nächstes Jahr um 0,1 und 0,4 Prozentpunkte nach unten.

Herbstprognosen zur Entwicklung des deutschen BIP
Quelle 2025 2026 2027
Instituts für Weltwirtschaft (IfW) +0,1% +1,3% +1,2%
ifo-Institut +0,2% +1,3% +1,6%
RWI Essen +0,2% +1,1% +1,4%

Zölle belasten die Exportwirtschaft

Laut den Forschern des IfW hätten sich die Konjunkturindikatoren sich zwar stabilisiert, während sich die Geschäftsaussichten in Erwartung staatlicher Ausgabensteigerungen sogar recht deutlich verbesserten. "Viel mehr als eine Seitwärtsbewegung der Wirtschaftsleistung zeichnet sich bis zum Jahresende jedoch nicht ab, zumal die US-Zollpolitik belastet", hieß es. Die hohen Zölle verteuern deutsche Waren beim wichtigsten Exportkunden USA.

Ähnlich schätzen das die Experten des Münchner ifo-Instituts ein: "Die US-Zölle belasten die deutsche Wirtschaft nach wie vor spürbar", sagte ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Von der Einigung im Zollstreit zwischen den USA und der EU seien keine unmittelbaren Effekte zu erwarten, da die effektiven Zollsätze weitgehend dieselben seien wie im Sommer.

"Lediglich die mit dem bisherigen Zollstreit verbundene Unsicherheit dürfte allmählich zurückgehen, was die Konjunktur stützt", sagte Wollmershäuser. Die USA sind der wichtigste Abnehmer von Waren "Made In Germany". Für Lieferungen werden für die meisten Güter Zölle von 15 Prozent verlangt.

Deutsche Wirtschaft braucht umfassende Reformen

Weniger kritisch werden die Auswirkungen der US-Zollpolitik bei den Forschern des RWI gesehen. Die Unberechenbarkeit der US-Zollpoltik belaste zwar die deutsche Exportwirtschaft. "Das Kernproblem ist aber ihre anhaltend schwindende Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten", erklärte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. Eine Kehrtwende erfordere zwingend umfassende strukturelle Reformen: "Staatliche Investitionen können private Aktivitäten auf Dauer nicht ersetzen."

So blieben die privaten Investitionen weiterhin schwach. "Die staatlichen Ausgabenprogramme können kurzfristig stabilisieren, lösen aber nicht die grundlegenden Wettbewerbsprobleme der deutschen Wirtschaft", betont Schmidt und fügt hinzu: "Das größte Risiko für die deutsche Konjunktur liegt in der aktuellen Abhängigkeit von staatlichen Impulsen selbst." Verzögere sich der Mittelabfluss aus den Sondervermögen oder blieben die erhofften Multiplikatoreffekte aus, drohe ein noch schwächeres Wachstum. "Gleichzeitig verschärfen sich die strukturellen Wettbewerbsprobleme weiter, je länger sie unbearbeitet bleiben."

Bei politischem Stillstand kein Ende der wirtschaftlichen Stagnation

Auch die Forscher des ifo-Institutes betonen die Notwendigkeit einer schnellen Umsetzung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Neben höheren Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung zählen zu den Maßnahmen unter anderem beschleunigte Abschreibungsmöglichkeiten, die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie und der Stromsteuer für das Produzierende Gewerbe, reduzierte Netzentgelte sowie die Erhöhung der Pendlerpauschale.

Wenn sie konsequent und überzeugend umgesetzt würden, könne die aktuelle Unsicherheit abnehmen, so ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. "Bleibt es jedoch beim wirtschaftspolitischen Stillstand, drohen weitere Jahre der wirtschaftlichen Lähmung und der Erosion des Unternehmensstandorts", warnte er.

Impulse wirken ab 2026

Gleichzeitig betonen die Forscher, dass die Impulse "vor allem ab dem kommenden Jahr Wirkung entfalten" dürften. Im laufenden Jahr liegen sie demnach nur bei neun Milliarden Euro und steigen erst 2026 und 2027 auf 38 beziehungsweise 19 Milliarden Euro.

Ähnlich äußern sich die Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Ab dem nächsten Jahr werde die Bundesregierung ihre neuen finanzpolitischen Spielräume zunehmend nutzen. "Wir rechnen damit, dass die expansive Finanzpolitik die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts im kommenden Jahr um etwa 0,6 Prozentpunkte erhöht", erklärte das IfW.

Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt?

Werde berücksichtigt, dass insbesondere 2026 die Zuwachsrate durch die höhere Zahl an Arbeitstagen beflügelt werde (0,3 Prozentpunkte), bleibe das Expansionstempo gering. "Auf dem Arbeitsmarkt wird mit der wirtschaftlichen Belebung eine Kehrtwende einsetzen", sagt das IfW voraus. Die Arbeitslosenquote soll von 6,3 Prozent im laufenden Jahr auf 5,8 Prozent 2027 sinken.

Die Arbeitslosigkeit wird dem ifo-Institut zufolge im laufenden Jahr um 155.000 Personen steigen, die Arbeitslosenquote auf 6,3 Prozent. 2026 und 2027 dürfte sie dann auf 6,1 bzw. 5,4 Prozent sinken. Deutlich pessimistischer blickt das RWI auf den Arbeitsmarkt: Dort sei kaum Besserung in Sicht. Die Arbeitslosenquote verharre bei über sechs Prozent.

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